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Hans-Werner Sinn und die Milliardenbombe

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teacher-1
Champion (offline)

Dabei seit 02.2007
5594 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2012 um 19:38 Uhr
Zuletzt editiert am: 27.02.2012 um 19:40 Uhr

Dass Hans-Werner-Sinn bisweilen ein unbequemer Diskutant ist, das ist bekannt. Dass er auf die Risiken im Hinblick auf Griechenland immer wieder hingewiesen und dadurch der Politik zunehmend unbequem geworden ist, hat sich ebenfalls herumgesprochen. Der folgende Artikel im Internet hat mir allerdings ein wenig die Sprache verschlagen, denn ich gestehe, dass ich die Risiken zwar irgendwann einmal gehört, die Zusammenhänge in diesem Punkt allerdings noch nicht so genau gesehen habe.

Hans-Werner Sinn und die Milliardenbombe

Wenn das so stimmt, dann frage ich mich schon, ob die Regierungskoalition und die Opposition in Berlin sich eigentlich noch ganz darüber im klaren sind, was sie da im Hinblick auf Griechenland erst heute wieder beschlossen haben. Auffällig ist, dass erstens die Kanzlermehrheit heute deutlich verfehlt wurde, dass also immer mehr Abgeordnete in Berlin kalte Füße zu bekommen scheinen, zweitens ist es auffällig, dass die Umfragen bei den Deutschen zu Griechenland immer ablehnender ausfallen und drittens finde ich es auffällig, dass die Medien (sprich die ganzen Diskussionsrunden) sich der Ansicht des Ifo-Präsidenten Sinn nicht annehmen und das im Fernsehen nicht diskutieren. Ich halte es für eine Albernheit zu behaupten, dass das Thema zu sperrig sei, ich vermute vielmehr, dass man das Thema nicht in der Öffentlichkeit haben will.

Ich würde an dieser Stelle gern folgende Fragen diskutiert sehen:

Warum kann sich Hans-Werner Sinn kein Gehör verschaffen?
Wie weit kann sich die Politik in solch wichtigen Fragen eigentlich vom Willen der Bevölkerung lösen?
Sitzt Deutschland als größter Zahler im Hinblick auf Griechenland in der Falle?
Muss man vor dem Hintergrund eines solchen Berichts nicht zum EURO- und EU-Skeptiker werden und den Sinn hinterfragen?

Bitte nicht - wenn es geht - darüber diskutieren, ob Griechenland nun aus dem EURO-Fenster ausgeschlossen werden soll oder nicht, da es dazu schon einen thread gibt. Mir geht es hier stärker um die Metaebene.
ViolentFEAR - 33
Champion (offline)

Dabei seit 01.2006
13295 Beiträge

Geschrieben am: 27.02.2012 um 20:01 Uhr

Zitat von teacher-1:



[...] und den Sinn hinterfragen?


Gefällt mir in diesem Zusammenhang wirklich gut.

Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit

NoOneKnows
Champion (offline)

Dabei seit 12.2008
2723 Beiträge

Geschrieben am: 27.02.2012 um 20:44 Uhr

Zitat:

ich vermute vielmehr, dass man das Thema nicht in der Öffentlichkeit haben will.


du vermutest wohl richtig... .wobei es mit sicherheit nicht das einzige thema von belangen ist, welches keinen weg in die "öffentlichkeit" findet....

Zitat:

Wie weit kann sich die Politik in solch wichtigen Fragen eigentlich vom Willen der Bevölkerung lösen?


....sehr weit. so weit, bis die leute auf die straße gehen und es zu aufständen etc kommt.






"ein mann, der keinen latakia raucht, gehört in den ofen. s.h." dieter giermann

teacher-1
Champion (offline)

Dabei seit 02.2007
5594 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2012 um 20:46 Uhr

Zitat von ViolentFEAR:

Zitat von teacher-1:



[...] und den Sinn hinterfragen?


Gefällt mir in diesem Zusammenhang wirklich gut.


