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Keine Lust mehr (unter Menschen) zu leben?

phoenix89 - 36
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 10:12 Uhr
Zuletzt editiert am: 10.04.2013 um 10:26 Uhr
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Zitat von ViolentFEAR: Ich halte es für möglich, dass mittels zukünftiger biotechnologischer Intervention leidlose, hochintelligente Menschen erzeugt werden können. Auch in der Robotik stellt sich die Frage, ob ein kreatives Bewusstsein nicht ohne "rohe Gefühle" auskommen könnte.
[Folgender Abschnitt hierhergezogen, wegen thematischer Stimmigkeit:]
Deine Ansicht wird spätestes dann herausgefordert, wenn wir über technologische Innovationen verfügen, die eine potentielle Unsterblichkeit ermöglichen. (1) Damit kenne ich mich nun gar nicht aus; gibt es dazu bereits empfehlenswerte Literatur, oder hättest du gerade Lust, zu bestätigen oder zu verwerfen, ob man sich den dabei entstehenden „Menschen“ letztlich als reine Rechenmaschine vorzustellen hätte? (Klages is not amused … ^^) Denn zunächst scheint mir menschliches Bewusstsein und Denken nur im Verband des gesamten Menschen wirklich sinnvoll zu sein.
(2) Das ist richtig; potentielle Unsterblichkeit bringt natürlich die Auffassung, dass Endlichkeit zum Leben gehört, in‘s Wanken. Es wäre natürlich – hoffentlich – nach wie vor jedermann möglich, an seiner Endlichkeit festzuhalten. – So muss ich auch gestehen, dass ich diese Perspektive (die der Unsterblichkeit) nicht unbedingt bzw. nicht nur attraktiv finde; – aber wer weiß? : ausprobiert hat‘s ja noch niemand; somit fehlen noch Erfahrungsberichte, die für eine Beurteilung ‚von innen‘ und zur Vervollständigung der Beurteilung des Sachverhalts im Gesamten ganz günstig wären.
Was macht dir denn dieses Gedankenspiel attraktiv (gesetzt, dass es das tut)?
I wo, das sagte ich doch auch nicht. ^^ – Meine Aussage war: dass ich es „zutiefst widersprüchlich“ finde, wenn „ein Lebewesen […] die Abschaffung des Lebens […] fordert“. Der Zusatz: „in einem mehr als logischen Sinne“ diente der näheren Bestimmung meines Dies-Widersprüchlich-Findens.
Zitat von ViolentFEAR: Die Vorstellung, dass ein geschlachtetes Tier durch meinen Verzehr in eine höhe Seinsstufe einkehrt scheint mir auch sympathisch. Die Verherrlichung eines "natürlichen Kreislaufes" der für viele die Tötung von Lebewesen rechtfertig, scheint ebenfalls breite Beliebtheit aufzuweisen. Ich liebe die Vorstellung, dass wir gewollt wurden, dass es Hoffnung am Ende des Leides gibt und dennoch bin ich nicht so vermessen und zwinge potentiellen Lebewesen meine Sicht der Dinge auf, nur weil ich die Hoffnung habe, dass dieses womöglich die selbe Attitüde bekommt. Zur Beantwortung der Frage, ob man sich fortpflanzen möchte, oder nicht, bleibt einem sinnvollerweise kaum etwas anderes übrig, als die eigene Sicht der Dinge heranzuziehen; entschließt man sich dazu, sich nicht fortzupflanzen, zwingt man auch niemandem etwas auf, das ist allerdings richtig. – Jemand, der sich zu vermehren beschließt (und zuvor die hier diskutierten Gedanken hatte: welche mir durchaus nicht völlig unzugänglich sind), wird dies wohl durchaus in der Annahme, seine Kinder dazu befähigen zu können, trotz eventuellen Leides und sicheren Todes ein erfülltes Leben zu führen – was auch immer das dann genau heißen mag –, und trotz des Risikos, dass seine Kinder ihm später Unrecht geben würden, tun. Ich muss jedoch gestehen, dass ich mich keineswegs übergangen fühle, wenn ich daran denke, dass mir – notwendigerweise – die Entscheidung über mein In‘s-Leben-Treten entzogen war (so spannend auch die Überlegung, dass einen ja niemand gefragt habe, ob man überhaupt leben wolle, bei ihrem Auftauchen ist).
Davon abgesehen, ist es etwas wesentlich Anderes, ob ich – von Erfahrung ausgehend – sage, dass Leiden unter Umständen(!) eine lebensförderliche Wirkung haben kann (oder doch zumindest einen Teil in einem dahingehenden Prozess übernimmt: da es ja schließlich nicht allein auf das Vorhandensein von Leid, sondern wesentlich auf dessen Verarbeitung ankommt) [der hierbei von mir gemachte Zusatz in Klammern, der verhindern sollte, dass meine Einschätzung „des Leidens“ den Eindruck erweckte, ich würde dahingehend eine umfassend-enthusiastische Haltung einnehmen und Leiden glorifizieren, erfolgte zwar vor deinem Post, jedoch zu spät, als dass du ihn vor deiner Antwort noch hättest lesen können; ich verweise daher auf den ersten Abschnitt in meinem obigen Post: 9.4., 23:02], oder ob Hans Wurst und Max Mustermann gerne ihren Fleischkonsum durch irgendwelche Interpretationen oder Imaginationen legitimieren möchten.
Zitat von ViolentFEAR: Bei der Erzeugung von Leben geht es nicht um unseren eigenen Umgang mit Leid, sondern der Feststellung das so etwas wie Leid existiert und der angenommen Verantwortung die wir für unsere Entscheidungen tragen. Natürlich kann man finden, dass das Leid der eigenen Kinder keine Rolle spielt, solange es nicht dazu führt, dass sie ihre eigene Existenz nicht beklagen. Mir scheint das aber mit dem Anspruch vieler führsorglicher Eltern nicht übereinzustimmen. Da hast du Recht; aber auch, wenn es nicht bzw. nicht allein um den eigenen Umgang mit Leid geht, ist die Bewertung von Leid ja Teil des eigenen Umgangs damit, und bildet insofern einen Teil der Basis, auf welcher die Urteile in Betreff der eigenen Fortpflanzung gefällt werden. Nicht ausschließen möchte ich auch, dass es Umstände gäbe, unter welchen auch mir eine Fortpflanzung als nicht-ratenswert erschiene; es ist hingegen die grundsätzliche, in‘s Große gerechnete Abneigung gegen den Fortbestand der eigenen Spezies im Gesamten, der mir seltsam scheint. (Dies wiederum meint schlechterdings nicht, dass ich jemandem, der sich nicht fortzupflanzen wünscht, persönliche Vorhaltungen machen wollte; – dies nur für den Fall …)
Welchen Anspruch fürsorglicher Eltern meinst du genau? Der Anspruch, ein glückliches Kind zu bekommen? Oder ein Kind mit leidfreiem Leben? Oder –?
Zitat von ViolentFEAR: […]
Es ist aber sicher nett für alte und junge Sterbende zu erfahren, dass du das lediglich als ihre letzte Erfüllung siehst. Den Tod "anzunehmen" kann eine wichtige Einsicht sein um auch in Ruhe die letzten Tage zu begegnen, daraus aber abzuleiten, dass dies ein universeller Anspruch ist, oder gar eine absolute Wahrheit, die uns dazu führen sollte das Leid am Tode zu verspotten - der Begriff der "Torheit" erscheint mir aus dem Munde eines gesunden, jungen Mitteleuropäers in dieser Unterhaltung als selbstironisch - ist tatsächlich sowohl logisch irrelevant als auch empirisch fragwürdig. Huch?! Wie du aus meinen Beiträgen Informationen über meine gesundheitliche Verfassung ableiten zu können meinst, ist erstaunlich … Vielleicht wäre es jedoch angebrachter, meine Beiträge nicht auf versteckte medizinische Hinweise, sondern auf ihren eigentlichen Gehalt hin zu betrachten. ;)
Meine Ansicht scheint mir nämlich (was natürlich auch an meiner Darstellung oder der damaligen Uhrzeit gelegen haben mag) nicht ganz verständlich geworden zu sein, wenn du schreibst, dass ich den Tod „lediglich“ als letzte Erfüllung der Leidenden sähe: Dies klingt (unrichtigerweise) zum einen so, als mäße ich ihm „lediglich“ eine geringe Rolle bei (oder als forderte ich frecherweise, ein Sterbender solle dies tun), und als wären zum anderen Sterbende dazu verpflichtet, sich irgendwie „erfüllt“ zu fühlen, wenn (oder gar während) sie sterben (und womöglich sogar noch ausschließlich, ohne irgendein anderes Gefühl). Ich sprach jedoch nicht von einer Erfüllung für die Sterbenden, sondern von der Erfüllung des Lebens, und meinte damit eine „Erfüllung“ analog zu der Erfüllung – d. i. Einlösung – eines Versprechens („des Lebens“ selbst), nicht aber eine „Erfüllung“ (der Lebewesen selbst), wie sie z. B. ein ausgiebiger Strandurlaub o. ä. bieten mag. Auch habe ich mit keinem Wort von „absoluten Wahrheiten“ gesprochen, noch das Leiden Sterbender irgendwie verspottet, und es tut mir leid, dass irgend etwas diese Annahme hervorgerufen hat. – Aber von Anfang:
Die Verwendung des Begriffs der Torheit mag dir zwar selbstironisch erscheinen; ich sprach jedoch erstens davon, dass die aus Gründen des Leidens vorgenommene Verwerfung des Todes lediglich unter anderem (also nicht nur) eine Torheit (übrigens nicht eine Verdorbenheit o. ä.) sei, und dass es sich dabei zweitens nur um das absolut genommene Leiden am Tode handele, also um ein solches, das – nicht aus einer selbst-akut-betroffenen, sondern aus einer distanziert-reflektierenden Position heraus – postuliert, das Ende des Lebens sei an sich, überhaupt und in jedem Falle etwas Verwerfliches. „Torheit“ ist hier auf die Art gegeben, auf welche der Stoiker Torheit in der Auflehnung gegen die Notwendigkeit des Schicksals erblickt (und übrigens nicht, wie irgendjemand, der hierbei mit ‚schlechtem Charakter‘ etc. anrücken wollte); und „anmaßend“ deshalb, weil sie etwas (noch?) Unmögliches und damit dem Menschen „nicht Zustehendes“ fordert (worin letztlich eine ähnliche Abneigung gegen Hybris-haftes Verhalten liegen mag, wie du sie ob meiner Verwendung des Wortes „Torheit“ empfunden hast). – Da ein Leiden am Sterben jedoch ein äußerst elementares Gefühl ist, steht es außerhalb jeder Debatte, dass es einen konkreten Sterbenden zwar nicht notwendiger-, wohl aber möglicherweise herzlich wenig interessiert, dass eine Darlegung der Notwendigkeit des Geschehens ihn nach stoischer Auffassung dazu bringen sollte, sich willig in sein Schicksal zu fügen und nicht „vernunft-“ oder „naturwidrig“ zu handeln, indem er, der gerade notwendigerweise stirbt, wünscht, dass dem nicht so wäre, und darob dekretiert, der Tod sei ein Fehler im Gefüge der Welt. – Wie ich oben bereits schrieb, fußt die Betrachtung des Todes als eines ‚Skandals‘ (ungeachtet dessen, dass sie, wie danach geschildert, „in meinen Augen“(!), eine einseitige – nicht aber eine ungerechtfertigte! – Betrachtung darstellt) auf völlig nachvollziehbarem und gutzuheißendem Fundament: Ein Leben ohne den Drang, zu leben, könnte ich mir schwerlich ausmalen; somit ist es sinnvoll und gut, dass die Instinkte des betreffenden Lebewesens im gegebenen Falle gegen den Tod rebellieren und ihm entgegenarbeiten, das Lebewesen also zum Leben anhalten. Die Spannung, die sich aus dieser Ambivalenz in der menschlichen Seele ergibt, ist natürlich unübersehbar; letztlich halte ich sie jedoch für keineswegs widersinnig. —
