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Kurzgeschichte

easy123 - 46
Fortgeschrittener
(offline)
Dabei seit 09.2008
45
Beiträge
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:04 Uhr
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Der Fernseher war eingeschaltet, das Bier und die Erdnüsse standen auf dem Tisch. Es fehlte eigentlich nur eines.
„Bringst du das Telefon mit, Liebling?“, rief Michael seiner Frau zu, die sich noch in der Küche ein Brot machte.
„Mach ich“, kam die Antwort. „Willst du auch ein Wasser?“
„Nein, ich hab ein Bier. Und jetzt komm endlich der Vorspann läuft schon.“
Der Vorspann kündigte mit aufwendigen Spezialeffekten in HD und Dolby Digital die Regierungswahlen an. Die Titelmelodie hatte zwar nicht gerade Ohrwurmpotential, aber dafür einen hohen Wiedererkennungswert. Für das eingeblendete Angebot, sich den kurzen Jingle als Klingelton herunterzuladen, würden sich sicherlich genügend Interessenten finden.
Daniela kam nun endlich mit ihrem Brot und ihrem Glas Wasser in den Händen, sowie dem Telefon in der Hosentasche aus der Küche und setzte sich zu ihrem Mann auf die Couch.
„Hab ich schon was verpasst?“, fragte sie aufgeregt.
Ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden, schüttelte Michael den Kopf. „Nein nein, sie stellen gerade die Kandidaten vor. Es sind jetzt noch 20, also vier müssen noch gehen.“
Daniela holte das Telefon aus der Tasche und legte es auf den Tisch. Es wurde jetzt bereits seit fünf Monaten gewählt und seit ende Februar liefen die Ministerienshows. Dabei mussten die Kandidaten jede Woche ihr Können in einem der 16 Ministerien unter Beweis stellen. Heute ging es um Gesundheit.
Daniela biss von ihrem Brot ab, während der Moderator, wie jede Woche, die Regeln nochmal erklärte.
„Findest du nicht auch“, wollte Michael wissen. „Dass sich Kathi richtig gut in diesem Amt machen würde?“
„Ist das die kleine Blonde?“, entgegnete Daniela einen Bissen hinunterschluckend.
„Ja, die mit den großen Möpsen.“
„Den operierten Möpsen meinst du wohl.“ In der Stimme der jungen Frau schwang ganz klar gekünstelte Verachtung mit.
Michael konnte ihre Reaktion offenbar überhaupt nicht nachvollziehen. Er beharrte darauf, dass die Kathi sich wirklich gut als Gesundheitsministerin machen würde, denn schließlich wirkte sie unheimlich gesund. Daniela dagegen war der Meinung, dass das ein Job für Miriam Wagner war. Diese war nämlich laut eines Interviews, welches sie vor einigen Wochen gegeben hatte, der Ansicht, dass die gesetzliche Krankenversicherung wieder eingeführt werden sollte, besonders da sich die Gesundheit der meisten Bürger in den Jahren seit Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung rapide verschlechtert hatte. Viele konnten sich einfach keine Krankenversicherung mehr leisten. Miriam Wagner war die einzige Kandidatin, die diese Meinung vertrat. Alle anderen Kandidaten wollten den jetzigen Zustand beibehalten, wenn sie auch zugaben, dass einige Verbesserungen vorgenommen werden mussten.
„Ne, aber die Miriam geht gar nicht!“, gab Michael barsch zu bedenken. „Die hat doch ihren Freund betrogen.“
Daniela war überrascht. „Ach ja?“
„Ja! Das stand doch in jeder Zeitung. In den Nachrichten hatten sie sogar ein Video wo sie mit einem unbekannten zu sehen war.“
Das hatte Daniela in der Tat irgendwie verpasst. Sie war so mit dem Baby beschäftigt gewesen, dass sie für Zeitung lesen und Fernseh gucken überhaupt keine Zeit gehabt hatte.
„Nein, du hast recht. So eine hat wirklich nichts in der Regierung zu suchen“, stimmte die junge Mutter zu, während eben diese Miriam jetzt eingeblendet wurde und charmant lächelte.
„Ha, da siehst du!“, rief Michael aufgebracht. „Wie die schon guckt. Die hat so einen hinterhältigen Blick. Dass uns das nicht gleich aufgefallen ist.“ Er schüttelte tadelnd den Kopf.
Ein weiterer herausstechender Kandidat war Philipp Bauer, der einen Doktortitel in Medizin aufzuweisen hatte, aber eben mit Mitte vierzig nicht mehr so gut aussah wie der zehn Jahre jüngere Kevin Kurz, der auch mal zwei Semester studiert hatte. In den Medien wurde Ex-Model Nadine schon als die nächste Bundeskanzlerin gefeiert. Und jetzt, da ihr wichtigster Gegner der bekennende Liberale Marko sich gerade erst das Bein gebrochen hatte und nun nicht mit auftreten konnte, schien ihr Sieg so gut wie sicher.