Ich habe schon beim Schreiben dieses Wortspiel bemerkt, habe es aber stehen lassen, weil ich mir eigentlich gedacht habe, das kapiert keiner so schnell, da habe ich mich aber wohl geirrt. ;-) Wie ist denn Deine Meinung dazu? Das würde mich nun schon interessieren. Ich bin offen und sage, dass ich mir immer unsicherer werde und allmählich ahne, dass die Sache mit dem EURO und der EU möglicherweise eines Tages als eines der größten Irrtümer in den Geschichtsbüchern auftauchen könnte, die die mitteleuropäische Geschichte zu bieten haben könnte, gebe aber zu, dass das eine höchst pessimistische Ahnung ist.
teacher-1
Champion (offline)

Dabei seit 02.2007
5594 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2012 um 20:51 Uhr
Zuletzt editiert am: 27.02.2012 um 20:58 Uhr

Zitat von NoOneKnows:

....sehr weit. so weit, bis die leute auf die straße gehen und es zu aufständen etc kommt.


Die Deutschen sind dafür bislang nicht so sehr dafür bekannt, das macht die Situation eines Tages aber eventuell in der Tat gefährlich, denn ich befürchte, dass wenn es eines Tages zum Durchbruch des sog. Wutbürgers kommt, dass es dann auch kein Halten mehr gibt. Was mir in diesem Zusammenhang Sorge bereitet ist, dass der immer stärker zu hörende Ruf nach einem "starken Mann", der wieder einmal "Ordnung in den Laden bringt" irgendwann zu Entwicklungen führen könnte, die ich so bestimmt nicht haben möchte in Deutschland. Ich frage mich also, ob Regierung und Opposition mit ihrer ungeteilten Zustimmung nicht zunehmend die berechtigten Sorgen der Bevökerung bewusst ignorieren und letztlich am Volk vorbei regieren. Wenn man dann hört, dass ausgerechnet die CSU auf einmal mehr Volksabstimmungen will, dann wundere ich mich darüber, warum man uns eigentlich als Volk in dieser EURO-Krise nie befragt. Volksabstimmungen in wichtigen Fragen könnten zunehmend für die Politik ein wichtiges Mittel werden, denn man ist als Regierung dann einfach viel legitimierter in seinem politischen Handeln.
_McClane_ - 44
Profi (offline)

Dabei seit 09.2007
451 Beiträge

Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:07 Uhr

Politiker denken ja nur von Wahl zu Wahl, und bevorzugen ja herumdoktoren an Symptomen statt an die Wurzel von Problemen zu gehen, da verschiedene Gruppen kurzfristig erstmal stärker benachteiligt wären. Die langfristigen Probleme werden an die Nachfolger weitergereicht. Z. B. Adenauer wurde angebl. auch gesagt das der Generationenvertrag im Rentensystem irgendwann auch nicht mehr funktioniert, da er auf einem Schneeball-Prinzip basiert (andere kommen für sowas ins Gefängnis). Schröder hat die Agenda 2010 als unbequeme Maßnahme den linken SPD-Flügel und die Kanzlerschaft gekostet.
Doch solange die Bevölkerung die Politiker wählt welche das schönste Märchen erzählen sind wir doch auch selbst schuld. Ein anderer hat mal gesagt: "Jedes Volk bekommt die Regierung die es sich verdient". Aber ich möchte mich ja jetzt nicht direkt als Feind der Demokratie Marke 20. Jhdt outen.

http://soundcloud.com/barry_burton_produ ctions

_McClane_ - 44
Profi (offline)

Dabei seit 09.2007
451 Beiträge

Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:10 Uhr

Zitat von teacher-1:

Zitat von NoOneKnows:

....sehr weit. so weit, bis die leute auf die straße gehen und es zu aufständen etc kommt.


Die Deutschen sind dafür bislang nicht so sehr dafür bekannt, das macht die Situation eines Tages aber eventuell in der Tat gefährlich, denn ich befürchte, dass wenn es eines Tages zum Durchbruch des sog. Wutbürgers kommt, dass es dann auch kein Halten mehr gibt. Was mir in diesem Zusammenhang Sorge bereitet ist, dass der immer stärker zu hörende Ruf nach einem "starken Mann", der wieder einmal "Ordnung in den Laden bringt" irgendwann zu Entwicklungen führen könnte, die ich so bestimmt nicht haben möchte in Deutschland. Ich frage mich also, ob Regierung und Opposition mit ihrer ungeteilten Zustimmung nicht zunehmend die berechtigten Sorgen der Bevökerung bewusst ignorieren und letztlich am Volk vorbei regieren. Wenn man dann hört, dass ausgerechnet die CSU auf einmal mehr Volksabstimmungen will, dann wundere ich mich darüber, warum man uns eigentlich als Volk in dieser EURO-Krise nie befragt. Volksabstimmungen in wichtigen Fragen könnten zunehmend für die Politik ein wichtiges Mittel werden, denn man ist als Regierung dann einfach viel legitimierter in seinem politischen Handeln.