— Nun, in aller Deutlichkeit, der zweite Aspekt meiner Schilderung, die ich nicht umsonst mit den (meines Erachtens recht klaren und keineswegs sich-Anderen-zwanghaft-aufdrängenden) Wendungen „für mich“ und „in meinen Augen“ versehen hatte: Verschiedene Erlebnisse, Erfahrungen und Besinnungen haben mich zu der Auffassung geführt, dass der Mensch das einzige Lebewesen zu sein scheint, das derartige Probleme mit seiner eigenen Endlichkeit hat, und dass aber zugleich diese Endlichkeit des Lebens – und, damit einhergehend bzw. dadurch sowohl ermöglicht wie auch angeregt, die Erneuerung „des Lebens“ durch Wechsel der Lebewesen – eine ihm (= „dem Leben“ der Lebewesen, nicht „dem Leben“, das sie umfasst, wenn man so will) inhärente Gegebenheit ist. (Dass dieses Problem ein genuin menschliches zu sein scheint, lässt es mir angebrachter erscheinen, die Ursache dafür, dass hier ein Problem gesehen wird, im Menschen selbst zu suchen und dort anzugehen, anstatt sich mittels ‚äußerer‘ Hilfsmittel eine wie auch immer geartete endlose Dauer der eigenen Existenz zu sichern. Nebenbei erwähnt, sind mir Gedankengänge, die zur Zwecklosigkeit der eigenen Existenz oder der Existenz überhaupt angesichts der jeweiligen Endlichkeit führen, nicht fremd, und entgegen der Ansicht des bereits erwähnten Klages – dessen Darlegung, wie die „frevelhafte“ rein-verstandesmäßige, „geistige“ Aneignung der Welt einen notwendigerweise zum Nichts sowie zur Nichtigkeit des Alls führe und damit das Leben selbst „entzaubere“, entwerte und aus den Händen verliere, mir anfangs ((vllt. zu Unrecht?)) als übertrieben erschien – halte ich sie auch nicht zwingend für schädlich, sondern u. U. für sehr fruchtbar.) Bezeichnenderweise waren es unter anderem direkte Erfahrungen mit dem Sterben bzw. mit Sterbenden selbst, die hierzu ihren Teil beigetragen haben; weshalb sich denn auch meine Gewissensbisse (als die eines Menschen, der eben noch nicht selbst gestorben ist, und daher ‚von außen‘ über den Tod, ‚von innen‘ über das Leben reden muss), wenn ich den Tod als Teil des Lebens ansehe, durchaus in Grenzen halten. – Sicher, das beraubt den Tod und das Leid keineswegs der mir durchaus bekannten Schrecken und Qualen, die sie mit sich führen. Dies zu bestreiten, würde mir auch ebenso wenig einfallen, wie zu fordern, man müsse den Tod, wenn man ihn einmal als Notwendigkeit anzusehen gelernt hat, auch im gegebenen Zeitpunkt des Sterbens aus vollster Seele gut- und willkommenheißen (so wünschenswert mir dies auch schiene). Ich schrieb bereits oben (und bitte für die Wiederholung um Entschuldigung), dass es mir um eine prinzipielle Bejahung des Todes gehe [potentielle Unsterblichkeit bei alledem nicht mit eingerechnet, s. o.], und nicht um die Forderung, jeder Sterbende habe jeden Tod zu jeder Zeit und auf jede Weise freudig zu empfangen, oder um die irrige Feststellung, wer akut an seinem Sterben leide, sei irgendwie nicht ganz richtig im Kopf, in der Seele oder im Leibe; diese prinzipielle Bejahung des Todes (unter Berücksichtigung konkreter mit dem Sterben verbundener Widrigkeiten, die nicht zwingend unter diese Bejahung – die, um es erneut zu sagen, kein Imperativ an jedermann ist – fallen) geschah also von derselben eher distanziert-reflektierenderen Position aus, von welcher aus ich zuvor die prinzipielle Verwerfung der Endlichkeit des Lebens verneint habe (– für mich, um das erneut zu betonen). Dass ein Lebewesen sich auch gegen den Tod sträubt, ist, wie am Ende des vorigen Absatzes geschrieben, völlig gut so. —
Wie bereits gesagt, schreibe ich niemandem vor, diese Auffassung (welche sich doch glatt erdreistet, neben dem Schrecklichen des Todes auch Nicht-Schreckliches, ja Glück an ihm wahrzunehmen, und die „nichts Bessers haben [will], als die Götter“, wenn man‘s schwärmerischer formulieren möchte) zu übernehmen. Da ich sie für stimmig und gut halte, werde ich sie vielleicht, wo es mir angebracht und förderlich erscheint, jemand anderem nahezubringen versuchen (mehr als Angebot denn als Befehl, keine Sorge). Dass ich der dargestellten Auffassung bin, impliziert jedoch ebenso wenig wie diese Auffassung selbst, dass gegebenes Leiden im Moment des Todes durch sie gemindert würde, so sehr es auch wünschenswert wäre; es impliziert ja noch nicht einmal, dass ich selbst im Moment des eigenen Sterbens selig lächelnd aus meinem Leben scheiden würde: Das, was ich prinzipiell (persönlich) bejahte, ist eben der Tod als gegebene Endlichkeit des Lebens, und nicht ein jedes Sterben oder das damit potentiell oder faktisch verbundene Leid …
Ich denke, damit sollten die vorigen Missverständnisse ausgeräumt und mögliche zukünftige vermieden sein; sollte es wider Erwarten zum Anschein verwerflicher Thesen kommen, bitte ich, nach dem Prinzip in dubio pro reo zu verfahren, da ich mir recht sicher bin, dass dieser Anschein eher der Form als dem Inhalt der Aussage entsprungen sein würde. ;)
Da ich die obigen Ausführungen gerade nicht weiter oder besser darzulegen oder debattieren zu können und zu wollen glaube, möchte ich gerne von weiteren Erörterungen absehen.
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O0O0O0O0O
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 10:27 Uhr
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wie kriegen die das hin, obwohl sie ständig neue scheisse posten, mich nie zu überraschen?
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MrRobot
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 15:35 Uhr
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Zitat von phoenix89: Was macht dir denn dieses Gedankenspiel attraktiv (gesetzt, dass es das tut)?
Auf diese Frage Antworte ich dir auch mal. Für mich ist es schlicht und ergreifend vor allem meine ungezähmte Neugier, die diesen Gedanken interessant für mich macht.
Ich bin vor allem ein Beobachter, und ich fändes es unglaublich interessant zu sehen bzw. zu erleben wie es auf der Welt in 100, 500, 1000 oder sogar 10000 Jahren aussieht. Einfach wie sich alles entwickelt, ob es noch Menschen gibt, ob wir den Sprung zu anderen Welten schaffen, ob wir es schaffen unsere eigene zu retten, ob wir ewig an Übeln wie Gier, Neid, Hass und Missgunst kranken oder ob die Menschheit es irgendwann schafft darüber hinauszuwachsen, etc.
In gleichem Maße würde es mich auch interessieren die Vergangenheit aus erster Hand zu erleben, aber dazu könnte mir nicht einmal Unsterblichkeit verhelfen ^^
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ViolentFEAR - 33
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 17:28 Uhr
Zuletzt editiert am: 10.04.2013 um 17:48 Uhr
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Zitat von phoenix89: (1) Damit kenne ich mich nun gar nicht aus; gibt es dazu bereits empfehlenswerte Literatur, oder hättest du gerade Lust, zu bestätigen oder zu verwerfen, ob man sich den dabei entstehenden „Menschen“ letztlich als reine Rechenmaschine vorzustellen hätte? (Klages is not amused … ^^) Denn zunächst scheint mir menschliches Bewusstsein und Denken nur im Verband des gesamten Menschen wirklich sinnvoll zu sein.
(2) Das ist richtig; potentielle Unsterblichkeit bringt natürlich die Auffassung, dass Endlichkeit zum Leben gehört, in‘s Wanken. Es wäre natürlich – hoffentlich – nach wie vor jedermann möglich, an seiner Endlichkeit festzuhalten. – So muss ich auch gestehen, dass ich diese Perspektive (die der Unsterblichkeit) nicht unbedingt bzw. nicht nur attraktiv finde; – aber wer weiß? : ausprobiert hat‘s ja noch niemand; somit fehlen noch Erfahrungsberichte, die für eine Beurteilung ‚von innen‘ und zur Vervollständigung der Beurteilung des Sachverhalts im Gesamten ganz günstig wären.
Was macht dir denn dieses Gedankenspiel attraktiv (gesetzt, dass es das tut)?
Tausende. In der Bioethik, Humane Enhancement, Trans- und Posthumanismus oder in der Technikphilosophie ja nichts ungewöhnliches, ebenso werden diese Möglichkeit ja häufig von Biologen und Neurowissenschaftlern diskutiert und in den eigenen Forschungsrahmen gestellt. Mit einem einzigen Buchtipp scheint es mir also nicht getan, aber im deutschen würde ich zu den Werken Bernhard Irrgangs und dem Klassiker Cassirer raten, ansonsten sollte man natürlich die Oxforder Nick Bostrom und Julian Savulescu kennen, wobei letzter sich eher mit der ethischen Dimension beschäftigt. In dieser ethischen Debatte wäre dann auch wieder Habermas und Sandel (sowie der vor kurzem verstorbene Dworkin) zu nennen. Im Bereich der philosophy of mind wüsste ich garnicht wo ich anfangen sollte zu beginnen. Jedoch verstehe ich nicht, was potentielle Unsterblichkeit mit „Rechenmaschine“ zu tun haben soll? Vielleicht spielt das eine Rolle bei der Frage nach Bewusstseinsübertragung von menschlichem Bewusstsein auf andere Medien, aber doch sicher nicht bei der Frage wie man die biologischen Zerfälle des Menschen aufhält.
Ich weiß nichts mit deiner letzten Frage anzufangen. Ich diskutiere Möglichkeiten die für wahrscheinlich gehalten werden und deren Verwirklichung mitunter sowohl begriffliche Klärung voraussetzen wie auch ethische Fragen aufwerfen. Wie ich versuche nachzuweisen, gibt es nichts was uns technischer Fortschritt bieten kann, da Nichtexistenz ebenfalls alle möglichen ethischen wie existenziellen – streng materialistischen – Fragen klärt. In einer Zukunft ohne Leid wäre meine Argumentation obsolet, jedoch wäre eine leidlose Existenz weiterhin nicht der Nichtexistenz vorzuziehen. Eine Haltung der Indifferenz wäre an dieser Stelle angebracht, auch wenn diese Indifferenz es ermöglichen würde, dass wir andere Faktoren stärker berücksichtigen dürften (z.B. das es noch weiteres Leid in anderen Galaxien gibt etc.)