Nachdem alle Kandidaten ihre Wahlversprechen gegeben und ihre Testaufgaben erledigt hatten, folgte die Anrufphase. Jetzt durften die Zuschauer abstimmen. Michael trank schnell sein Bier aus, und griff nach dem Telefon, um bereit zu sein. Heute würden zwei Kandidaten raus gewählt werden. Dabei durfte jeder Bürger so oft anrufen, wie er mochte, weshalb es schon mal eine Weile dauern konnte, bis man durch kam. Schließlich riefen für zwölf Cent pro Anruf alle zur selben Zeit an und der jeweils hundertste Anrufer konnte auch noch ein Auto gewinnen. Nachdem Michael es acht Mal versucht hatte, drängte ihn seine Frau, das Telefon abzugeben.
„Jetzt lass mich auch mal, ich bin dran!“, erklärte sie, sich das letzte Stück Brot in den Mund schiebend.
„Warte kurz. Ich bin noch nicht durch gekommen.“
Beim nächsten Versuch klappte es dann endlich und er konnte seine Stimme abgeben. Er wollte ganz klar Miriam Wagner raus haben, auch bei den nächsten zwei geglückten Anrufen. Und auch Daniela entschied sich mit vier Anrufen gegen diese Betrügerin.
Bis die Stimmen ausgezählt waren, zeigte der Sender dann noch eine Expertenrunde bestehend aus TV Größen, Ex-Politikern und bereits rausgewählten Kandidaten, die die möglichen Konstellationen der nächsten Regierung diskutierten und die Vorzüge und Nachteile der übrigen Kandidaten aufzählten. Zu guter Letzt durfte noch jeder der Experten einen Tipp abgeben, welche Kandidaten wohl heute gehen müssten.
“Kannst du dir vorstellen“, bemerkte Daniela, während Promikoch Hans Wurst seine Meinung kundtat, „dass man früher zum Wählen extra in ‘Wahllokale’ fahren musste? Was für ein Umstand. Und dann kannte man die Kandidaten ja auch gar nicht richtig; außer vielleicht von Plakaten. Kein Wunder, dass die Wahlbeteiligung damals so niedrig war. Und man wählte nur den Bundestag, nicht aber die Minister.“
Michael nickte. „Ja. Auf die heutige Weise sind die Wahlen doch viel direkter, wirklich anonym, völlig frei, unbeeinflusst und dazu noch demokratischer. Naja, aber damals hatte man halt wohl noch nicht die technischen Möglichkeiten.“
Ich+Ich
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xx_smoky_xx - 37
Halbprofi
(offline)
Dabei seit 12.2008
347
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:09 Uhr
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kurzer gings nicht mehr oder?
du magst mich nicht, ich mag dich nicht, und wo genau liegt dein problem??
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Oere - 33
Profi
(offline)
Dabei seit 09.2005
737
Beiträge
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:11 Uhr
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es ist wie es ist
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Shany_ - 33
Fortgeschrittener
(offline)
Dabei seit 01.2010
46
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:11 Uhr
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... true true ... also der inhalt
länge passt doch :O
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Dead_Memory - 35
Experte
(offline)
Dabei seit 01.2009
1728
Beiträge
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:14 Uhr
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Sinn eure Beiträge ist gleich null.
Inhaltlich sehr gut, sowie die Wortwahl auch
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39 - 30
Champion
(offline)
Dabei seit 07.2009
7448
Beiträge
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:24 Uhr
Zuletzt editiert am: 20.03.2010 um 18:24 Uhr
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Der Text ist sehr Geil!
Aber für ne Kurzgeschichte wirklich etwas lange...
Aber die Teit wars mir Wert!
Top!
Achtung: Kraftpakets Beiträge sind, egal mit wessen Zustimmung, grundsätzlich unügltig!
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_Gourmet_ - 33
Champion
(offline)
Dabei seit 08.2008
2513
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:31 Uhr
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also muss auch sagen alles schön erklärt es wurde nie langweilig und joa.
echt schön geschrieben großes lob
R.I.P. Du bleibst immer bei uns!!!///gott zur ehr dem nächsten zur wehr
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Frostbyte - 34
Experte
(offline)
Dabei seit 03.2006
1453
Beiträge
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:40 Uhr
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kritischer Blick auf die Gesellschaft. Gefällt mir.
No one is taller than the last man standing
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Krauty - 34
Profi
(offline)
Dabei seit 08.2005
402
Beiträge
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Geschrieben am: 20.03.2010 um 18:45 Uhr
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Zitat von Frostbyte: kritischer Blick auf die Gesellschaft. Gefällt mir.
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Forum / Sonstiges
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