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Forum / Poesie und Lyrik
Augenblick...

Technosau - 44
Halbprofi
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Geschrieben am: 06.10.2006 um 01:38 Uhr
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Dieser Text ist vor 2 Jahren entstanden, Interessierte bitte ich, eine kleine Zeile zu hinterlassen...
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ER:
Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich in dieser Spelunke saß. Wann ich die Zigarette ausgemacht hatte. Ob ich sie ausgemacht hatte. Ob es meine Asche war. In diesem gläsernen Gefäß. Vier Vertiefungen, um meine Asche zu halten. Wenn sie glomm. Dieses unsichtbare Kreuz – alle Himmelsrichtungen – über dem Aschenbecher schwebend, das ich anstarrte. Ich weiß nicht, ob ich dort war. Welcher Tag war, ob es Tag war, was los war, warum es so war, wie es war.
Jemand stieß an den Barhocker, auf dem ich saß, oder nicht saß, denn er sagte nichts, kein Pardon, er war betrunken, und er sagte nichts, sagte nicht die Wahrheit, weil er betrunken war, weil es keine Wahrheit gab, weil ich nicht da war.
Ich weiß nicht, wo ich war. Da war. Nicht da war. Was wahr war. Wusste ich nicht. Ob ich in meine Urne aschte, in eine Urne aschte, ob ich mich mit dem Rauch in Rauch aufgelöst hatte, ob ich geraucht hatte – Hatte ich zuvor gebrannt? Hatte ich jemals gebrannt, bevor ich zu Asche wurde – Brennt nicht alles, bevor es zu Asche wird? Physikalisches Gesetz, dem ich glauben sollte, weil alles in Formeln zu fassen ist, weil jedes Gefühl im Lebenslexikon verzeichnet ist, alles nummeriert, von A bis Z, wie es in China ist, weiß ich nicht, vielleicht gibt es dort mehr Gefühle als sechsundzwanzig.
Ich habe keins. Nicht eins. Alles ist mir verloren gegangen. Alle Zahlen. Alle Daten. Mein Geburtsdatum. Vielleicht bin ich noch gar nicht geboren worden. Vielleicht bin ich gestorben, weil ich gebrannt habe. Es ist kalt. Herbst vielleicht. Ich bin mir nicht sicher. Ich bin nicht mehr sicher vor mir, weil ich nicht mehr bin, wie ich war, vielleicht nie mehr sein werde, bestimmt nicht mehr sein werde, wie ich war und vielleicht gar nicht bin. –
Viel zu viele Stufen hinauf gestiegen, in einen Himmel, der sich verdunkelt, je näher ich ihm komme. Es gibt dort keine Sterne, auch keine Sonne. Es gibt nur Nacht, ganz oben, am Ende der Leiter, die ich umklammere. Ich habe nicht nach unten geschaut. Das bringt Unglück. Sich umwenden, wenn man geht. Nach vorne, immer nach vorne schauen, auch wenn der Horizont nicht weiter wird und lichter erst recht nicht. Diese Treppe, diese babylonische Turmtreppe, hat mir die Sinne verwirrt, den Verstand geraubt, falls ich jemals etwas verstand. Betäubt glotze ich in die schwarze Leere, an deren Stelle ich mir den Himmel gedacht habe –
Habe davon geträumt und ich möchte weinen, da ich die Augen weit geöffnet habe und nicht geschlossen, wie damals, als ich noch an die Sterne glaubte. Ich habe so viel geglaubt, so viel vergessen, so viel aus den Augen verloren. Vielleicht muss ich ganz erblinden, um wieder sehen zu können. –
Auf diesen Stiegen ins Nichts sehe ich mich um und sehe nichts. Vielleicht ist das mein Tod –
Meine Geburt, vielleicht ist das der Punkt. An dem alles zusammenfällt zu einem irrsinnigen universellen Brei und im gleichen Augenblick vereinzelt und außeinanderfliegt ganz still und plötzlich mit einem gewaltigen Schlag ist es der Urknall und alles beginnt alle Uhren laufen rückwärts und vorwärts zugleich es wird Licht und Dunkel ein gigantischer Apfel saust durch den Raum ich tue einen gewaltigen Biss und ein verdammtes Stück Apfel hängt mir im Hals und endlich sehe ich Sterne vor den Augen und ich japse und keuche – huste und spucke es wieder aus – zumindest ein Teil – ein kleines Stück hat sich gelöst, ist dreister Weise meine Speiseröhre hinabgerutscht und nun ist all das in mir was mich an allem zweifeln lässt, auch an dem Apfel selbst. Vielleicht habe ich im Augenblick totaler Umnachtung in einen imaginären Apfel gebissen, dessen Vorstellung mir nun Bauchschmerzen bereitet. –