Zitat von phoenix89: I wo, das sagte ich doch auch nicht. ^^ – Meine Aussage war: dass ich es „zutiefst widersprüchlich“ finde, wenn „ein Lebewesen […] die Abschaffung des Lebens […] fordert“. Der Zusatz: „in einem mehr als logischen Sinne“ diente der näheren Bestimmung meines Dies-Widersprüchlich-Findens.
Auch wenn dies nur kleinlich ist: Ich sehe keinen Widerspruch, selbst wenn ich dies tun würde. Die Verhinderung von Leid ist wünschenswert, insofern scheint mir die Erzeugung von leidfähigen Leben für falsch. Nie habe ich gegen die Persistenz von bereits existierendem, leidfähigen Leben gesprochen.
Zitat von phoenix89: Zur Beantwortung der Frage, ob man sich fortpflanzen möchte, oder nicht, bleibt einem sinnvollerweise kaum etwas anderes übrig, als die eigene Sicht der Dinge heranzuziehen; entschließt man sich dazu, sich nicht fortzupflanzen, zwingt man auch niemandem etwas auf, das ist allerdings richtig. – Jemand, der sich zu vermehren beschließt (und zuvor die hier diskutierten Gedanken hatte: welche mir durchaus nicht völlig unzugänglich sind), wird dies wohl durchaus in der Annahme, seine Kinder dazu befähigen zu können, trotz eventuellen Leides und sicheren Todes ein erfülltes Leben zu führen – was auch immer das dann genau heißen mag –, und trotz des Risikos, dass seine Kinder ihm später Unrecht geben würden, tun. Ich muss jedoch gestehen, dass ich mich keineswegs übergangen fühle, wenn ich daran denke, dass mir – notwendigerweise – die Entscheidung über mein In‘s-Leben-Treten entzogen war (so spannend auch die Überlegung, dass einen ja niemand gefragt habe, ob man überhaupt leben wolle, bei ihrem Auftauchen ist).
Davon abgesehen, ist es etwas wesentlich Anderes, ob ich – von Erfahrung ausgehend – sage, dass Leiden unter Umständen(!) eine lebensförderliche Wirkung haben kann (oder doch zumindest einen Teil in einem dahingehenden Prozess übernimmt: da es ja schließlich nicht allein auf das Vorhandensein von Leid, sondern wesentlich auf dessen Verarbeitung ankommt) [der hierbei von mir gemachte Zusatz in Klammern, der verhindern sollte, dass meine Einschätzung „des Leidens“ den Eindruck erweckte, ich würde dahingehend eine umfassend-enthusiastische Haltung einnehmen und Leiden glorifizieren, erfolgte zwar vor deinem Post, jedoch zu spät, als dass du ihn vor deiner Antwort noch hättest lesen können; ich verweise daher auf den ersten Abschnitt in meinem obigen Post: 9.4., 23:02], oder ob Hans Wurst und Max Mustermann gerne ihren Fleischkonsum durch irgendwelche Interpretationen oder Imaginationen legitimieren möchten.
Mein Argument baut nicht auf die Idee des „Übergangen-werdens“ auf, sondern auf der Verantwortung gegenüber unseren (potentiellen) Mitkreaturen. Welche männlichen Juden und Muslime fühlen sich übergangen, wenn sie in ihrer Kindheit beschnitten werden? Einer unter 100? Weniger? Dennoch gab es eine unsäglich große und teils widerliche Diskussion über die „barbarischen Riten“ von unseren muslimischen und jüdischen Brüder und Schwestern. Man warf Eltern vor, dass sie im Namen einer Religion sich nicht um das Wohl ihres Kindes kümmern würden, obwohl es natürlich die durchaus wahrscheinliche Möglichkeit gibt, dass ihre Kinder sich ebenfalls in dieser Tradition zu Hause fühlen werden. Dennoch erscheint es auch mir als fragwürdige Handlung, der Unterschied zu der Frage, ob Erzeugung von leidfähigen Leben rechtfertigbar ist, ist vor allem die hervorragende und entspannte Alternative: Nichtexistenz ist völlig problemlos.
Ich sehe nicht, wieso die Möglichkeit nach einem erfüllten Leben, auch gewachsen aus leidigen Erfahrungen, irgendeine Rolle bei dieser Entscheidung spielen sollte. Ein „erfülltes Leben“ kann nur aus Sicht eines existierenden Wesen als etwas Gutes wahrgenommen werden. Mein Argument wird nicht durch eine positive Deutung von einem „antreibenden Leid“ oder einer persönlichen Interpretation von schrecklichen Erlebnissen unterlaufen, sondern würde lediglich dort aufhören zu funktionieren, wo „Leid“ als etwas nicht negatives gewertet wird und man den Anspruch erhebt, dass dies eine universelle Position ist und somit auch auf das potentielle Leben übertragen werden muss.
Zitat von phoenix89: Da hast du Recht; aber auch, wenn es nicht bzw. nicht allein um den eigenen Umgang mit Leid geht, ist die Bewertung von Leid ja Teil des eigenen Umgangs damit, und bildet insofern einen Teil der Basis, auf welcher die Urteile in Betreff der eigenen Fortpflanzung gefällt werden. Nicht ausschließen möchte ich auch, dass es Umstände gäbe, unter welchen auch mir eine Fortpflanzung als nicht-ratenswert erschiene; es ist hingegen die grundsätzliche, in‘s Große gerechnete Abneigung gegen den Fortbestand der eigenen Spezies im Gesamten, der mir seltsam scheint. (Dies wiederum meint schlechterdings nicht, dass ich jemandem, der sich nicht fortzupflanzen wünscht, persönliche Vorhaltungen machen wollte; – dies nur für den Fall …)
Welchen Anspruch fürsorglicher Eltern meinst du genau? Der Anspruch, ein glückliches Kind zu bekommen? Oder ein Kind mit leidfreiem Leben? Oder –?
Zunächst: Ich sehe erneut keine Bedeutung des eigenen Umgangs mit Leid. Dieser Gedankengang hat vielleicht für eine Person die an einer Erbkrankheit leidet Relevanz, insofern sie Zeugung positiv oder zumindest neutral bewertet, und die Frage formuliert, ob dessen Kind trotz möglichen Einschränkungen ein wertvolles Leben führen kann. Das spielt für meine ethische Betrachtung keine Rolle, ich bestreite in keinem Fall, dass Leben es wert ist gelebt zu werden (natürlich nicht immer), ich bestreite, dass es eine unproblematische oder gar gute Handlungen ist, andere bewusste Lebewesen in die Existenz zu führen. Des weiteren habe ich niemals Bezug zur Spezies genommen. Leid ist für mich definitiv nichts menschliches und verdient in allen Mitkreaturen die selbe Beachtung, das schließt also auch andere Tiere und – wie angedeutet – auch mögliche bewusste Roboter oder sonstige artifiziellen Wesen ein.
Mein Verweis auf fürsorgliche Eltern gilt dem (möglichen) Einwurf, dass man doch einfach die Kinder in die Existenz werfen kann und diese dann entscheiden, ob das eine gute oder schlechte Entscheidung war. Natürlich wäre das auch rein Formal kein Argument gegen meine Position, mir erscheint sie aber auch aus Sicht von Eltern als fragwürdig. Eltern sehen in der Regel ihren Entschluss zu Zeugung als „natürlich-neutral“ oder gar „religiös-positiv“ an, die Möglichkeit das diese Entscheidung falsch sein könnte, selbst nur in dem Fall, wo sich ein Kind über seine eigene Existenz bekümmern würde, scheint für die meisten keine Realität bezüglich ihrer Elternschaft zu sein. Ebenso lässt sich mit meinem Verweis die Argumentation a la „Wer nicht hart genug für das Leben ist, der hat es auch nicht verdient Beachtung zu erfahren“ entkräften. Eltern die deratiges Vertreten würden, würde mir kaum als fürsorglich bezeichnen.