Die Frage dabei ist ja ob die Bevölkerung auch so schlau ist... Könnte mir die Abstimmungsergebnisse vorstellen wenn die Frage "Freibier für alle?" wäre.

http://soundcloud.com/barry_burton_produ ctions

teacher-1
Champion (offline)

Dabei seit 02.2007
5594 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:29 Uhr

Zitat von _McClane_:

Politiker denken ja nur von Wahl zu Wahl, und bevorzugen ja herumdoktoren an Symptomen statt an die Wurzel von Problemen zu gehen, da verschiedene Gruppen kurzfristig erstmal stärker benachteiligt wären. Die langfristigen Probleme werden an die Nachfolger weitergereicht. Z. B. Adenauer wurde angebl. auch gesagt das der Generationenvertrag im Rentensystem irgendwann auch nicht mehr funktioniert, da er auf einem Schneeball-Prinzip basiert (andere kommen für sowas ins Gefängnis). Schröder hat die Agenda 2010 als unbequeme Maßnahme den linken SPD-Flügel und die Kanzlerschaft gekostet.
Doch solange die Bevölkerung die Politiker wählt welche das schönste Märchen erzählen sind wir doch auch selbst schuld. Ein anderer hat mal gesagt: "Jedes Volk bekommt die Regierung die es sich verdient". Aber ich möchte mich ja jetzt nicht direkt als Feind der Demokratie Marke 20. Jhdt outen.


Na ja, dass das Rentensystem auf Dauer nicht mehr funktionieren wird, das sieht man ja bereits. ;-)

Ich stimme Dir in der Analyse aber uneingeschränkt zu, dass eines der Hauptprobleme in der Tat das Herumdoktorn an Symptomen ist. Ich höre eigentlich wirklich immer nur das klein-klein der Alltagspolitik und allenfalls die sog. elder statesman haben noch die großen politischen Linien im Kopf und scheinen kompetent etwas dazu sagen zu können. Ich bin dennoch der Meinung, dass ein guter Politiker nicht bloß für den Augenblick Politik machen sollte und auch nicht bloß mit dem Blick auf die nächste Wahl. Ich denke wirklich, dass die Mehrheit des Volkes es auch honorieren würde, wenn man es erklärt bekomt, warum Einschnitte nötig sind und warum auch unbequeme Entscheidungen getroffen werden müssen, wenn man an das Land langfristig denkt. Das Problem dabei ist, dass die meisten Parteien und die meisten Politiker ihren Kredit und ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der Bevölkerung schon lange verloren haben. Insofern kann man vielleicht auch sagen, dass wir uns vordergründig in einer EURO-Krise befinden, die im Grunde genommen aber zu wesentlichen Teilen eine Glaubwürdigkeitskrise der Politik ist.

Wenn man dann den Artikel über Hans-Werner Sinn liest, dann kann auch vor diesem Hintergrund der Ärger darüber aufsteigen, dass man als normaler Bürger nicht nur nicht hinreichend informiert wird, sondern dass man hinter der Nicht-zur-Kenntnisnahme von Sinns Berechnungen politisch motivierte Parteien-Ignoranz vermuten muss, die gar nicht mehr wahrzunehmen scheint, dass sie durch ihr Verhalten diese Glaubwürdigkeitskrise täglich nur noch verschärft. Das ist bedenklich.
djrene - 58
Champion (offline)

Dabei seit 02.2010
2295 Beiträge

Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:36 Uhr

Entschuldigung, aber Hans Werner Sinn ist ein großunternehmerhöriger Dampfplauderer. In einer vernünftigen Gesellschaft hätte man einen wie ihn schon lange aus dem Dorf getrieben. Der sollte sich mal damit auseinandersetzen was dem kleinen Mann gut tuen könnte und nicht denen die ihn ausbeuten.

Meine Nachbarn kennen Jim Marshall nicht, aber sie hassen ihn.

