Zitat:
Berlin - Der Vertrag zwischen Union und SPD für eine große Koalition steht. Dies bestätigten die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der künftige Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) am Freitag in Berlin. Die CDU/CSU-Fraktion habe einmütig zugestimmt, sagte Merkel. Am Montag sollen die Parteitage zustimmen. Für den 22. November ist die Wahl der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel zur ersten Bundeskanzlerin in Deutschland geplant.
Der Abschluss der Verhandlungen sei eine "Freude", meinte Merkel. Der Vertrag werde Grundlage für weitere erfolgreiche Reformen in Deutschland sein. Dies könne eine "Koalition der neuen Möglichkeiten" werden. In manchen Bereichen seien Positionen des jeweiligen Partners eins zu eins übernommen worden. Der Vertrag biete auch die Möglichkeit für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
Der vereinbarte Koalitionsvertrag biete eine "echte Chance" für Deutschland, sagte Merkel weiter. Nach Jahren politischer Gegnerschaft wollten beide Seiten Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik schaffen. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber zeigte sich überzeugt, dass beide Seiten jetzt zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit kommen könnten.
Union akzeptiert Reichensteuer
Dem Koalitionsvertrag zufolge wird die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte auf 19 Prozent im Jahr 2007 angehoben. Der Beitragssatz in der Rentenversicherung soll 2007 von derzeit 19,5 auf 19,9 Prozent steigen. Beim Thema Reichensteuer gab die Union ihren Widerstand gegen die SPD auf. Die von Höchstverdienern geforderte Sonderabgabe auf die Einkommensteuer soll jedoch so festgelegt werden, dass Personengesellschaften davon nicht betroffen sind.
Die Steuerfreiheit für Nacht-, Sonntags-, und Feiertagsarbeit bleibt, wie von der SPD gefordert, für die weitaus meisten Arbeitnehmer unverändert erhalten. Nur ab einem bestimmten Stundenlohn sollen künftig Beiträge zur Sozialversicherung fällig werden. Beim Kündigungsschutz deutete sich ein Erfolg der Union an. Die Probezeit bei Neueinstellungen soll dem Vernehmen nach von sechs auf 24 Monate verlängert werden.
Bei den von CDU/CSU geforderten betrieblichen Bündnissen erzielten Union und SPD keine Einigung. Deshalb werde zu diesem Punkt kein Passus in den Koalitionsvertrag aufgenommen, hieß es. Der Streit um den Atomausstieg ist dagegen beigelegt. Am Atomausstieg wird nicht gerüttelt.
"Man hat uns nur Lügen aufgetischt"
Beide Seiten rechnen im kommenden Jahr mit einer Neuverschuldung von 40 Milliarden Euro. Nach Angaben von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wird mit damit die verfassungsmäßige Etat-Grenze zwischen Neuverschuldung und Investitionen um etwa 20 Milliarden Euro überschritten. 2007 solle aber wieder ein verfassungsgemäßer Haushalt vorgelegt werden.
Führende deutsche Manager übten zum Teil vernichtende Kritik an den bisherigen Vereinbarungen. "Man hat uns nur Lügen aufgetischt, das spürt jeder, egal wieviel Einkommen er hat", sagte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking der "Bild"-Zeitung. Sein VW-Kollege Bernd Pischetsrieder fügte hinzu: «Das Land führen heißt nicht, die schlechten Vorschläge von zwei Parteien zu addieren.»
VdK kündigt "heißen Herbst" an
Nach Ansicht der Unions-Mittelständler stehen die bisherigen Ergebnisse im Gegensatz zu allen volkswirtschaftlichen Erkenntnissen. Der Sozialverband VdK kündigt wegen der sich abzeichnenden Einschnitte für Rentner einen "heißen Herbst" an