Zitat von phoenix89:
Huch?! Wie du aus meinen Beiträgen Informationen über meine gesundheitliche Verfassung ableiten zu können meinst, ist erstaunlich … Vielleicht wäre es jedoch angebrachter, meine Beiträge nicht auf versteckte medizinische Hinweise, sondern auf ihren eigentlichen Gehalt hin zu betrachten. ;)
Meine Ansicht scheint mir nämlich (was natürlich auch an meiner Darstellung oder der damaligen Uhrzeit gelegen haben mag) nicht ganz verständlich geworden zu sein, wenn du schreibst, dass ich den Tod „lediglich“ als letzte Erfüllung der Leidenden sähe: Dies klingt (unrichtigerweise) zum einen so, als mäße ich ihm „lediglich“ eine geringe Rolle bei (oder als forderte ich frecherweise, ein Sterbender solle dies tun), und als wären zum anderen Sterbende dazu verpflichtet, sich irgendwie „erfüllt“ zu fühlen, wenn (oder gar während) sie sterben (und womöglich sogar noch ausschließlich, ohne irgendein anderes Gefühl). Ich sprach jedoch nicht von einer Erfüllung für die Sterbenden, sondern von der Erfüllung des Lebens, und meinte damit eine „Erfüllung“ analog zu der Erfüllung – d. i. Einlösung – eines Versprechens („des Lebens“ selbst), nicht aber eine „Erfüllung“ (der Lebewesen selbst), wie sie z. B. ein ausgiebiger Strandurlaub o. ä. bieten mag. Auch habe ich mit keinem Wort von „absoluten Wahrheiten“ gesprochen, noch das Leiden Sterbender irgendwie verspottet, und es tut mir leid, dass irgend etwas diese Annahme hervorgerufen hat. – Aber von Anfang:
Die Verwendung des Begriffs der Torheit mag dir zwar selbstironisch erscheinen; ich sprach jedoch erstens davon, dass die aus Gründen des Leidens vorgenommene Verwerfung des Todes lediglich unter anderem (also nicht nur) eine Torheit (übrigens nicht eine Verdorbenheit o. ä.) sei, und dass es sich dabei zweitens nur um das absolut genommene Leiden am Tode handele, also um ein solches, das – nicht aus einer selbst-akut-betroffenen, sondern aus einer distanziert-reflektierenden Position heraus – postuliert, das Ende des Lebens sei an sich, überhaupt und in jedem Falle etwas Verwerfliches. „Torheit“ ist hier auf die Art gegeben, auf welche der Stoiker Torheit in der Auflehnung gegen die Notwendigkeit des Schicksals erblickt (und übrigens nicht, wie irgendjemand, der hierbei mit ‚schlechtem Charakter‘ etc. anrücken wollte); und „anmaßend“ deshalb, weil sie etwas (noch?) Unmögliches und damit dem Menschen „nicht Zustehendes“ fordert (worin letztlich eine ähnliche Abneigung gegen Hybris-haftes Verhalten liegen mag, wie du sie ob meiner Verwendung des Wortes „Torheit“ empfunden hast). – Da ein Leiden am Sterben jedoch ein äußerst elementares Gefühl ist, steht es außerhalb jeder Debatte, dass es einen konkreten Sterbenden zwar nicht notwendiger-, wohl aber möglicherweise herzlich wenig interessiert, dass eine Darlegung der Notwendigkeit des Geschehens ihn nach stoischer Auffassung dazu bringen sollte, sich willig in sein Schicksal zu fügen und nicht „vernunft-“ oder „naturwidrig“ zu handeln, indem er, der gerade notwendigerweise stirbt, wünscht, dass dem nicht so wäre, und darob dekretiert, der Tod sei ein Fehler im Gefüge der Welt. – Wie ich oben bereits schrieb, fußt die Betrachtung des Todes als eines ‚Skandals‘ (ungeachtet dessen, dass sie, wie danach geschildert, „in meinen Augen“(!), eine einseitige – nicht aber eine ungerechtfertigte! – Betrachtung darstellt) auf völlig nachvollziehbarem und gutzuheißendem Fundament: Ein Leben ohne den Drang, zu leben, könnte ich mir schwerlich ausmalen; somit ist es sinnvoll und gut, dass die Instinkte des betreffenden Lebewesens im gegebenen Falle gegen den Tod rebellieren und ihm entgegenarbeiten, das Lebewesen also zum Leben anhalten. Die Spannung, die sich aus dieser Ambivalenz in der menschlichen Seele ergibt, ist natürlich unübersehbar; letztlich halte ich sie jedoch für keineswegs widersinnig. —
— Nun, in aller Deutlichkeit, der zweite Aspekt meiner Schilderung, die ich nicht umsonst mit den (meines Erachtens recht klaren und keineswegs sich-Anderen-zwanghaft-aufdrängenden) Wendungen „für mich“ und „in meinen Augen“ versehen hatte: Verschiedene Erlebnisse, Erfahrungen und Besinnungen haben mich zu der Auffassung geführt, dass der Mensch das einzige Lebewesen zu sein scheint, das derartige Probleme mit seiner eigenen Endlichkeit hat, und dass aber zugleich diese Endlichkeit des Lebens – und, damit einhergehend bzw. dadurch sowohl ermöglicht wie auch angeregt, die Erneuerung „des Lebens“ durch Wechsel der Lebewesen – eine ihm (= „dem Leben“ der Lebewesen, nicht „dem Leben“, das sie umfasst, wenn man so will) inhärente Gegebenheit ist. (Dass dieses Problem ein genuin menschliches zu sein scheint, lässt es mir angebrachter erscheinen, die Ursache dafür, dass hier ein Problem gesehen wird, im Menschen selbst zu suchen und dort anzugehen, anstatt sich mittels ‚äußerer‘ Hilfsmittel eine wie auch immer geartete endlose Dauer der eigenen Existenz zu sichern. Nebenbei erwähnt, sind mir Gedankengänge, die zur Zwecklosigkeit der eigenen Existenz oder der Existenz überhaupt angesichts der jeweiligen Endlichkeit führen, nicht fremd, und entgegen der Ansicht des bereits erwähnten Klages – dessen Darlegung, wie die „frevelhafte“ rein-verstandesmäßige, „geistige“ Aneignung der Welt einen notwendigerweise zum Nichts sowie zur Nichtigkeit des Alls führe und damit das Leben selbst „entzaubere“, entwerte und aus den Händen verliere, mir anfangs ((vllt. zu Unrecht?)) als übertrieben erschien – halte ich sie auch nicht zwingend für schädlich, sondern u. U. für sehr fruchtbar.) Bezeichnenderweise waren es unter anderem direkte Erfahrungen mit dem Sterben bzw. mit Sterbenden selbst, die hierzu ihren Teil beigetragen haben; weshalb sich denn auch meine Gewissensbisse (als die eines Menschen, der eben noch nicht selbst gestorben ist, und daher ‚von außen‘ über den Tod, ‚von innen‘ über das Leben reden muss), wenn ich den Tod als Teil des Lebens ansehe, durchaus in Grenzen halten. – Sicher, das beraubt den Tod und das Leid keineswegs der mir durchaus bekannten Schrecken und Qualen, die sie mit sich führen. Dies zu bestreiten, würde mir auch ebenso wenig einfallen, wie zu fordern, man müsse den Tod, wenn man ihn einmal als Notwendigkeit anzusehen gelernt hat, auch im gegebenen Zeitpunkt des Sterbens aus vollster Seele gut- und willkommenheißen (so wünschenswert mir dies auch schiene). Ich schrieb bereits oben (und bitte für die Wiederholung um Entschuldigung), dass es mir um eine prinzipielle Bejahung des Todes gehe [potentielle Unsterblichkeit bei alledem nicht mit eingerechnet, s. o.], und nicht um die Forderung, jeder Sterbende habe jeden Tod zu jeder Zeit und auf jede Weise freudig zu empfangen, oder um die irrige Feststellung, wer akut an seinem Sterben leide, sei irgendwie nicht ganz richtig im Kopf, in der Seele oder im Leibe; diese prinzipielle Bejahung des Todes (unter Berücksichtigung konkreter mit dem Sterben verbundener Widrigkeiten, die nicht zwingend unter diese Bejahung – die, um es erneut zu sagen, kein Imperativ an jedermann ist – fallen) geschah also von derselben eher distanziert-reflektierenderen Position aus, von welcher aus ich zuvor die prinzipielle Verwerfung der Endlichkeit des Lebens verneint habe (– für mich, um das erneut zu betonen). Dass ein Lebewesen sich auch gegen den Tod sträubt, ist, wie am Ende des vorigen Absatzes geschrieben, völlig gut so. —
Wie bereits gesagt, schreibe ich niemandem vor, diese Auffassung (welche sich doch glatt erdreistet, neben dem Schrecklichen des Todes auch Nicht-Schreckliches, ja Glück an ihm wahrzunehmen, und die „nichts Bessers haben [will], als die Götter“, wenn man‘s schwärmerischer formulieren möchte) zu übernehmen. Da ich sie für stimmig und gut halte, werde ich sie vielleicht, wo es mir angebracht und förderlich erscheint, jemand anderem nahezubringen versuchen (mehr als Angebot denn als Befehl, keine Sorge). Dass ich der dargestellten Auffassung bin, impliziert jedoch ebenso wenig wie diese Auffassung selbst, dass gegebenes Leiden im Moment des Todes durch sie gemindert würde, so sehr es auch wünschenswert wäre; es impliziert ja noch nicht einmal, dass ich selbst im Moment des eigenen Sterbens selig lächelnd aus meinem Leben scheiden würde: Das, was ich prinzipiell (persönlich) bejahte, ist eben der Tod als gegebene Endlichkeit des Lebens, und nicht ein jedes Sterben oder das damit potentiell oder faktisch verbundene Leid …
Ich denke, damit sollten die vorigen Missverständnisse ausgeräumt und mögliche zukünftige vermieden sein; sollte es wider Erwarten zum Anschein verwerflicher Thesen kommen, bitte ich, nach dem Prinzip in dubio pro reo zu verfahren, da ich mir recht sicher bin, dass dieser Anschein eher der Form als dem Inhalt der Aussage entsprungen sein würde. ;)
Da ich die obigen Ausführungen gerade nicht weiter oder besser darzulegen oder debattieren zu können und zu wollen glaube, möchte ich gerne von weiteren Erörterungen absehen.
Ich verstehe nicht, wieso du mir das schreibst. Wenn du, neben deinen persönlichen metaphysischen Betrachtungen, nichts weiter beizutragen hast, was erwartest du dann von mir? Soll ich sagen „Ja, sehr schön. Habe ich gerne gelesen“, oder soll ich schweigen? Natürlich nehme ich doch an, dass du meine Ansicht kritisieren oder ergänzen willst, woraufhin ich wiederum die Lücken und Willkürlichkeit derlei Abstraktionen benenne. Der „Tod als Skandal“ spielt ja für meine Argumentation gegen die Erzeugung von leidensfähigen Leben keine Rolle, also schließe ich, dass wir uns allein um die Negativität des Sterbens unterhalten und ich kann nicht sehen, wie du mir auch nur im geringsten etwas entgegnen kannst, da du den Schrecken des Todes nicht bestreiten willst , ihn aber eben noch durch etwas ergänzt siehst (du führst eine „ distanziert-reflektierenderen Position“ an, aber entschuldige, ich habe nie über derartiges gesprochen). Diese Ergänzung siehst du aber nicht als Bonus, sondern als wichtige Korrelation zu meiner Aussage, was ich nur dann begegnen kann, wenn ich annehmen, dass du damit meinst, dass es eine „richtige“ Betrachtung ist, dir mir entgeht und das Phänomen Tod deutlich besser beschreibt. Wenn du nun darauf beharrst, dass das nie deine Intention war, dann können wir natürlich lustige Ideen vortragen, wie wir die Welt noch deuten können, ich sehe aber nicht, wieso dir der Begriff der Torheit in die Finger kam. Da ich in keinem Satz über den Tod, eine subjektive Weltdeutung vorgenommen habe, schien es mir nachvollziehbar, dass es dir um eine Kritik ging. Wir können natürlich gerne mögliche Deutungen über die Schrecken des Lebens vornehmen, schließlich habe ich meine metaphysischen Versuche noch garnicht dargelegt.
Das erscheint mir erneut als wunderbare Darlegung der Kraft des Pessimismus. Der Pessimismus ist schließlich keine negative Weltdeutung, sondern eine Beschreibung von Ereignissen die Optimisten als pessimistisch erfahren. Auch in diesem Fall scheint dem Schrecken (des Todes) nur durch metaphysische Ideen zu entrinnen, was ich weder bestritten hätte, noch meiner Position widerspricht.
Pessimismus bleibt Nüchternheit.
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EnjeruNyu - 29
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 17:49 Uhr
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Es wird Zeit für VF ein Buch zu schreiben
(╯°□°)╯︵ ┻━┻
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ViolentFEAR - 33
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 18:05 Uhr
Zuletzt editiert am: 10.04.2013 um 18:06 Uhr
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Zitat von EnjeruNyu: Es wird Zeit für VF ein Buch zu schreiben
Nur damit ich mir selbst schmeicheln kann (und ein kleines bisschen, weil es tatsächlich zu dem Thread passt): Ich arbeite derzeit tatsächlich mit einem meiner Dozenten (sagt man das auch, wenn man in keinen Kurs mehr von ihm ist?) an einer Band über die ethischen Implikationen von "Human Enhancement" und der Forderung nach einem möglichst guten Leben (was in dem Fall vor allem die genetische Manipulation betrifft). Ansonsten arbeite ich an eine Projekt, welches ein paar vergessene Pessimisten wieder in den Blickpunkt gewisser aktueller Themen stellen soll (auch hier wieder vor allem in einem ethischen Rahmen, allerdings scheint mir mehr und mehr auch eine religionsphilosophische Inspiration darin zu liegen). Das "Problem" ist nur, dass ich derzeit deutlich lieber mich mit religiösen Verfolgungen befassen (ich meine sie zu erforschen, nicht sie zu betreiben).
Alles also recht düster... merkwürdig, da ich doch eigentlich zur Liebe Gedanken ausbilden wollte.