_McClane_ - 44
Profi (offline)

Dabei seit 09.2007
451 Beiträge

Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:41 Uhr

Bin ja auch nicht immer der Meinung von Sinn wenn er z. B. beim Thema Atom die aktuelle Wirtschaftlichkeit als wichtigstes Kriterium darstellt. Auf seinem Gebiet (Wirtschaft) ist er aber herausragend.

http://soundcloud.com/barry_burton_produ ctions

sonne-strahl - 70
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Dabei seit 10.2010
508 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:44 Uhr

Die deutschen sind als Volk eine träge Masse. Die lassen sich alles bieten in ihrer Obrigkeitshörigkeit. Das war schon seit Urzeiten so. Ich kann es auch etwas treffender ausdrücken, unser Volk besteht überwiegend aus Hosenscheißern, und lässt alles mit sich machen. Das hat mir jemand schon vor 20 Jahren aus Kroatien verraten.
Der hatte vollkommen recht.
Auch Lenin, Initiator der Oktoberrevolution, hatte von den deutschen eine ähnliche Meinung.
Sein Spruch war „ wenn die deutschen einen Bahnhof stürmen sollen, dann kaufen die eine Fahrkarte.“

teacher-1
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Dabei seit 02.2007
5594 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2012 um 21:49 Uhr
Zuletzt editiert am: 27.02.2012 um 21:49 Uhr

Zitat von djrene:

Entschuldigung, aber Hans Werner Sinn ist ein großunternehmerhöriger Dampfplauderer. In einer vernünftigen Gesellschaft hätte man einen wie ihn schon lange aus dem Dorf getrieben. Der sollte sich mal damit auseinandersetzen was dem kleinen Mann gut tuen könnte und nicht denen die ihn ausbeuten.


Es ist nicht so, dass ich in allen Punkten sein Freund bin, in keiner Weise. Ich bin aber nicht der Ansicht, dass man Leute, die eine andere Position vertreten als wie sie sich im gängigen mainstream wiederfinden lässt, nun "aus dem Dorf treiben werden muss". Im übrigen finde ich hat er hier sehr wohl den "kleinen Mann" im Auge, der die Zeche ja eines Tages bezahlen muss, oder nicht?
Cymru - 35
Champion (offline)

Dabei seit 07.2005
11505 Beiträge

Geschrieben am: 28.02.2012 um 00:16 Uhr

Zitat von teacher-1:

Wie weit kann sich die Politik in solch wichtigen Fragen eigentlich vom Willen der Bevölkerung lösen?


Diese Frage hat mich doch irgendwie mehr zum Nachdenken gebracht. Du gehst dabei (so kommt es rüber) davon aus, dass die deutsche Bevölkerung gegen die EU-Hilfen ist. Weiß nicht, wie die momentanen Umfragen sind, aber das kann durchaus sein. Andererseits geht es dir (und mir) wie den allermeisten Deutschen: Wir haben große Probleme, die momentane Krise vollständig zu verstehen. Da ist einmal Europa, das mir sehr am Herzen liegt. Europa ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern garantiert Frieden und Freiheit, wie wir sie in der Geschichte nicht oft hatten. Andererseits sehen wir alle aber auch, dass die Rettung von Schuldenstaaten sehr viel Geld kostet. Warum ist uns aber auch nicht ganz klar.

Was mich nun beschäftigt hat: Was ist der wirkliche Wille der Bevölkerung? Welche Argumente gibt es für diesen Willen? Und ganz wichtig: Sieht die Bevölkerung dabei die möglichen Folgen, etwa eines Ausstiegs Griechenlands aus der EU oder gar Deutschlands (auch das habe ich vereinzelt in den letzten Monaten gelesen)?

Ich sehe es jedenfalls als sehr gefährlich an, wenn man glaubt, einen gefestigten Willen zu haben, obwohl man gar nicht alle Zusammenhänge versteht. Offenbar haben ja selbst die Politiker im Deutschen Bundestag nicht alles korrekt verstanden, was sich durch das erneute Sparpaket zeigt. Und das obwohl sich die Bundesregierung hier Experten an die Seite geholt hat und holen kann. Wie also soll es einem Normalbürger möglich sein, sich hier umfassende Kenntnis zu vermitteln?