Vielleicht hat mich auch die Zigarette husten lassen, die ich niemals geraucht habe. Meine ich. Meine Meinung ist generell nicht gefragt, weil Individualität ein Dorn im Auge und Sand im Getriebe ist. – Vielleicht habe ich mich aus Nächstenliebe selbst vergessen, meine Existenz aus Barmherzigkeit sein lassen, um einer universellen Konformität, der neuen spätkapitalistischen Weltseele als unbeschriebenes Blatt zur Verfügung zu stehen. Ich weiß es nicht. Ich habe es vergessen. –
Aber – es fühlt sich so an – ist mir das A der Gefühle geblieben oder das X – als sei ich, unterwegs in den Himmel, gestolpert. Auf halber Strecke, irgendwo auf der Leiter in die Nacht, ist ein Fenster und Kerzenschein dringt durch das Milchglas. Ein Schatten ist dort, hinter den Vorhängen, der auf und ab tanzt. Es ist nicht der Windzug, der die Flamme bewegt und beugt – es ist windstill, hinter der geschlossenen Scheibe. Eine Frau sitzt da. Sie hat dunkles Haar, wie meine Mutter. Sie riecht nach Wärme, dort, hinter dem Milchglas. All die Sterne der Milchstraße sind dort versammelt, hinter dem Fenster. Sie blinken und funkeln im Feuerschein der Flamme, wie die Augen der Frau. Sie ist schön. Das weiß ich. Das ist das Einzige, das ich weiß. Ohne sie zu sehen – ahne sie nur, dort, zwischen all den Spiralnebeln und Planeten. Sie ist warm und sie sieht mich an. Nicht bedauernd, nicht streng. Sie schaut nur. Sie sieht mich. Ich bin. – In diesem einen einzigen Augenblick bin ich. Wie ich bin, was ich bin, was ich war. Sie sieht mich an. Ich spiegele mich in ihren Augen, die tief sind, wie Galaxien, die lodern, wie die Kerzenflamme – sie sind schwarz und lichtdurchflutet zugleich, wie der ganze weite Himmel. Ich bin. Ich bin. Jetzt. Hier. In diesem Augenblick. War nie so deutlich. Nie so ganz. Nie so ganz hier. Aber jetzt. Jetzt. Jetzt. Alles ist gut. Die Welt ist heil. Ich bin im Einklang mit der Welt. Bin ein Klang der Welt. Ich höre mich. Ich höre, dass ich singe, dass ich eine Stimme habe, dass ich etwas zu sagen habe. Ich sehe mich: Groß und schön. Verschmitzt. Fast sonnig. Ich rieche meine Haut, die nach Wärme duftet, wie die der Frau. Ich spüre meinen Atem, der mein Leben ist, fühle mein Herz schlagen Bumm Bumm Bumm, ganz fest und sicher – bin geborgen, geboren in einem dunklen Blick, der mich ins Scheinwerferlicht des Seins getaucht hat. Alles ist gut. Alles ist gut. Ich fühle s. es gibt mehr Worte, als Buchstaben und Ich Ich bin ein solches Wort –
Dann bin ich weiter gestiegen. Ich weiß nicht, warum. Ich habe ein Geräusch gehört. Hinter mir. Auf der Treppe – ich habe nichts gehört – ich habe Angst bekommen, ich weiß nicht warum. Ich habe mich abgewandt von dem Fenster, von der Flamme und alles wurde zu Asche, mit einem Schlag. Mit einem Dröhnen zerfiel die Welt in Bruchstücke, wurde wertlos, weil ich nicht mehr sehen konnte, weil ich mich nicht mehr sehen konnte. –