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__Kamii - 28
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 18:12 Uhr
Zuletzt editiert am: 10.04.2013 um 18:57 Uhr
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Zitat von Necromantic_:
denn die Antwort die ich von vielen meiner Freunden bekomme, wenn ich sie auf das Thema ansprece ist "Ja, eigentlich hast du ja recht aber es is mir ehrlich gesagt scheiss-egal." Und wenn ich dann ein Video schick in dem gezeigt wird wie die Tiere gehalten werden kommt zurück "ne sorry ich kann mir sowas nicht anschaun."
Da ist bei mir einfach nur 
Exakt wie bei mir.
Auch deine denkweise vom anfang kommt mir stark bekannt vor (von mir).
Ich finde, diese welt ist am arsch.
Der einzige grund mich nicht umzubringen ist, dass ich dann ja wohl kaum besser wär als der rest, da ich dann auch so egoistisch wäre wie sie.
Und ja ich weiß, dass nicht alle menschen so sind, aber wenn doch die mehrheit siegt, wieso ist die welt dann so am arsch?
(Und mit welt meine ich eigentlich nur die menschheit und nicht die liebe erde die wir ausnutzen und verkrüppeln)
Einen ausweg weiß ich noch nicht, aber ich denke drüber nach und bis dahin ... Was soll ich anderes machen als mein leben weiter zu leben. Und was kann ich besseres machen, als es zu genießen? Klingt irgentwie auch egoistisch, bzw. Ignorant, aber solange ich den wunsch und den willen hab, etwas zu tun, wird sich auch was tun.
Außer ich bin genauso, wie die anderen ... Das ist es was mir zu schaffen macht.
Bin ich anders, als die, die ich verabscheue? Ich mache ja nichts dagegen... genau wie die anderen.
Ich wollte zwar mehr schreiben, aber ich hab vergessen was ... Ich hab ein unglaublich schlechtes Gedächtnis (was mir auch zu schaffen macht, allerdings nur nebensächlich)
edit:
Es gibt so viele dumme leute, aber vielleicht bin ich auch einer und weiß es nicht ...
edit2:
Ich hab mir schon einige male gewünscht, dass die welt "untergeht" (bzw., dass die menschen mal beiseite gewischt werden), damit platz für einen neuanfang ist.
Ps: wenn ich sowas meinen "freunden/innen" erzähle heißts dann wieder ich bin ein bescheuerter emo oder sonstwas... Ich hoffe das ist nur bei mir so, also dass die jugend so ... Ich sags mal in ihren worten ... Behindert oder schwul ist. Aber das ist ja ein anderes thema ...
Miau...
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le_mon - 31
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 18:25 Uhr
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Zitat von __Kamii:
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Es gibt so viele dumme leute, aber vielleicht bin ich auch einer und weiß es nicht ...
Nur der wirklich Dumme, behauptet, es nicht zu sein. In der Hinsicht scheinst du den meisten schon einen Schritt vorraus.
Allgemein glaube ich nicht, dass die Welt schlimmer wird. Die Entwicklung erlaubt uns nur, mehr Möglichkeiten des abnormalen auszuleben. Deswegen mag der Eindruck entstehen, früher waren die Menschen und die Erde besser.
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MrRobot
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 18:30 Uhr
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Zitat von le_mon: Zitat von __Kamii:
...
Es gibt so viele dumme leute, aber vielleicht bin ich auch einer und weiß es nicht ...
Nur der wirklich Dumme, behauptet, es nicht zu sein. In der Hinsicht scheinst du den meisten schon einen Schritt vorraus.
Allgemein glaube ich nicht, dass die Welt schlimmer wird. Die Entwicklung erlaubt uns nur, mehr Möglichkeiten des abnormalen auszuleben. Deswegen mag der Eindruck entstehen, früher waren die Menschen und die Erde besser.
Wie du selbst erwähnst, die technologische Entwicklung machts möglich. Die Menschen an sich mögen nicht schlimmer sein als früher, aber durch fortschrittliche Methoden haben sie die Möglichkeit ihre schlimmen Seiten exzessiver auszuleben, sowohl ihren Artgenossen gegenüber als auch dem Planeten auf dem wir leben und der uns am Leben erhält.
Insofern kann man imo also durchaus sagen, dass es schlimmer wird. Vielleicht nicht unbedingt für die Menschen, für die Erde aber auf jeden Fall, und zwar exponentiell.
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EnjeruNyu - 29
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 23:29 Uhr
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Zitat von Necromantic_:
denn die Antwort die ich von vielen meiner Freunden bekomme, wenn ich sie auf das Thema ansprece ist "Ja, eigentlich hast du ja recht aber es is mir ehrlich gesagt scheiss-egal." Und wenn ich dann ein Video schick in dem gezeigt wird wie die Tiere gehalten werden kommt zurück "ne sorry ich kann mir sowas nicht anschaun."
Da ist bei mir einfach nur 
naja ich schau solche videos an wenn ich malwieder im KFC hocke, ich weiß dann nicht ob ich mich besser oder schlechter fühlen soll <.<
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Rifleman - 40
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Geschrieben am: 10.04.2013 um 23:55 Uhr
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Zitat von ViolentFEAR: Mir scheint die Verhinderung von Leid nicht nur ethisch gut, sondern sogar gefordert zu sein. Insofern es in unserer Macht steht Leid zu verhindern, sollten wir es auch tun. Die Bedingung allen Leides ist (noch) das bewusste Leben. Ich habe keinerlei Probleme Pflanzen zu vermehren oder Bakterien zu klonen.
Das klingt als würde man das Problem der Gewässerverschmutzung lösen wollen, indem man das Wasser entfernt. Natürlich ist unbestreitbar, dass das Problem dann nicht mehr existiert...
Im Übrigen halte ich es für wichtig, dass du eine Definition von "Leid" angibst. Nur dann können deine Schlüsse nachvollziehbar werden.
Es sind die kleinen Dinge, die einen zum Wahnsinn treiben.
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phoenix89 - 36
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Geschrieben am: 11.04.2013 um 09:50 Uhr
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Zitat von ViolentFEAR: Tausende. […] Jedoch verstehe ich nicht, was potentielle Unsterblichkeit mit „Rechenmaschine“ zu tun haben soll? Vielleicht spielt das eine Rolle bei der Frage nach Bewusstseinsübertragung von menschlichem Bewusstsein auf andere Medien, aber doch sicher nicht bei der Frage wie man die biologischen Zerfälle des Menschen aufhält. Vielen Dank für die Hinweise (und meine Hochachtung für die Kenntnisse)! – Die beiden Methoden habe ich übereilend zusammengeworfen, daher die Rechenmaschinen-Frage; aber, klar, so ist das hinfällig, ja.
Zitat von ViolentFEAR: Ich weiß nichts mit deiner letzten Frage anzufangen. Ich diskutiere Möglichkeiten die für wahrscheinlich gehalten werden und deren Verwirklichung mitunter sowohl begriffliche Klärung voraussetzen wie auch ethische Fragen aufwerfen. Entschuldige, falls die Frage zu abwegig war: Ich wollte nur wissen, ob und, wenn ja, weshalb dir die Möglichkeit der Unsterblichkeit attraktiv erscheint. ^^ Aber du hast dies ja anschließend bereits beantwortet; negativ, wenn ich dich recht verstanden habe.
Zitat von ViolentFEAR: Die Verhinderung von Leid ist wünschenswert, insofern scheint mir die Erzeugung von leidfähigen Leben für falsch. […] Nichtexistenz ist völlig problemlos. […] Ein „erfülltes Leben“ kann nur aus Sicht eines existierenden Wesen als etwas Gutes wahrgenommen werden. Mein Argument wird nicht durch eine positive Deutung von einem „antreibenden Leid“ oder einer persönlichen Interpretation von schrecklichen Erlebnissen unterlaufen, sondern würde lediglich dort aufhören zu funktionieren, wo „Leid“ als etwas nicht negatives gewertet wird und man den Anspruch erhebt, dass dies eine universelle Position ist und somit auch auf das potentielle Leben übertragen werden muss. Bleiben wir doch, abgesehen vom Übrigen, bei diesem Punkt: denn der ist es, bei dem ich nicht wirklich folgen kann. – – Liegt nämlich nicht in jeder Deutung von Leid eine persönliche Interpretation: sowohl in der, die behauptet, es sei nur schlecht, als auch in der, die dies bestreitet? Stellen wir doch probehalber die Annahme, Leid sei etwas Rein-Schlechtes, in Frage: Ist es nämlich nicht so, dass, ebenso, wie ein „erfülltes Leben“ nur von einem „existierenden Wesen“ wahrgenommen und bewertet werden kann, dies auch für das Wahrnehmen und Bewerten von Leid gilt? „An sich“ scheint mit Leid weder „gut“, noch „schlecht“, sondern schlicht leidvoll, unangenehm etc.
Auch „objektiv“ betrachtet, scheint mir Leid durchaus eine Funktion im Organismus (resp. einen Sinn für ein Lebewesen) haben zu können. Dient es nicht u. a. dazu, dass das Lebewesen auf sich Acht gibt und es vermeidet, geschädigt zu werden? – Ich weiß nicht, ob die Deutung, Leid sei unter Umständen etwas Positives, „universale Gültigkeit“ beanspruchen könne; es scheint mir aber, dass die Annahme, Leid sei erst einmal eine Gegebenheit, und alle Wertungen würden dieser Gegebenheit nachfolgen, das durchaus könne: sodass mir der Schluss „Leid ist schlecht → Leid soll vermieden werden → Es ist besser, kein leidensfähiges Leben zu schaffen“ keine absolute Gültigkeit zu haben scheint.
Auch verstehe ich nicht, wie du in Einklang bringen kannst die Annahmen, dass 1.: leidensfähiges Leben nicht hervorzubringen sei, und 2.: Leben es wert sei, gelebt zu werden: Bei letzterer Aussage würde ich mich nämlich anschließen; und dass ein zur Welt gebrachtes Kind derart leiden würde, dass es zum Schluss käme, nicht geboren worden zu sein, wäre die bessere Alternative gewesen, scheint mir so unwahrscheinlich (und im Laufe des Lebens dieses Kindes wäre es in der Tat zu vermeiden, dass es überhaupt so weit kommt, dass ein solches Urteil angemessen scheint), und die reine Vorhandenheit des Leides (unabhängig von Ausmaß und Gestalt) im Leben eines Menschen (oder anderen Wesens) scheint mir so wenig ein Einwand gegen das Leben, dass mir nicht ersichtlich ist, wie man von der Voraussetzung, dass ein zu gebärendes Lebewesen wohl auch Leid empfinden wird, zu dem Schluss kommt, dass man‘s dann besser gleich sein ließe.