„Handle so, dass jeder Zeit dein Handeln zur Maxime des Handelns erhoben werden kann.“

teacher-1
Champion (offline)

Dabei seit 02.2007
5594 Beiträge
Geschrieben am: 28.02.2012 um 07:12 Uhr

Zunächst einmal finde ich, dass man festhalten muss, dass man den Bürger nicht für dümmer halten sollte als er ist. Viele Menschen informieren sich sehr wohl im Rahmen ihrer Möglichkeiten und mehr kann man zunächst auch nicht verlangen. Dass viele die gegenwärtige Krise nicht ganz durchschauen, ob das nun die Politiker selbst oder eben wir normalen Bürger sind, dem ist sicherlich zuzustimmen, denn das ist sehr oft so, wenn man sich in einer akuten Krise befindet. Nicht selten sieht man erst hinterher klarer.

Wo ich Dir aber nicht zustimme, das ist das Hohelied auf die EU und den EURO. Ich stand der Aktion von vornherein sehr skeptisch gegenüber und das hat einen einfachen Grund: Die vor der Einführung des EURO herrschenden Währungsparitäten in Europa hatten ihre Gründe. Die Wirtschaft der einzelnen Länder war unterschiedlich stark ausgeprägt, die Kaufkraft ebenfalls, Abgaben und Steuern waren (und sind bis heute) höchst unterschiedlich, die ganzen Rahmenbedingungen (wie z. B. die Lebensarbeitszeit, die Wochenarbeitszeit, das Lohnniveau, die Qualität der Waren, die Qualität in Forschung und Lehre usw.) ebenso. Das alles schlug sich in einem höchst dfifferenzierten Währungsgefüge nieder, wo sich die Wechselkurse ständig veränderten. Geld steht eben nicht einfach als Wert im Raum, sondern es ist an zahlreiche Faktoren gebunden, die diesen Wert bestimmen. Das hat man einfach aufgehoben, als man den EURO eingeführt hat. Dass das eigentlich nicht funktionieren kann, weil man damit die ganzen Abhängigkeiten, die ich gerade geschildert habe, schlichtweg negiert, das ist für mich bis heute eines der ungelösten Mysterien, denn das habe ich bereits ausgangs meines Studiums begriffen, dass das unmöglich funktionieren wird. Eine gemeinsame Währung kann - das war und ist bis heute meine feste Überzeugung - nur dann gelingen, wenn Europa ein vereinigter Staat wäre. Das wünsche ich mir aber nicht herbei und das wollen auch die Bürger in der EU mehrheitlich nicht, denn es würde nationale und regionale Identitäten aufheben, was man als Historiker auch vor dem Hintergrund metalitätsgeschichtlicher Aspekte nicht befürworten kann.

Ich glaube deswegen, dass ganz Europa gut beraten wäre die gemeinsame Währung schleunigst wieder abzuschaffen, denn behält man sie bei, so ist das für die erfolgreicheren Staaten wie Deutschland nichts anderes als eine der größten Kapitalvernichtungsanlagen, die die Geschichte je gesehen hat. Nun könnte man freilich anführen, dass Deutschland seit dem EURO, was die Wirtschaft angeht, stark vom EURO profitiert hat. Das ist richtig, die Gewinne wurden aber fast ausschließlich privatisiert, während die Lasten sozialisiert werden. Zahlreiche Bürger haben seitdem mit teilweise massiven Reallohnverlusten zu kämpfen. Jetzt müsste man einmal gegenrechnen, wie der Schnitt eigentlich aussieht: Auf der einen Seite das Geld, dass die deutsche Wirtschaft und dass die Banken über den Euro mehr verdient haben als zu DM-Zeiten gegen das Geld, dass wir seit Jahren in die Hand nehmen müssen, um klammen Staaten aus der Patsche zu helfen. Da man schon weiß, dass das nicht das letzte Hilfspaket gewesen sein dürfte, was gestern beschlossen wurde, glaube ich nicht mehr daran, dass die Rechnung so wahnsnnig positiv ausfällt. Das Problem daran ist nur, dass die Tasche, in die die Gewinne fließen, eine andere ist als die, aus der man sich die Lasten holt.