Ich weiß nicht, ob ich gebrannt habe, in diesem Augenblick, in den Augen der Frau. Ich weiß nicht, ob ich gestorben bin oder geboren wurde und ich weiß nicht, ob es dasselbe ist und es nur zwei Worte dafür gibt, weil es eigentlich keine Worte dafür gibt, weil die Buchstaben unentdeckt sind. Ich habe ich abgewandt, habe den Blick gesenkt, ohne nach unten zu schauen, ohne das Geringste zu sehen und bewege mich mechanisch vorwärts. Vorwärts Vorwärts Hinauf zum Himmel. Aber der Himmel ist nicht oben. Er ist auch nicht unten. Der Himmel kommt ganz zufällig vorbei, ab und zu. Er ist auch nicht in der Mitte. Nicht im oberen oder unteren Drittel. Er ist auch nicht zufällig einfach so da. Er kommt auch nicht daher wie ein Wink mit dem Zaunpfahl oder eine Planierraupe. Er ist ganz schlicht. Wie irgendeine Figur im Hintergrund eines alten Ölgemäldes, die ganz unscheinbar wirkt, aber der Maler hat das Bild eigentlich nur wegen der kleinen Figur im Hintergrund gemalt, weil sie die Einzige ist, die dem Betrachter in die Augen schaut. All der Protz und das Gehabe im Vordergrund dient nur dazu die Aufmerksamkeit des Betrachters auf jene kleine Figur hinzulenken. Ich gebe zu, dass ich mir viel zu oft viel zu wenig Zeit genommen habe, um alle Bilder vor denen ich jemals stand wirklich aufs genauste zu studieren. Aber vielleicht ist das auch gar nicht wichtig, weil es mir einmal passiert ist, dass ich die kleine Figur im Hintergrund entdeckt habe. Und wenn ich noch tausend Mal kleine Figuren in Hintergründen entdecken würde, wären sie nicht ein tausendstel von dem wert, was mir die erste kleine Figur bedeutet. Darum ist es gut, dass es so selten kleine Figuren in Hintergründen gibt. –
Ich habe meine Kleider verloren. Beim Hinaufsteigen. Erst dachte ich, das muss so sein, um ganz neutral und Kind und Mensch im Eigentlichen zu werden. Aber es hat mich nur vergessen lassen, wer ich bin. In der schwärzesten Nacht stehe ich ganz oben auf der Stufenleiter, ganz blind, mit weit aufgerissenen Augen, kann nicht glauben, was ich sehe, denn ich sehe nichts. Kann nicht klar denken, bin zu matt um meine wunden Füße wieder nach unten zu lenken, nach unten, um wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, die zittern vor Anstrengung, vor Angst, vor Sinnlosigkeit. Ich habe mir alle Blöße gegeben und bin nun nicht mehr. Ich bin nicht mehr eisern, nicht mehr verletzlich, ich bin nicht mehr zum Töten bereit, ich bin nicht mehr verliebt. Nicht in mich. Nicht in irgendeine Frau. Ich kenne keine Frau. Ich kenne mich nicht. Ich kenne nichts. Auch das Nichts kenne ich nicht. Alles ist mir fremd., wie der große Unbekannte, der an einem Sonntagnachmittag eine Straße im Wilden Westen entlang reitet, um Rache zu nehmen. Auch wenn er schon längst vergessen hat, warum. Aus Prinzip, verjährt, alles, sein Blick verklärt von falschem Stolz und ehernem Ehr- Getue. Er zieht seinen Revolver. Breitbeinig. Ein Schuss. Peng. Es knallt. Blut spritzt. Ein Anderer sinkt zu Boden. Röchelnd. Mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dann ist es still. Der im Staub ist dankbar. Denn nun hat er vergessen, was er eigentlich wollte. Hier. Auf dieser Welt. Braucht sich nicht mehr zu kümmern. – Der Andere knirscht mit den Zähnen. Steckt ohne mit der Wimper zu zucken den Revolver wieder in den Gürtel. Schnalzt mit der Zunge. Sein Pferd trabt heran, treuer Kumpel, der Einzige in dieser Einöde, schnaubt durch die Nüstern. Der Rächer schwingt sich in den Sattel, Rache ist süß, unsichtbares Zügelzeichen, das treue Kumpelpferd trabt los. Nur eine Staubwolke bleibt auf dem Pfad über der Steppe, Abendrot, Klang einer Maultrommel, dann Mundharmonika, heult den Mond an, es wird Nacht, Schwarz, The End – Warum, weiß ich nicht. Hab ich Eine geraucht, ich weiß es nicht – physikalische Gesetze – wilde Westerngesetze, gerechte Gesetze – wer sagt das – rechte Gesetze, gesetzte Gesetze, ich verstehe es nicht, ich kenne keine Gesetze mehr, ich habe sie alle vergessen, habe alles vergessen. Gesetzlos und vogelfrei stehe ich auf der obersten Sprosse der