Zitat von ViolentFEAR: Ich verstehe nicht, wieso du mir das schreibst. […] neben deinen persönlichen metaphysischen Betrachtungen […] Der „Tod als Skandal“ spielt ja für meine Argumentation gegen die Erzeugung von leidensfähigen Leben keine Rolle […] Da ich in keinem Satz über den Tod, eine subjektive Weltdeutung vorgenommen habe […] Zur Klarstellung meiner Position, die ich zuvor für missverstanden gehalten habe. Ich denke auch nicht, dass die Beobachtungen, dass Lebewesen sterben und dass allein der Mensch ein derartiges Problem mit dieser Gegebenheit zu haben scheint, sonderlich metaphysisch angehaucht sind. Der „Tod als Skandal“ spielt doch insofern eine Rolle in deiner Argumentation, als du mit dieser Formulierung ja meintest, das Sterben bringe Leid mit sich, und Leid sei ja ebenso zu vermeiden wie, in Folge dessen, die Erzeugung leidensfähiger Lebewesen; oder nicht? Ist die Deutung des Todes als eines Skandals nicht bereits subjektiv, insofern er den Standpunkt des betreffenden vom Tode betroffenen Wesens einnimmt (und nicht nur, ganz abstrakt, ‚des sterbenden Wesens schlechthin‘, sondern bereits den eines sterbenden Wesens, das zumindest insofern konkret ist, als der Tod für es allein einen Skandal darzustellen scheint)?
(Wenn ich übrigens schrieb, dass die Betrachtung des Todes als eines Skandals eine einseitige sei, dann war dies in der Tat eine Kritik, die Anspruch auf Gültigkeit erhebt, ja; worum es mir aber zugleich ging, war: klarzustellen, dass mit der Aussage, der Tod sei nicht nur ein Skandal, keineswegs das ggf. konkret vorhandene Leiden eines Sterbenden übergangen wird. – Dem Tode kann man meines Erachtens mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegensehen; wenn nun aber jemand ihn ausschließlich freudig erwartet, sehe ich keinen Grund, ihm zu sagen, er solle sich doch gefälligst noch grämen, ebenso, wie ich jemandem, der den Tod nur als schrecklich empfindet, Vorhaltungen machen würde, dass er es nicht fertigbringt, auch etwas Gutes darin zu sehen – so wünschenswert dieses auch wäre. Diese Ambivalenz – die Formulierung des distanziert-reflektierenden Standpunktes kann vergessen werden, da sie anscheinend nicht so klärend wirkte, wie ich erhofft hatte – war es, um die es mir ging.)
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phoenix89 - 36
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Geschrieben am: 11.04.2013 um 09:53 Uhr
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Zitat von MrRobot: Auf diese Frage Antworte ich dir auch mal. Für mich ist es schlicht und ergreifend vor allem meine ungezähmte Neugier, die diesen Gedanken interessant für mich macht.
Ich bin vor allem ein Beobachter, und ich fändes es unglaublich interessant zu sehen bzw. zu erleben wie es auf der Welt in 100, 500, 1000 oder sogar 10000 Jahren aussieht. Einfach wie sich alles entwickelt, ob es noch Menschen gibt, ob wir den Sprung zu anderen Welten schaffen, ob wir es schaffen unsere eigene zu retten, ob wir ewig an Übeln wie Gier, Neid, Hass und Missgunst kranken oder ob die Menschheit es irgendwann schafft darüber hinauszuwachsen, etc.
In gleichem Maße würde es mich auch interessieren die Vergangenheit aus erster Hand zu erleben, aber dazu könnte mir nicht einmal Unsterblichkeit verhelfen ^^ Das ist mir beides nachvollziehbar; interessant wäre das durchaus. Ich würde nur fürchten, irgendwann in das Dilemma zu geraten, nicht entscheiden zu können, ob ich lieber die Welt bis in alle Ewigkeit als Mensch erleben, oder doch lieber die Erfahrung des Sterbens versuchen wollte. Beides zugleich geht leider ebenso wenig, wie einem Unsterblichkeit eine Reise in die Vergangenheit ermöglicht. ^^
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ViolentFEAR - 33
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Geschrieben am: 12.04.2013 um 13:34 Uhr
Zuletzt editiert am: 12.04.2013 um 13:41 Uhr
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Zitat von Rifleman:
Das klingt als würde man das Problem der Gewässerverschmutzung lösen wollen, indem man das Wasser entfernt. Natürlich ist unbestreitbar, dass das Problem dann nicht mehr existiert...
Und du denkst, dass das nichtexistende Wasser das dennoch nicht gut finden würde? Oder Kreaturen die "etwas finden" können, sprich empfinden, urteilen, überhaupt bewusst wahrnehmen können, sich gegen diese Lösung aussprechen würden? Dann wäre das sicher falsch.
Damit kommen wir zu der Problematik des Vergleichs, er ist in gewisser Weiße tendenziös, da wir vermutlich annehmen, dass es andere Mittel gibt, um der Verschmutzung von Wasser entgegen zu wirken. Im Falle von bewussten Lebewesen gibt es dies sicher auch nicht? Natürlich, würde es kein Mittel gegen gewisse leidigen Erfahrungen geben, wie könnte dann eine Verantwortung erwachsen uns gegen diese aufzulehnen? Gerade aus dieser Verantwortung heraus resultiert mein Schluss, dass es ethisch bedenklich ist bewusstes Leben zu zeugen.
Der nächste Punkt mag wieder kleinlich sein, aber ich will sicher nicht, dass (bewusstes) Leben abgeschafft wird (Insofern "Leid" für "Wasserverschmutzung" und "Wasser" für "Leben" steht).
Ich spreche mich lediglich gegen die Erzeugung aus, nicht gegen ihre Persistenz, da die meisten Lebewesen derzeit mit ihrem Ende konfrontiert sein werden, könnte man sagen, dass ich damit auch gegen das Leben an sich argumentiere, jedoch halte ich das für falsch. Nehmen wir einen potentiell unsterblichen Roboter der leiden kann. Jener wurde erzeugt, weil niemand auf mich hören wollte (ich weiß, unvorstellbar). Ich würde mich selbstverständlich für seine weitere Existenz aussprechen. Würde ich "Leid" für einen so starken Faktor nehmen, dass man gegen den Wunsch eines Lebewesens sein Leben beenden sollte, dann müsste ich mich für wohltätigen Mord aussprechen (z.B. durch eine Droge die einem im Schlaf tötet). Damit würde ich gegen die implizierten Interessen dieser Lebewesen verstoßen. Gerade dieses kann man von "Nichtexistenten" natürlich nicht annehmen, bzw. nicht ohne gewisse metaphysische Annahmen.
Zitat von Rifleman:
Im Übrigen halte ich es für wichtig, dass du eine Definition von "Leid" angibst. Nur dann können deine Schlüsse nachvollziehbar werden.
Um ehrlich zu sein finde ich es nur nötig den Begriff des "Leids" zu definieren, wenn man den Begriff schlicht nicht kennt, also den Satz "Füge niemandem ein Leid zu" überhaupt nicht einordnen kann (Kinder oder Wesen die die deutsche Sprache nicht kennen, z.B.). Da in der Regel alle erwachsenen Menschen sich aber unter dem Begriff des Leids etwas vorstellen können ist meine Prämisse eigentlich ausreichend, ich sehe nicht, wieso dir das nicht klar ist, da mein Pessimismus (den ich im ersten Beitrag angesprochen habe) keine Rolle für mein Argument spielt, steht auch nicht die Frage im Raum "Ob Leben Leiden sei" oder "das Leben schlimmer ist, als es uns erscheint?". Allein die Tatsache, dass bewusste Lebewesen (höchst wahrscheinlich) Leiden erfahren werden, reicht um zu sagen, dass die Erzeugung von bewussten Leben fraglich ist, insofern ich recht damit habe, dass wir kein Leid auf andere laden sollten. Insofern wir existieren, können wir natürlich gewisse Risiken abschätzen, die uns ein erfüllteres Leben ermöglichen, in diesem Fall wäre es angebracht "Leid" zu definieren, da wir das "stressige Arbeiten" vielleicht nicht nur in einen Kontext mit dem "leidigen Dasein eines Arbeitslosen" stellen wollen, sondern vielleicht auch einen phänomenologischen Unterschied zu "leiden an einer Krankheit" klären wollen. Da nichtexistente Wesen jedoch nichts vorenthalten wird, noch irgendetwas im Kontext zu beleuchten ist (aus der Sicht des nichtexistenten, potentiellen Subjekts natürlich), bliebe auch dieser Vergleich asymmetrisch.
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ViolentFEAR - 33
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Dabei seit 01.2006
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Geschrieben am: 12.04.2013 um 17:40 Uhr
Zuletzt editiert am: 12.04.2013 um 17:57 Uhr
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Zitat von phoenix89: Entschuldige, falls die Frage zu abwegig war: Ich wollte nur wissen, ob und, wenn ja, weshalb dir die Möglichkeit der Unsterblichkeit attraktiv erscheint. ^^ Aber du hast dies ja anschließend bereits beantwortet; negativ, wenn ich dich recht verstanden habe.
Ich wollte verdeutlichen, dass deine Frage keine Relevanz für (m)einen ethischen Diskurs hat, jedoch gibt es andere Dimensionen in der dieses Szenario wichtig wird. Natürlich würde sich auch wieder das Thema Zeugung auftun, da, insofern wir die potentielle Unsterblichkeit erreichen könnten ohne nennenswerte Fortschritte in der Besiedelung anderer Planeten zu leisten, wir ziemlich schnell ohne genug Platz und Lebensstandard dasitzen würden. Insofern wir nicht in einen kastenartigen Faschistenstaat abrutschen wollen, der nur gewissen Kasten die Unsterblichkeit erlaubt (also im Grunde eine Fortsetzung etatistisch-kapitalistischer Verhältnisse) müssten wir eine rigide, autoritäre Zeugungsgesetzgebung erstellen. In einem existenziellen Sinne habe ich freilich wenig gegen potentielle Unsterblichkeit, da ich nicht sehe, wie man einen gewisse Lebenszeit „festlegen“ sollte, die dann als „ausreichend“ betrachtet wird (Wird man in Futurama nicht ab 80 (?) auf eine Art Toddesstern gebracht?). Mein Problem mit einer säkularen Unsterblichkeit ist, dass es auf die Selbe Problematik wie einem „leidfreien“ Leben hinaus läuft: Es gibt keinen Vorteil zur Nichtexistenz.
Zitat von phoenix89:
Bleiben wir doch, abgesehen vom Übrigen, bei diesem Punkt: denn der ist es, bei dem ich nicht wirklich folgen kann. – – Liegt nämlich nicht in jeder Deutung von Leid eine persönliche Interpretation: sowohl in der, die behauptet, es sei nur schlecht, als auch in der, die dies bestreitet? Stellen wir doch probehalber die Annahme, Leid sei etwas Rein-Schlechtes, in Frage: Ist es nämlich nicht so, dass, ebenso, wie ein „erfülltes Leben“ nur von einem „existierenden Wesen“ wahrgenommen und bewertet werden kann, dies auch für das Wahrnehmen und Bewerten von Leid gilt? „An sich“ scheint mit Leid weder „gut“, noch „schlecht“, sondern schlicht leidvoll, unangenehm etc.