Ich habe nichts gegen die EU, ich denke aber, dass der EURO einer der größten Irrtümer war, die wir uns geleistet haben. Es gibt zahlreiche Länder in der EU, die den EURO nicht haben und ich lese nichts davon, dass es denen nun so wahnsinnig viel schlechter geht. Ich glaube, dass es Zeit wird, dass man sich diese Wahrheit endlich einmal eingesteht und ich werde immer die Meinung vertreten, dass es sinnvoller ist einen erkannten Fehler rasch zu korrigieren, als ihn zu leugnen und auf ihm zu beharren. Tut man das, so fängt für mich die Dummheit an.
Cymru - 35
Champion (offline)

Dabei seit 07.2005
11505 Beiträge

Geschrieben am: 28.02.2012 um 12:19 Uhr

Zitat von teacher-1:

Zunächst einmal finde ich, dass man festhalten muss, dass man den Bürger nicht für dümmer halten sollte als er ist.


Wollte damit auch kein Bürger-Bashing betreiben. Obwohl es sehr viele Menschen gibt, die sich kein Stück mit der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage beschäftigen, ist es doch eine sehr sehr große, weiter steigende Zahl, die hier etwas wissen möchte und sich versucht, zu informieren. Da die meisten Bürger aber keine VWL studiert haben oder sich sonst sehr gut auskennen, stößt man irgendwann an seine Grenzen. Das geht mir nicht anders. Beruhigend und zugleich beunruhigend ist, dass es Politikern und Experten da ja ähnlich geht. Die Sache ist einfach sehr komplex.


Zitat von teacher-1:

Eine gemeinsame Währung kann - das war und ist bis heute meine feste Überzeugung - nur dann gelingen, wenn Europa ein vereinigter Staat wäre. Das wünsche ich mir aber nicht herbei und das wollen auch die Bürger in der EU mehrheitlich nicht, denn es würde nationale und regionale Identitäten aufheben, was man als Historiker auch vor dem Hintergrund metalitätsgeschichtlicher Aspekte nicht befürworten kann.


Das ist in der Tat noch eine ungeklärte Frage: Wie viel Vereinigung ist für Europa nötig. Zwischendrin tauchte Frau von der Leyen mit dem Schlagwort "Vereinigte Staaten" auf, was jedoch sehr schnell wieder unterging. Die Mehrheit der EU-Bürger richten sich natürlich gegen solche Vorschläge. Die Nationalstaaten würden stark darunter leiden, dass Unterschiede eingeebnet würden. Wobei mich wundert, dass man dies als Historiker gleich als negativ sehen muss: Auch das heutige Deutschland bestand schließlich aus vielen Kleinstaaten, die wir heute in einem Staat und nur noch 16 Ländern zusammengefasst haben. Viele Unterschiede wurden auch hier eingeebnet, viele regionale Differenzen blieben aber durchaus bestehen. Heute würde sich wohl kaum mehr jemand die frühere Kleinstaaterei zurück wünschen.

Eine Zusammenarbeit innerhalb der Eurozone muss nicht gleich eine komplette Auflösung nationaler und regionaler Unterschiede bedeuten. Die Wirtschaftspolitik in weiten Teilen anzugleichen müsste nicht gleich ein so großer Schritt sein, dass Eigenheiten der Staaten verloren gehen.

In jedem Fall muss aber eine Entscheidung her, was man genau will. Der goldene Mittelweg ist sicher keine Lösung. Und es müssen Erklärungen für den Bürger her. Die Informationen in der Europapolitik sind bisher doch eher schwach ausgeprägt.


Zitat von teacher-1:


Ich habe nichts gegen die EU, ich denke aber, dass der EURO einer der größten Irrtümer war, die wir uns geleistet haben. Es gibt zahlreiche Länder in der EU, die den EURO nicht haben und ich lese nichts davon, dass es denen nun so wahnsinnig viel schlechter geht. Ich glaube, dass es Zeit wird, dass man sich diese Wahrheit endlich einmal eingesteht und ich werde immer die Meinung vertreten, dass es sinnvoller ist einen erkannten Fehler rasch zu korrigieren, als ihn zu leugnen und auf ihm zu beharren. Tut man das, so fängt für mich die Dummheit an.