Himmelstreppenleiter, die in keinen Himmel führt. Das berührt mich auch nicht mehr. Mich rührt nichts mehr. Bin nicht mehr rührig wie früher, da muss ich es wohl gewesen sein, vielleicht war ich es nie, ich bin mir nicht sicher, ich habe kein Sicherheitsbedürfnis mehr. Das Meer würde ich gerne noch mal sehen, das Meer, wenn ich etwas will, dann einmal das Meer sehen, vielleicht bin ich noch solange ich etwas will, etwas – wie ich wohl war, als ich vieles wollte, ob ich jemals vieles wollte, gar alles, ob ich jemals neugierig war oder wissensdurstig oder unternehmungslustig – Ich weiß es nicht. Das Meer Das Meer muss so weit und fern sein, dass ich mich bei seinem Anblick endgültig völlig vergesse – vielleicht kann ich mich so sehr vergessen, dass plötzlich, ganz plötzlich, so wie ein Leuchtfeuer ganz plötzlich in der Nacht aufflammen kann, ein Gesicht in Form einer Welle oder einer Wolke am Horizont des Meeres auftaucht und es ist ein Wolkenwellengesicht, das mich ansieht, mich, vom tiefhintergründigen Horizont des Meergemäldes ansieht. Vielleicht ist es auch ein Gesicht aus Sternen, wenn ich nachts am Strand stehe und über das Wasser schaue. Ein Gesicht aus Funkelsternen und ich sehe mein Spiegelbild in diesen Sternaugen, sehe wieder, endlich mich, dort, weit und schön am Horizont. Vielleicht habe ich einen Stern, der zu mir gehört, wie dieser Augenstern, in dem ich mich spiegele. Vielleicht komme ich von diesem Stern. Vielleicht bin ich selbst ein Stern. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es möglich, von dieser Leiter aus in die Nacht zu steigen und selbst als erster Stern den Himmel zu eröffnen. Ich könnte der erste Stern einer Galaxie sein. Der erste Stern des Universums. Es soll nicht mein Universum sein. Das wäre öde. Es wäre zwar nicht leer, nur mit mir, aber einsam. Ich könnte einfach scheinen und schauen, was passiert. Ob sich jemand die Leiter hinauf verirrt. Oder nicht. Ob da noch jemand ist, der ein Stern werden möchte, weil er endlich sein will. Es ist ganz gleich, wer ich war, ich könnte einfach werden. Was ich mir wünsche zu sein. –
Ich weiß nicht, ob ich eine geraucht habe, oder nicht. Ich weiß nicht, ob ich tot bin, oder nicht. Ich weiß nicht, ob ich fliegen kann, wenn ich springe. Die Physiker sagen nein, aber ich will keine Gesetze mehr. Ich will meine Gesetze. Ich werde ins Nichts fliegen und in der Finsternis ein Stern werden.
Das werde ich tun.
Aber
Ich kann nicht. Meine Füße schmerzen. Meine Gelenke haben keine Kraft zu springen. Sind wächsern. Zerfließen unter meinen Knien. Ich löse mich auf. Fließe die Leiter hinab, zäher Brei aus Blut und Knochen, auf den Boden der Tatsachen. Die nicht existieren. Was ist tatsächlich passiert? Was ist geschehen. Auf der untersten Sprosse. Hatte ich ein Anliegen? Was hat mich bewogen, den ersten Schritt zu tun? Woher kommen meine Füße? Voller Narben sind sie. Als wäre ich lange durch Dickicht gekrochen. Narben. Überall Narben. Schau: Meine Brust. Meine Ellbogen. Gezeichnet von Wunden, die Narben wurden. Mit Graphitstift mit Stahlminen in meine Haut gebrannt. Markiert, aber ich verstehe sie nicht. Woher stammen sie? Was erzählen sie. Ich bin taub. Meine Ohren sind hohl und Echo weht durch die Gehörgänge. Echo, Dröhnen, das nichts sagt, nur betäubt. Meine Vergangenheit ist ein Tinnitus, den ich nicht loswerde. Was klingt unter dem Brüllen und Pfeifen. Sind es meine Schreie, dieser Tinnitus, mein Erwachen, mein Tod, meine Erkenntnis, die ich überschalle –
Das Geschehen löse ich im Kreischen des Tonsturms – Zehntausend Volt- Orkan der meine Existenz davon bläst. –