Auch hier scheint mir eine größere Interpretation des Begriffs „Leid“ vorgenommen worden zu sein, als ich bereit war hier zu geben. Natürlich ist „Leid“ ein Begriff, der sich ausschließlich in seiner Subjektivität begreifen lässt. Eine Vergewaltigung ist eine leidige Erfahrung der betroffenen, vergewaltigten Person, nicht ein irgendwie geartetes, übersubjektives leidvolles Objekt. Wenn dir einen Vergewaltigung, nicht weil sie „leidvoll“ ist, als schlechte, falsche Handlung vorkommt, wieso denn dann? Nehmen wir ein anderes Beispiel (um eine gewisse Kontroverse zu vermeiden), dass wir bewusst jemanden die Fähigkeit genommen haben zu laufen. Die Person leidet zunächst unter ihrem neuen Zustand, beginnt aber wieder damit Freude zu gewinnen und kommt schließlich zu dem Schluss, dass ihr (von uns bewusst herbeigeführter ) „Unfall“ sie doch irgendwie bereichert hat, sie eine ganz andere Sicht auf das Leben erfahren hat und sie noch glücklicher ist als zuvor. In diesem Fall scheint mir unser Eingreifen in ihr Leben in der Tat nicht mehr ganz ungerechtfertigt (auch wenn wir vielleicht böses im Schilde geführt haben). Von „Leid“ kann man hier also nur in einem schwachen Sinne reden (Im Sinne, dass sie zumindest kurzfristig unter ihrem Zustand gelitten hat) jedoch dadurch aufgehoben wird, nicht weil sie wieder glücklich ist, sondern das betroffene Person noch GLÜCKLICHER ist und diese Steigerung in unserer Handlung begründet ist. Ebenso könnten wir die Trennung von einem Liebespartner nicht als ethisch verwerflich betrachten, insofern dieser den anderen nicht mehr liebt, aber ihm ebenso ersparen möchte, dass der noch verliebte Partner in einer Illusion lebt. Obwohl die Trennung womöglich äußerst schmerzvoll ist, werden sich die meisten Menschen eher diese Trennung, als eine Fortsetzung der Beziehung unter „falscher“ Voraussetzung wünschen. Da die meisten Liebenden sich auch um das Wohl des Geliebten kümmern, wird es wenige geben, die sich lieber gewünscht hätten, dass die Beziehung fortgesetzt wird. D.h. natürlich nicht, dass diese gescheiterte Beziehung, und die Erfahrung dieser Trennung jemals als etwas positives oder gar bereicherndes gesehen werden müssen. Sich von einem terminal Totkranken zu trennen, kann aber wiederum anders gewertet werden.
Insofern ist Leid „schlecht“. Wenn du aber auch im Falle von allem „Unangenehmen“ von „Leid“ sprechen möchtest, selbst wenn sie zu etwas gutem geführt hat (und man es nicht mehr als schlechtes sieht, sondern dankbar dafür ist) , dann bitte. Dagegen habe ich nichts. Dann ist mein Begriff aber eben ein anderer. Ich glaube nicht, dass mein subjektiver Leidbegriff irgendjemandem erspart bleibt. Selbst aber wenn es so jemanden gäbe, müsste man doch anerkennen, dass es zumindest Menschen gibt, die dieses Leid (wie ich es dargelegt habe) erfahren haben und daher die (sehr wahrscheinliche) Möglichkeit akzeptieren, dass auch ihr Kind dieses Leid erfahren wird. Deshalb sprach ich davon, dass jemand - nie-schlechtes – Leid „universalisieren“ müsste, damit mein Argument nicht mehr wirkt. Wenn man annahmen kann, dass es dieses Leid nicht gibt, oder nicht mehr gibt, scheint mir die Frage der Geburt keine ethische Relevanz mehr zu haben (mit Bezug auf das neue Leben), wie ich ja bereits geschrieben habe.
Zitat von phoenix89: Auch „objektiv“ betrachtet, scheint mir Leid durchaus eine Funktion im Organismus (resp. einen Sinn für ein Lebewesen) haben zu können. Dient es nicht u. a. dazu, dass das Lebewesen auf sich Acht gibt und es vermeidet, geschädigt zu werden? – Ich weiß nicht, ob die Deutung, Leid sei unter Umständen etwas Positives, „universale Gültigkeit“ beanspruchen könne; es scheint mir aber, dass die Annahme, Leid sei erst einmal eine Gegebenheit, und alle Wertungen würden dieser Gegebenheit nachfolgen, das durchaus könne: sodass mir der Schluss „Leid ist schlecht → Leid soll vermieden werden → Es ist besser, kein leidensfähiges Leben zu schaffen“ keine absolute Gültigkeit zu haben scheint.
Natürlich hat die Möglichkeit von leidvollen Erfahrungen in vielen Bereichen einen Sinn, insofern man die Erhaltung des Organismus als Sinn verstehen will (viele leidvolle Erfahrungen haben jedoch überhaupt keinen Nutzen). Willst du damit sagen, dass wir, insofern die technischen Möglichkeiten dazu gegeben sind, eine Modulation dieser evolutionären Mechanik zu ändern, sprich anstelle dieses „rohen Gefühls“ eher auf ein Warnsystem umzusteigen, welches mit „stärkerem Glück“ arbeitet, nicht besser dran wären dies zuzulassen? Und wenn wir also alle möglichen Nützlichkeiten von leidvollen Erfahrungen in ein anderes System überführt haben, würde sich dann die Erschaffung von Kreaturen die immer noch mit diesem Leid-System arbeiten auf einmal verbieten? Du hast ja auch angedeutet, dass seine Sicht auf den Tod durch die Möglichkeit der Unsterblichkeit sich verändern. Du gabst an, dass Dinge oder Eigenschaften derer wir zunächst ausgeliefert sind, nicht nur negativ betrachtet werden sollten. Aus psychologischer Sicht ist das sicher richtig, ich habe ja geschrieben, dass Optimisten besser leben als Pessimisten, aber ich sehe keine kohärente Folgerung . War Krebs ne „wertvolle“ Sache, sprich ein möglich früher Tod erst schlimm, als man Mittel dagegen entwickelt hat. Ist der Tod erst schlimm, wenn er im Kontrast zur Unsterblichkeit liegt? Sind leidvolle Erfahrungen erst dann schlimm, wenn sie nicht mehr nötig wären? Natürlich verändert sich der ethische Diskurs, so wäre es falsch jemanden die Unsterblichkeit zu verwehren, insofern möglich und gewünscht, jedoch scheint es nicht ethisch falsch zu sein, einen Patienten sterben zu lassen, wenn…ja…wenn nicht anders möglich. Aber wieso sollte der Tod erst deshalb weniger schlimm sein ? Nur weil etwas gegeben ist, folgt noch lange nicht daraus, dass man dies auch als etwas Gutes empfinden sollte. Psychologisierungen sind erlaubt und erwünscht, aber sicherlich kein Instrument um eine Handlung zu universalisieren. Ganz davon zu schweigen, dass natürlich weder der Tod, noch Leid, noch Krankheit „gegeben sind“, sondern erst durch die Erzeugung von gewissen Lebewesen. Wenn wir aber z.B. heilbare Krankheiten nicht als „Gegebenheiten“ akzeptieren, weil wir medizinische Mittel dagegen haben, wieso sollten wir dann überhaupt „das Leben“ als Gegebenheit akzeptieren, wenn es sich faktisch um keine Gegebenheit handelt? Auch hier kommt mir das Lied reichlich nach der Verehrung des „natürliche Kreislauf“ nahe. „Die Welt ist, wie sie ist, also lasst uns sie grundsätzlich doch so bewundern.“ Nun, insofern man das aus der Warte eines klugen und mitfühlenden Schöpfers macht, mag das angehen, aber aus einer jeden die metaphysische Konstrukte zunächst ignoriert, scheint mir das nichts anderes als Wohlfühl-Esoterik zu sein.
Zitat von phoenix89:
Auch verstehe ich nicht, wie du in Einklang bringen kannst die Annahmen, dass 1.: leidensfähiges Leben nicht hervorzubringen sei, und 2.: Leben es wert sei, gelebt zu werden: Bei letzterer Aussage würde ich mich nämlich anschließen; und dass ein zur Welt gebrachtes Kind derart leiden würde, dass es zum Schluss käme, nicht geboren worden zu sein, wäre die bessere Alternative gewesen, scheint mir so unwahrscheinlich (und im Laufe des Lebens dieses Kindes wäre es in der Tat zu vermeiden, dass es überhaupt so weit kommt, dass ein solches Urteil angemessen scheint), und die reine Vorhandenheit des Leides (unabhängig von Ausmaß und Gestalt) im Leben eines Menschen (oder anderen Wesens) scheint mir so wenig ein Einwand gegen das Leben, dass mir nicht ersichtlich ist, wie man von der Voraussetzung, dass ein zu gebärendes Lebewesen wohl auch Leid empfinden wird, zu dem Schluss kommt, dass man‘s dann besser gleich sein ließe.