Nun ja, Großbritannien steht ohne Euro auch nicht besonders gut da. Man denke nur daran, dass die Studiengebühren im Rahmen der Sparmaßnahmen der konservativen Regierung massiv angehoben werden mussten und es auch dort zu Krawallen gab. Gleichwohl gibt es natürlich unsere nordischen Nachbarn, die da tatsächlich auch ohne Euro sehr gut dastehen.

Wir haben es hier aber schlicht auch mit einem politischen Problem zu tun: Wirtschaftlich betrachtet gibt es viele kleine Faktoren, die es dem Euro schwer machen. Auch die Verletzung der Kriterien von Maastricht durch Deutschland und Frankreich gehören dazu. Politisch aber hat man sehr viel Energie in den Euro gesteckt, gerade auch in den letzten Monaten. Der Euro wird häufig als Synonym für die EU verwendet, auch wenn das eigentlich falsch ist. Nach zehn Jahren (bzw. eigentlich ja schon seit 1999) einfach so zu sagen, wir schaffen diese Währung ab, wäre ein politisches Zeichen von sehr großer Tragweite. Es würde vor allem das Zeichen setzen, dass Europa gescheitert ist, weil man eben diesen Zusammenhang EU=Euro gesetzt hat. Hätte man den Euro erst ein oder zwei Jahre, könnte man es noch als Fehler abtun. Inzwischen ist aber schon zu viel investiert worden. Die Politik muss sich wohl daran klammern.

„Handle so, dass jeder Zeit dein Handeln zur Maxime des Handelns erhoben werden kann.“

alien2000
Experte (offline)

Dabei seit 04.2006
1275 Beiträge

Geschrieben am: 28.02.2012 um 22:17 Uhr
Zuletzt editiert am: 28.02.2012 um 22:21 Uhr

Zitat von Cymru:

Die Sache ist einfach sehr komplex.

Das ist richtig. Deshalb braucht es eine rege Diskussion um die ganzen Zusammenhänge auseinanderzuzwirbeln. Leider ist das Interesse daran gering. Es ist leichter einen Schuldigen auszumachen und auf diesen einzudreschen.

Zitat von Cymru:


Wir haben es hier aber schlicht auch mit einem politischen Problem zu tun: Wirtschaftlich betrachtet gibt es viele kleine Faktoren, die es dem Euro schwer machen. Auch die Verletzung der Kriterien von Maastricht durch Deutschland und Frankreich gehören dazu. Politisch aber hat man sehr viel Energie in den Euro gesteckt, gerade auch in den letzten Monaten. Der Euro wird häufig als Synonym für die EU verwendet, auch wenn das eigentlich falsch ist. Nach zehn Jahren (bzw. eigentlich ja schon seit 1999) einfach so zu sagen, wir schaffen diese Währung ab, wäre ein politisches Zeichen von sehr großer Tragweite. Es würde vor allem das Zeichen setzen, dass Europa gescheitert ist, weil man eben diesen Zusammenhang EU=Euro gesetzt hat. Hätte man den Euro erst ein oder zwei Jahre, könnte man es noch als Fehler abtun. Inzwischen ist aber schon zu viel investiert worden. Die Politik muss sich wohl daran klammern.

Der Euro wurde politisch geboren. Es wurde auf den Markt als Regulator gesetzt. Das hat sich als Fehler entpuppt. Europa braucht eine einheitliche Finanzstrategie sprich Finanzhoheit. Es wurden keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen. Es wird noch viel Zeit vergehen bis sich europaweit die politischen Verhältnisse annähern.
Europa hat den Weg beschritten. Es gibt alternativen zum Euro, aber sind die wirklich besser und für die Bevölkerung tragbar?
Ich denke Europa wird weiter zusammenwachsen. Das wird Zeit brauchen!
Es müssen aber auch die entsprechenden demokratischen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Europas Gerichte werden noch viel zu tun haben. siehe:
Karlsruhe stärkt Rechte des Bundestags bei Euro-Rettung
Es stimmt: EU und der Euro sind ein Synonym. Ein europäischer Markt mit einer Währung hat viele Vorteile, aber eben auch Nachteile.
Die Amerikaner fürchten den Euro, könnte er doch den US-Dollar ablösen. Zuvor muss Europa noch stärker zusammenwachsen.
Ich möcht hier die Meinung von US-Starökonom Barry Eichengreen
vorstellen.
Weiterhin bin ich der Meinung wir brauchen die Vollgeldreform


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