Saß ich auf diesem Barhocker? Sitze ich auf diesem Barhocker? Oder ist es eine Boje, eine Planke an die ich mich durchnässt klammere, um dem Endgültigen, dem Scheitern, keinen Platz einzuräumen. Aber ich fließe, die Leiter hinab, die morschen Planken entlang, in das Uferlose – Ich ertrage es nicht – Wer bin, auch wenn ich lange nicht mehr bin, niemals diese Zigarette ausgemacht habe. Niemals entflammbar war. – Meine Augen sind entzündet, weil zu viel Staub sie versengt hat, all der Sternenstaub, der ich nicht bin, all der Dreck der Welt, auf dieser fahlen Straße im Wilden Westen wehte er mir ins Gesicht, blendete mich, Pfeilhagel im Auge und meine Mutter, die meine Frau ist, verschwamm hinter dem Milchglas, wurde durchsichtig und schwarz, wie ihr Haar und war nicht mehr und ich lief und lief diese Straße entlang, im Wilden Westen, um Rache zu nehmen, grundlose Rache, die Last meiner Existenz zu rächen, die mich in den Staub gedrückt hat, ich habe mich aufgerichtet und mein Kumpelpferd hat meine matten Augenlider mit seinem warmen Maul berührt und mir seinen tierischen Odem in die Nase geblasen, der mir Hoffnung geben sollte und nicht gab, weil er stank, nach fauligen Rüben und Kohl – ich frage mich in welcher Bar im Wilden Westen ich gesessen habe und nicht rauchte, während mein Kumpelpferd stinkenden Kohl fraß und wieherte, weil es eine Stute roch, im Stall gegenüber. Ich weiß nicht, wen ich erschossen habe, ob ich jemanden erschossen habe, während die Hitze in der grellen Mittagssonne über dem Boden waberte. Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich auf meinen Schatten geschossen –
Der mich verfolgt und nicht weichen will. Der lästig hinter mir her schleicht, seine schwarzen Finger um meine Fußgelenke krallt und zudrückt. Er Er muss sie so zugerichtet haben, meine Gelenke, die ungelenk nun ihrer Fäulnis harren, geschunden, vernarbt. Das Dickicht meines undurchdringlichen Schattens hat mir meine Sprungkraft geraubt, meine Fliehkraft, die meine Fliegkraft war. – Wo ist er? Ich werde ihn lynchen. Den Verräter. Der mich bleiern macht. Es ist zu dunkel. Zu dunkel er hat sich im Schatten der Schatten verkrochen, um sicher zu sein vor meiner Rache, die ich nicht verübt habe, noch nicht verübt habe, mein Gewissen ist rein, wie das der Engel, die auf den Wolken sitzen, aber die Wolken sind schwarz, weil die Finsternis sie verschluckt hat und es zählt nicht mehr, wie leuchtend weiß etwas ist, weil die dunkle Schattenmacht alles eingenommen hat, um die Welt zu verhöhnen. Ich werde mich mit nichts mehr versöhnen, aussöhnen, weil die Schatten alles totgetrampelt haben, selbst das Kumpelpferd ist weg, verschluckt, in irgendeinen gottverdammten Canyon gestürzt. Vielleicht liegt es auch in der Urne, ich habe es geraucht, ich habe ein ganzes gottverdammtes Pferd geraucht. Ich habe Fieber. Ich muss Fieber haben. Die ganze Wüste hat Fieber, darum ist sie so heiß. Ich werde mir Kühlung verschaffen. In irgendeinen grünen Fluss springen, der dickflüssig ist, weil es mein Eiter ist, der Eiter all meiner Wunden, der von meinen Füßen getropft ist, unter der Leiter, irgendwo, irgendwo, wo ich gar nicht war. –
Die Schwalben fliegen tief an diesem Tag, der kein Tag ist, weil es keinen Tag mehr gibt und ich weiß, dass es Regen geben wird. Irgendwann wird es Regen geben. Der den Staub aus meinen toten Augen spült, sie benetzt, die Netzhaut, denn dafür ist der Regen da, um die Wüste fruchtbar zu machen und tausend Blumen werden blühen, ganz gelb und frei unter der Sonne und sich im Wind wiegen, der aus den Galaxien weht, die das E und das F noch kennen, die Freude und unendlich mehr Buchstaben, von denen sie selbst in China noch nichts gehört haben. Der Buchstaben wind wird all die Blumen Worte lebendig singen und allen ein Lied