Forum / Sonstiges / Mord in Ulm - Raphael Blumenstock 04.11.1990

Ulm. Am 4. November 1990 haben Passanten auf dem Ulmer Münsterplatz die Leiche von Rafael Blumenstock gefunden – grausam hingerichtet und verstümmelt.

Mord ist das einzige Verbrechen im Strafgesetzbuch, das keiner Verjährung unterliegt. Ein Täter könnte also auch heute noch oder in weiteren 20 Jahren bestraft werden, sollte man ihn ergreifen können. Doch genau darin liegt das Problem. Seit 20 Jahren ist der Fall ungeklärt und damit der einzige offene Mordfall in der Stadt Ulm – zudem ein ganz grausamer, weil die Begleitumstände seinerzeit für großes Unbehagen in der Bevölkerung gesorgt hatten. Mitten in der Stadt war ein junger, gerademal 28 Jahre alt gewordener Mann getötet worden, geradezu hingerichtet, was die Spekulationen über die Hintergründe ins Unermessliche hatten steigen lassen.

„Man darf die Hoffnung nicht aufgeben“, sagt dazu der Sprecher der Staatsanwaltschaft Ulm, Michael Bischofberger, aktiv an einer möglichen Aufklärung arbeiten, könne die Polizei allerdings nicht mehr. Dennoch werde die Akte nicht geschlossen und auch nicht in den Keller oder das Archiv gestellt. „Sie liegt dauerhaft im Zimmer des zuständigen Dezernenten“, sagt Bischofberger – zu jeder Zeit griffbereit.

Die Polizei hatte nach ihren Ermittlungen vor 20 Jahren ein relativ klares Bild des Opfers und seiner letzten Stunden. Der 28-Jährige war immer als ein liebenswerter Sonderling beschrieben worden, in der Stadt bekannt und von niemandem gefürchtet. Freilich trug er zeitweise Frauenkleider oder verkehrte in der Szene der Homosexuellen. Er war ein begabter Pianist und galt als ein friedlicher, freundlicher und hochsensibler Zeitgenosse.

„Er hatte Umgang und Kontakt zu vielen Menschen“, sagt der Staatsanwaltschaft, was für die Ermittlungen Fluch und Segen gleichermaßen sind. Das Problem dabei: Als Motiv, das bei der Tätersuche extrem wichtig ist, kommt vieles in Frage. Bischofberger: Raubmord, Eifersucht, Zufall und Hass auf Homosexuelle. Gerade letzteres kennzeichnete die Ermittlungen wesentlich. Die Täter hatten Blumenstock, der mit 21 Messerstichen getötet wurde, obendrein die Nasenspitze abgeschnitten.

In wochenlanger Kleinarbeit hatten die Ermittler seinerzeit den Weg von Rafael Blumenstock in jener Nacht nachvollzogen und hunderte Zeugen vernommen. 100 Meter vor dem Münsterplatz und etwa 15 Minuten vor der Todeszeit aber endet die Weisheit der Polizei. Gefunden worden war er an jenem Novembermorgen gegen 5 Uhr etwa an der Stelle, wo heute eine Gedenktafel vor dem Kaufhaus Abt in den Boden eingelassen ist.

Mehrere Monate lang hatte eine Sonderkommission an dem Fall gearbeitet, bevor sie im Frühjahr 1991 aufgelöst wurde. Einen Rückschlag mussten die Ermittler auch mit ihrem Versuch hinnehmen, den spektakulären Mordfall ins Fernsehen zu bringen. Doch die damals noch von Eduard Zimmermann moderierte Sendung Aktenzeichen XY blieb versperrt, der Chef höchstpersönlich soll die Ausstrahlung des Falles abgelehnt haben.

Neue Hoffnung keimte noch einmal im Oktober 2000 auf. Die Polizei hatte damals drei junge Männer im Alter zwischen 26 und 32 Jahren ins Visier genommen, gegen die anderweitig ermittelt worden war. Allerdings führten die Recherchen nicht zum Ziel. Wenige Tage später stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder ein.

Wie Bischofberger sagt, könne jederzeit wieder so ein Fall eintreten. Schließlich habe die Kriminaltechnik in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht. So können zum Beispiel am Tatort aufgefundene Spuren heute noch für eine DNA-Analyse genutzt und in die Verbrechensdatei eingespeist werden, die immer abgeglichen wird. „Es ist immer möglich, dass ein Verdächtiger in einem anderen Verfahren plötzlich dieselbe DNA aufweist“, deutet Bischofberger an.