Zunächst: Weil ein Lebewesen und einmal bereits lebt. Von ein „Leben“ im absoluten Sinne zu sprechen, ohne das es Vertreter gibt, würde sogar unseren Diskurs zu einem Traum der Götter machen. Ich wollte damit verdeutlichen, dass Persistenz und Erzeugung grundsätzlich unterschiedlich sind. Keine Nichtexistenz drängt zum Leben. Leben drängt jedoch zum Fortbestand (und selbst, wenn es nicht für immer ist). Zu sagen, dass es eigentlich keine ethische Rechtfertigung für meine Zeugung gibt, besagt noch lange nicht, dass es nun keine Möglichkeit gibt mir mein Leben gut zu gestalten und mich vor dem Tode zu fürchten. Noch sei mir eine Handlung gestattet die anderen schadet, aber nicht genug damit sie denken, dass ihr Leben es nicht mehr wert sei, gelebt zu werden (in diesem Falle wäre meine Schuld natürlich noch größer. „Broken-Heart-murder“ erscheint mir äußerst schlüssig)
Bedenke wir auch: Es gibt keinen Vorteil des Lebens vor der Nichtexistenz. Alles was wir als Wohltat, oder noch allgemeiner, als Glück erfahren, würde, insofern wir nicht existieren würde, kein Schaden an uns sein, da überhaupt von uns zu reden, keinen Sinn mehr machen würde. Insofern sich Eltern auf die Brust schlagen, wenn sie ihre glücklichen Kinder sehen, dann haben sie sicher viel richtig gemacht, aber sie haben definitiv keinen ethischen Vorteil errungen, da Glück kein realer Vorteil vor Nichtexistenz ist (außer natürlich für die Eltern und andere die bereits erzeugt wurden, sicher). Sehe sich Eltern jedoch vor dem Leid ihrer Kinder wieder, dann mögen sie (eventuell) auch in ihrer Beziehung vielleicht falsch verhalten haben, aber im Falle von Verbrechen wie Vergewaltigung oder Entführung wäre wohl nur in ihrer Zeugung Schuld zu finden. Nichtexistenz ist ein realer Vorteil vor Leid. Um dazu einen Vergleich anzustellen:
Es wird ja berichtet, dass der Wolf sich wieder in den deutschen Wälder ausbreitet. Ich will es nicht verhehlen, mir gefällt das gut und ich würde gerne einen einmal bei einem Spaziergang mit meinem Hund begegnen. Auch viele Menschen die keine land- oder forstwirtschaftlichen Bedenken kennen, werden sich heute nur wenig vor den Märchen des bösen Wolfes gruseln und diese Entwicklung begrüßen. Doch leider ist der Wolf ein Carnivore. Er muss töten um zu leben, insbesondre in der Natur, dabei sind seine Opfer selten glücklich genug um nur kurz zu leiden. Man kann nun sicher einwenden, man dürfe auch dem Wolfe nichts tun oder ihn gar verhungern lassen, und das täte man meiner Meinung nach zu recht. Der Wolf ist als intelligentes Säugetier, nach meiner Meinung, ein zu erhaltendes Lebewesen, d.h. eine Tötung erscheint mir als ethisch falsch. Aber, was ist wenn er sich nicht mehr fortpflanzen darf? Chemische Sterilisation wäre eine Möglichkeit (oder zumindest eine zukünftige) die es uns erlauben würde, dass der Wolf nach einer Generation wieder verschwinden würde, ohne dass man auch nur einem dieser wunderschönen Geschöpfe ein Leid getan zu haben, insofern man annimmt, dass ein Wolf unter seinen Placebos nicht leidet (was ich als evident annehme). „Aber Viochen, du hast doch selbst gesagt, dass es schön ist, dass der Wolf sich wieder weiter ausbreitet?! Und nun willst du es verhindern, dass wir süße Welpen sehen können?“ – Ja, das ist sichtlich schade, liebe schöne Vio-Verehrerin (ich gehe davon aus, dass alle meiner imaginären Verehrerinnen wunderschön sind und gerne für mich kochen. Ich betone: Sie tun es gerne, ich wünsche mir garnichts.), aber es erscheint mir als richtige Alternative zu den leidenden gerissenen Tieren, die der arme Wolf nun einmal produzieren muss, weil er sonst leidend sterben müsste. Wieso sollte mein ästhetischer Sinn, und der aller Wolffanatischen Menschen, wichtiger sein, als das Leid anderer Tiere, insofern wir Mittel haben um sie zu verhindern? Resultiert aus dem Verlust des Wolfes ein größerer ethischer Schaden, als durch die zahlreichen Schreie seiner zukünftigen Nahrung? Auch meine geliebten Katzen kümmern sich recht wenig, wie es den schreienden Tieren geht, welche sie als Spielball verwenden. Ich bin mit Hunden und Katzen groß geworden und ich werde sicher immer welche haben, insofern ich die Mittel dazu habe, sie glücklich zu halten. Aber meine lieben tierischen Brüder und Schwestern sind nun einmal ihrem Handeln blind ausgeliefert. Und da Tiere wohl noch weniger, vermutlich sogar gar nicht, darunter leiden werden, dass sie Aussterben als wir Menschen, scheint die traurige Alternative, die Welt ohne Carnivoren, die ethischere zu sein. „Aber Vioechen“ , machte sich auf einmal eine weitere, wunderschöne, blond/schwarz/braun Haarige Bewunderin bemerkbar, “musst ich denn dann nicht auch meine Kätzchen einschläfern?“ – Nein, wie ich geschrieben habe, haben (carnivorische) Tiere, außer dem Menschen natürlich, keine ethische Wahl, auch wenn sie sich selbst unglaublich liebevoll umeinander kümmern können, so müssen sie doch jagen, wenn ihnen eine Beute vor die Schnauze läuft. Da ich ihnen aber ein Bewusstsein zuschreibe, dass ihnen impliziete Wünsche nach Persistenz unterstellt, wäre es falsch sie zu töten, bzw. sie sterben zu lassen. Aber du hast die Verantwortung, dass es nicht unnötiges Leid Produziert, sprich eine nicht-tierische Ernährung deiner Kätzchen, und wenn möglicher, aber eventuell selbst ethisch zweifelhaft, eine Haltung die es ihnen nicht ermöglicht anderen Tieren zu schaden. „Aber das ist so viel Verantwortung Vio, ich weiß garnicht wie ich da zu kommen sollte es noch zu genießen, wenn doch alles so voller möglichen Unheils ist“ – Ich kenne diese Bedenken gut, aber ich fürchte das ich keinen Plan habe. In diesem harten Leben bedarf es dichter Bärte, und wie gut das ich einen habe.
Entschuldige, ich bin abgedriftet, aber die Sonne hat mir gerade den Tag versüßt und mich zum Träumen angeregt. Der Punkt ist: Es mag bedauerlich sein, insofern es keine Wölfe mehr gibt, es ist aber kein realer Nachteil für sie, da auch ihre Existenz kein realer Vorteil für sie ist. Und das Selbe gilt für uns. Da wir nichts gewinnen (als einzelne gedacht, nicht als Elternteile oder Gesellschaft), aber womöglich verlieren können, bleibt die Zeugung die schlechtere Alternative. Der Unterschied ist, dass ich dem Wolf als „Schädling“ bezeichne (ich bitte zu berücksichtigen, dass mein Herze bei dem Wort blutet) und ihn vor weiterem Unheil bewahren möchte, auch wenn das erst durch die Sterilisation möglich ist. Beim Menschen argumentiere ich nicht in der Art, obwohl faktisch der größte Verursacher von Leid, er die Möglichkeit der Veränderung hat. Hier bleibe ich dabei: Leidige Erfahrungen sind ein realer Nachteil gegenüber Nichtexistenz, Glück kein realer Vorteil. Mein Beispiel sollte zeigen, dass es keinen realen Vorteil für die Existenz (bzw. die Ausbreitung) des Wolfes, im Vergleich zu seiner Nichtexistenz (seiner Nichtanwesenheit im deutschen Wald) gibt, sondern lediglich ein äußerer (also unsere Bewunderung für ihn, der Glaube an das Gute in der Natur, oder mögliche Eindämmung von Jagdnotwendigkeit). Meine Begründung im Leid der potentiellen Nahrung ist dann etwas der Sonne geschuldet. ;)
Um der Redundanz und der Kürze wegen: Es braucht also nicht erst ein „völlig verkorkstes“ Leben zu sein um negativ gegenüber der Nichtexistenz aufzufallen. Jedes Leid ist vermeidbar, und nicht mögliches Glück (wegen Nichtexistenz!) ist kein Schaden. Wieso also zukünftiges Leid kleinreden, wenn wir nichts, ich betone nichts, aus materialistischer Sicht, verlieren? Wieso sollte das Lachen das Weinen ausgleichen, wenn es kein „muss“ zum „überhaupt“ gibt? Ist es traurig, dass wir nichts zeugen sollten? Aber natürlich, zumindest verbinde ich eine tiefe romantische Vorstellung zur erzeugten Kreatur. Aber ist es nicht auch traurig, dass Tiere Opfer anderer Tiere werde? Das womöglich irgendwann niemand mehr meinen Dostojewski liest oder meinen Namen mehr kennt?
Wieso ist der Gedanke an eine unbelebte Insel nicht unheimlig aber der Gedanke an ein unbelebtes Universum? ….entschuldige, die Sonne ist wieder durchgedrungen. Ich sehe einfach nichts, das uns vor der Verantwortung der Nichtzeugung entbindet. Es ist ja nicht so, als würde ich das gerne schlucken.
Zitat von phoenix89: Der „Tod als Skandal“ spielt doch insofern eine Rolle in deiner Argumentation, als du mit dieser Formulierung ja meintest, das Sterben bringe Leid mit sich, und Leid sei ja ebenso zu vermeiden wie, in Folge dessen, die Erzeugung leidensfähiger Lebewesen; oder nicht? Ist die Deutung des Todes als eines Skandals nicht bereits subjektiv, insofern er den Standpunkt des betreffenden vom Tode betroffenen Wesens einnimmt (und nicht nur, ganz abstrakt, ‚des sterbenden Wesens schlechthin‘, sondern bereits den eines sterbenden Wesens, das zumindest insofern konkret ist, als der Tod für es allein einen Skandal darzustellen scheint)?
(Wenn ich übrigens schrieb, dass die Betrachtung des Todes als eines Skandals eine einseitige sei, dann war dies in der Tat eine Kritik, die Anspruch auf Gültigkeit erhebt, ja; worum es mir aber zugleich ging, war: klarzustellen, dass mit der Aussage, der Tod sei nicht nur ein Skandal, keineswegs das ggf. konkret vorhandene Leiden eines Sterbenden übergangen wird. – Dem Tode kann man meines Erachtens mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegensehen; wenn nun aber jemand ihn ausschließlich freudig erwartet, sehe ich keinen Grund, ihm zu sagen, er solle sich doch gefälligst noch grämen, ebenso, wie ich jemandem, der den Tod nur als schrecklich empfindet, Vorhaltungen machen würde, dass er es nicht fertigbringt, auch etwas Gutes darin zu sehen – so wünschenswert dieses auch wäre. Diese Ambivalenz – die Formulierung des distanziert-reflektierenden Standpunktes kann vergessen werden, da sie anscheinend nicht so klärend wirkte,
„Der Tod“ spielt insofern keine Rolle, da er als Beispiel von Leid fungiert, die ich als äußerst nachempfindbar betrachte. Selbst wenn der Tod nie als etwas leidiges erlebt werden würde, würde deshalb meine Argumentation nicht verfallen, da der Tod ja nicht das einzige ist, an dem wir leiden können. Das auch der „Tod als Skandal“ subjektiv ist, wie alles was ich über Leid und Glück schrieb, da ich schließlich von Subjekten rede, siehst du doch bereits dort, wo ich meine, dass der Tod durchaus als Erlösung von einem leidigenden Zustand erlebt werden kann. Zu kritisieren, dass der „Tod als Skandal“ zu einseitig ist, scheint mir genauso sinnvoll zu sein, wie zu bemerken, dass „Vergewaltigung ist ein Skandal“ zu einseitig ist, da ja ganz offensichtlich auch der Vergewaltiger seine Sicht der Dinge mit einbringen kann. Der Unterschied mag darin liegen, dass du den „Tod als zu einseitig“ beschrieben siehst, selbst wenn man nur vom individuellen Sterbenden ausgeht. Das halte ich weiterhin für merkwürdig, da ich ja bereit war zu bemerken, dass der Tod je nach Situation auch anders gewertet werden kann, d.h. wiederum, dass du doch selbst dann, wenn jemand an seinem Sterben leidet, ja selbst wenn du daran leidest, irgendwie bemerken willst, dass es dennoch nur einseitig betrachtet wird, da es ja offensichtlich auch „das Leben irgendwie erneuert“, bzw. die Möglichkeit einer Erneuerung Vorschub leistet, nich? Ja, das halte ich auch weiterhin für Metaphysik. „Da hat sich er Schöpfer was dabei gedacht“ halte ich für legitim, „Ha, da ist aber zufällig gut gelaufen“ für dröge und nicht nachvollziehbar. Nur weil etwas ist, hat es noch lange nichts wertvolles zu bieten, nur aus seinem Dasein abzuleiten, dass es etwas gutes ist (oder zumindest teilweise gutes hat) scheint einen nötigen verbindenden „Faktor X“ (um einmal Derek zu bemühen) zu fehlen. Ich sehe jedenfalls nicht, wie man aus einem evolutionären Zufall mehr als nur eine psychologische Verarbeitung basteln kann (das ich das achte und verstehen kann, habe ich hoffentlich gut genug rübergebracht).
Nur noch zur Klärung: Ich weiß nicht genau auf was du hinaus willst mit deinem „vom sterbenden Wesen schlechthin“. Ich verwende den „Tod als Skandal“ schlicht und einfach als die Gewissheit des Todes, aber sicher nicht nur des eigenen, sondern auch seiner Liebsten und Geliebten. Ich sehe natürlich auch Krankheit und Alter (im Sinne von körperlichen Zerfall) als Skandal.
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