geben, auch mir und ich werde eine Sternenblume in der Wüste sein, eine Sternblume unter dem endlosen Himmelszelt, das so kalt ist bei Nacht und doch hoffen lässt, dass das T vorbei geht und ein zweites T angeflogen kommt mit dem Rost im Schlepptau und sie werden sich lieben, mitten in der Wüste und der Trost wird schreiend auf die Welt kommen, schreien, weil es so kalt ist und trotzdem bleiben, weil er nicht mehr fort kann. Weil er verdammt ist, hier zu sein. Aber manchmal wird er lächeln, weil er weiß, dass er geliebt wird. Trotz allem und gerade wegen allem so über alles geliebt wird. Er wird sich in irgendeine Sprosse einer Leiter verwandeln oder er wird sich hinhocken, auf irgendeinen verlassenen Barhocker in der Wüste, seinen Revolver entladen, ein Bier bestellen und etwas Kohl für sein Pferd, das er „Hope“ nennt, wie es sich im Wilden Westen gehört, seine Sporen werden blitzen, anstachelnd, wenn er sich auf den Hocker schwingt, breitbeinig, mit braungebranntem Grinsen im Gesicht, wie es sich im Wilden Westen gehört. Er wird ein silbernes Gasfeuerzeug zücken, mit einer eingravierten Wüstenblume und sich eine Zigarette anzünden, Zack, Flamme, Glut, tiefer Zug, wie es sich im Wilden Westen gehört. Und er wird rauchen.
Draußen wird ein Käuzchen rufen. Schrill, ohne Tinnitus. Eine stämmige Barfrau mit dunklem Haar wird hinter einer großen Milchscheibe hervorkommen und ihm einen gläsernen Aschenbecher hinstellen, ganz dunkelgrün, mit vier Vertiefungen und sagen: „Howdy !“ Er grinst verschmitzt, wie ein durch die Welt ziehender Narr. Mit einem Funken gesunden Wahnsinn im Augenwinkel, dort, in dieser gottverlassenen Spelunke, irgendwo in der Prärie der Gesetzlosen und rauchen. –
Ich sehe die Zigarette glühen.
IRGENDWO
IRGENDWANN
ER
„Auf diesen Stiegen ins Nichts sah ich mich um und sah nichts.“
A.C.A.B. (www.sysprofile.de/id112612)
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Neros - 37
Halbprofi
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Dabei seit 01.2006
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 11:54 Uhr
Zuletzt editiert am: 07.10.2006 um 11:55 Uhr
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Da ich ja anscheinend der erste bin der sich das hier ganz durchgelesen hat, fasse ich mich kurz:
Meine Begründung: Dieser Text ist in einem Stil geschrieben, der mir nur all zu gut bekannt ist, jedoch nur in Gedankenform.
@ Technosau: Noch nie hab ich den Moment der fliessenden Gedanken, die nicht zusammenhängen, und es doch irgendwie tun, so gut festgehalten gesehen. Das ganze erinnert mich stark an solche Momente in denen man nachdenkt und grübelt um vom einen aufs andere zu kommen, um dann, wenn man beim anderen angekommen ist festzustellen dass man gar nicht mehr weiss welcher Gedanke einen jetzt auf den, bei dem man gerade ist, kommen hat lassen. Und eben diese Grübelei über das Vergessen des einen Gedankens lässt einen den anderen Gedanken auch ganz schnell wieder vergessen. dann sitzt man erstmal ratlos da und fragt sich ob man überhaupt noch denken kann, oder ob es überhaupt sinn macht zu denken, weil man doch alles vergisst. und schon fängt man an wieder weiterzudenken, vom einen zum anderen...
RESPEKT!!!! ich denk wir verstehen einander
confused greetz from NU
Neros
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mummel - 37
Halbprofi
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 12:19 Uhr
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Ich finde es hat sich auf alle Fälle gelohnt den ganzen Text zu lesen.
Er regt zum nachdenken an und ist gut geschrieben. Man braucht eine wenig bis man in den Text reinkommt, aber dann versteht man schon was damit gemeint ist.
