Forum / Poesie und Lyrik / Kurzgeschichte - Untitled.

Sie löste sich aus seiner Umarmung und lächelte. Dann drehte sie sich um und ging den Korridor entlang.
Von ihm weg... Er schauderte. Sie hätte es ihm sagen können. Hätte sagen können 'Es ist aus.', hätte sagen können
'Ich liebe dich nicht mehr.', doch sie schwieg.
Er sackte in sich zusammen, rutschte an der Wand herunter auf den Boden. Er schloss die Augen, er hielt sich die Ohren zu.
Wollte ihre Silhouette im Schein der Sonne nicht in dem langen Gang verschwinden sehen, wollte nicht hören wie sich
ihre Schritte entfernten.
Als er aufstand war sie verschwunden. Es war still, nur das Ticken einer Uhr war zu hören. Er schaute auf sein Hand-
gelenk und sah die Uhr. Verwundert betrachtete er die Uhr. Die Zeiger standen still, doch das Geräusch wurde lauter.
Er schaute auf...seine Augen weiteten sich vor Freude als er verstand.
Es war nicht seine Uhr, ihr letztes Geschenk, es war das Geräusch ihrer Schuhe. Er drehte sich um und sah sie.
Einzelne Tränen tropften auf den Boden, er rannte. Rannte ihr entgegen...'Ich wusste, dass du...'
Doch da verstand er.
Sie wollte nicht ihn, nein. Sie wollte die Uhr. Wortlos streckte sie ihm die Hand entgegen.
Er löste die goldene Uhr von seiner Hand, schaute ihr ins Gesicht, gab ihr die Uhr.
Sie drehte sich um und ging. Nach wenigen Schritten rief er ihren Namen. Sie drehte sich um.
Ein letztes mal wie sie dachte. Ihr Fehler. Seine Hand traf sie kurz unter dem linken Auge.
Sie fiel. Schlug hart mit dem Kopf auf. Er stand jetzt über ihr und streckte die Hand aus.
Sie hielt ihm die Uhr entgegen, doch mit einem bitteren Lachen trat er ihr die Uhr aus der Hand. Sie flog durch die Luft,
schlug auf und rutschte noch einige Meter über den Boden.
Alle Liebe war blanken Hass gewichen. Die Wut verzerrte die Konturen seines Gesichtes.
Es sollten die letzten Worte sein die sie jemals hörte. 'Ich will die Uhr nicht. Ich will meine Zeit zurück.', mit diesen Worten
holte er aus. Der Tritt traf sie mitten im Gesicht.
Er hörte wie Knochen splitterten und verzog seine Fratze zu einem breiten Grinsen. Er warf den Kopf in den Nacken und
fing an zu lachen, sein Lachen wirkte gequält und wurde durch den Hall des Korridors zu einem barbarischen Schrei.
Es waren Verzweiflung, Wut und Liebe die seine Handlungen steuerten.
Er trat zu. Mit jedem Tritt rutschte ihr Körper ein Stück über den Boden. Sie zog eine Blutspur hinter sich her. Acht mal trat
er zu. Für jeden verdammten Monat einmal.
Bevor er erneut zutrat kniete er sich vor sie und berührte sanft ihren Bauch, sein Gesicht entspannte sich, wurde weich
und mitfühlend.
Er sprach die Worte wie eine Liturgie. Immer und immer wieder, leise und voller Liebe. 'Leb wohl mein Engel.'
Dann stand er auf, nahm einige Schritte Anlauf und trat mit seiner ganzen Kraft wieder gegen ihren Bauch.
Der leblose Körper rutschte über den Boden, sie blieb mit dem Gesicht in ihrem eigenen Blut liegen.
Er drehte sich um...und ging.
Ihr Herz hörte auf zu schlagen. Doch als die Uhr plötzlich wieder anfing zu ticken...erwachte auch ein viel kleineres Herz
zum Leben.
Es war ein Mädchen...

v. Simon