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TheSandmann - 36
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Dabei seit 04.2006
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 13:06 Uhr
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Der Text ist sehr schwer zu verstehen... und ich meine, dafür ein wenig zu lang. Man kann sich beim lesen nicht mehr so gut auf das eigendliche Gemeinte konzentrieren... sehr verwirrend. Doch habe ich den Inhalt wol verstanden, und Ich muss sagen, das er mir ausgesprochen gut gefällt.
So ich könnte jetzt Details aufgreifen, doch dann müsste ich den Text großteils wiederholen...
Ich bin jetzt richtig fertig, nachdem ich den gesammten Text gelesen habe... er erfordert viel konsentration und mühe.
Dennoch ein herrausragendes Werk.
Hut ab.
wenn 2*3 10, und 4*8 48 ist, wie viel ist dann 3*7?
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Neros - 37
Halbprofi
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 14:15 Uhr
Zuletzt editiert am: 07.10.2006 um 14:16 Uhr
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ICH glaub ich kenn den Grund warum viele solche verständnisprobleme mit dem text haben, will ihn hier jetzt aber aufgrund von persönlicher unsicherheit nicht aussprechen ^^
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Technosau - 44
Halbprofi
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Dabei seit 07.2006
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 14:45 Uhr
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Dieser Text ist wahrlich schwierig. Ich bin mir dessen bewusst. Aber wie Neros schon sagte, kommt es arg auf den Zustand an (bzw. persönliche Gegebenheiten), wann ich solche Dinge schreibe, bzw. solche Gadanken in meinem Geiste herumspuken... Dieser Text wurde von mir an einem Abend auf Papier gebracht, ohne mir auch nur eine kleine Pause zu gönnen. Ich habe ihn bis jetzt auch noch nicht abgeändert. Wenn ich das tun würde, wäre der Text nicht mehr das was er ist und meine Intension wäre dahin...
A.C.A.B. (www.sysprofile.de/id112612)
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Neros - 37
Halbprofi
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 14:57 Uhr
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und die wahrheit der eingebrachten gefühle ginge verloren... ich hab noch nie versucht gefühle "Dieser" art in schriftform festzuhalten. vllt mach ich mich demnächst mal dran, gelgenheit dazu gibts oft genug ^^
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Technosau - 44
Halbprofi
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Dabei seit 07.2006
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 15:10 Uhr
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Zitat von Neros: und die wahrheit der eingebrachten gefühle ginge verloren... ich hab noch nie versucht gefühle "Dieser" art in schriftform festzuhalten. vllt mach ich mich demnächst mal dran, gelgenheit dazu gibts oft genug ^^
Bitte nicht am Wort Zustand aufhängen! Ich war beim Schreiben von Augenblick absolut bei der Sache...
A.C.A.B. (www.sysprofile.de/id112612)
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TheSandmann - 36
Experte
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Dabei seit 04.2006
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 15:18 Uhr
Zuletzt editiert am: 07.10.2006 um 15:19 Uhr
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Da habt ihr recht...
Einen solchen Text kann man schlecht überarbeiten, bzw an verschiedenen tagen zusammenfügen.
Anderst wie jetzt zb. in meinem Text, "Der Templer". diesen habe ich über insgesamt 3 tage Geschrieben, (inhaltlich) doch habe ich ihn mehrmals umgeändert und verbessert. (wobei ich noch nicht ganz fertig bin)
Deine Art zu schreiben gefällt mir ungemein, ich habe deinen Text jetzt schon 2 mal durchgelesen, und mir gefiel er beim 2ten mal noch besser als bein ersten lesen. Es krisstaliesierten sich während des 2ten mals mehr zusammenhänge und klarheiten heraus... das "chaos" schien geordneter.
Zum schluss mölchte ich einfach nocheinmal die "Klasse" dieses Werkes betonen.
Man könnte meinen es wurde von einem bekannten Autor verfasst.
Ach ja, was deinen schreibstil (in geschichten) angeht, so erinnert mich dieser stark an "Novalis" und bsp-weise an sein werk: "Heinrich von Ofterdingen"
Sandmann
wenn 2*3 10, und 4*8 48 ist, wie viel ist dann 3*7?
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es-ist-juli - 33
Profi
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 22:29 Uhr
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ich drucks mir aus und lese es nachher, ok??
Love knows no color.
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schorshe - 33
Halbprofi
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Geschrieben am: 07.10.2006 um 23:29 Uhr
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wow....bin überwältigt!! wie kann gedanken nur in solche worte fassen?
kompliment!
if i wanted silence, i would whisper
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