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Forum / Poesie und Lyrik
Ein anderes Leben.....

XRatteX
Champion
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Geschrieben am: 17.04.2006 um 20:45 Uhr
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6 Uhr morgens, 30 August. Es pocht an meiner Tür. Langsam öffne ich die Augen und blickte in den Raum. Dunkel, kalt, hässlich, nur ein vergittertes Fenster, ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch, ein Schrank. Primitiv. In einem dunklen Nebenraum ein Waschbecken, ein Klo und eine Dusche, aus der nur kaltes Wasser kommt. Seit 16 Jahren nun wohne ich in dieser Kammer.
Es klopft noch einmal, diesmal heftiger. Hastig steige ich aus dem Bett, gehe zu der Tür und öffne sie. Im Türrahmen steht meine Mutter mit einem Tablett in den Händen. Meine Mutter ist eine kleine, schmächtige Frau, Mitte fünfzig. Sie hat graues Haar, kleine Augen, die mich hasserfüllt anblicken und einen schmalen Mund. Ihre Haut schimmert grau-weiß und ist dünn, fast so dünn, dass man hindurch blicken kann. Wortlos drückt sie mir das Tablett, auf dem eine Tasse Kaffee, eine Scheibe Brot mit Marmelade und eine Serviette liegen, in die Hände. Dann dreht sie sich auf dem Absatz um und verschwindet.
Starr wie ein Stein stehe ich, mit dem Tablett in den Händen in der Türöffnung. Sie hatte es vergessen, wie jedes Jahr. Ich habe gelernt, damit um zugehen, doch dieses Mal konnte ich nicht anders. Dieses Mal traf es mich mitten ins Herz. Mein 16. Geburtstag, auf den ich mich so sehr gefreut habe, der mir, wie allen anderen Jugendlichen wichtig ist, ihn hatte sie vergessen! Ich stoße leicht gegen die Tür, die wenige Augenblicke später mit einem leisen „Klick“ ins Schloss fällt. Achtlos stelle ich das Tablett auf meinen Tisch, der Appetit war mir vergangen. Träge laufe ich ins Bad, wasche mich und ziehe mich an.
6.45 Uhr. Schwerfällig lasse ich mich auf mein Bett plumpsen. Unendliche Trauer und Wut überwältigen mich. Tränen tropfen auf meine Bettdecke. Mein Herz verkrampft sich schmerzhaft. Mein früheres Leben läuft wie ein Film vor meinem inneren Auge ab.
Seit ich klein bin, wohne ich hier in diesem dunklen Raum. Nie hatte ich irgendwelche besonderen Spielsachen, nur einen Bär, der mich bis heute begleitet hat. Meinen Vater und meine Mutter bekam ich nur selte zu sehen. Wenn sie kamen, brachten sie mir entweder mein Essen oder sie forderten mich auf, irgendwelche Aufgaben, wie putzen, waschen, kochen zu erledigen. Sie hatten mir verboten mein Zimmer zu verlassen und hoch zu ihnen zu kommen. Trotz des Verbots stahl ich mich als kleines Mädchen öfters hoch, doch jedes Mal erwischte mich mein Vater und schlug mich brutal. Seitdem schließt er nachts immer mein Zimmer ab. Irgendwann habe ich aufgegeben. Freunde hatte ich nie, ich war eine Außenseiterin. Im Kindergarten und in der Schule haben mich die andern immer verspottet und gehänselt. Ich begann mich immer mehr zurück zuziehen. Ich entdeckte Alkohol und Drogen schon sehr früh für mich. Mit ihnen fühlte ich mich besser. Schon bald wurde ich abhängig, zerstörte meinen Körper weitgehend. Irgendwie kam ich dann doch von ihnen los, das war mit 13. Mit 14 begann ich mir mit spitzten Gegenständen Wunden zu zufügen. Es fing mit einfachen Messern und oberflächlichen Schnitten an und ging weiter bis zu scharfen Messern oder Rasierklingen, mit denen ich mir tiefe Wunden zulegte. Bis heute bin ich nicht davon losgekommen.
Ich bin das unscheinbare Mädchen, das von niemandem gemocht wird, von seinen Eltern wie ein Sklave behandelt wird und nie die Liebe bekam, die einem Kind zusteht. Das Mädchen, das sich selbst zerstümmelt, das von der Freiheit und immer öfter auch vom Tod träumt.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich allein war. Niemand um mich herum. Weinen brach ich auf meinem Bett zusammen, ich zittere am ganzen Körper.
7.15 Uhr. Nachdem ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte nahm ich meine Schultasche und machte mich auf den Weg zur Schule. Dieser Schultag war schlimmer als alle anderen, niemand gratulierte mir, meine Mitschüler hatten es heute besonders auf mich abgesehen und ich wurde zum Direktor bestellt, da ich in Verdacht geraten war eine Uhr gestohlen zu haben. Nach sechs Schulstunden schleppt ich mich nach Hause. Mein Mittagessen stand bereit, wie immer kalt. Auch dieses Essen verschmäht ich . erschöpft lege ich mich auf mein Bett, bald darauf schlafe ich ein.
Wach wurde ich von einem Klopfen an meiner Tür. Meine Mutter, die mir mein Abendessen bringt. Doch auch dieses Essen rühre ich nicht an. Ich sinke zurück in mein Bett und verfalle einem unruhigen Schlaf.
0.01 Uhr. Schwer atmend wache ich auf. Ich hatte geträumt, von der Freiheit. Ein Gedankenblitz durchzuckt mich. Als meine Mutter das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss, da fehlte ein vertrautes Geräusch. Das Geräusch, wenn man den Schlüssel im Schloss umdreht und das das dumpfe „Klock“. Sollte sie etwa vergessen haben ab zuschließen? Hoffnung keimt in mir auf. Ich husche zur Tür und drücke vorsichtig die Klinke nach unten. Sie öffnet sich! Ohne nachzudenken ziehe ich mich an, packe in meine Sporttasche ein paar Kleider, den Bären und das bisschen Geld, das ich mir zusammen gespart hatte ein. Leise schleiche ich mich aus meinem Zimmer und schließe die Tür hinter mir. Ich komme zu der anderen Tür, die in die Freiheit führt. Der Schlüssel steckt. Ich drehe ihn um und trete an die frische Luft. Ich atme tief ein. Dann gehe ich fort, fort von dem Käfig, der mir 16 Jahre meines Lebens raubte. Ich gehe in die Freiheit. Genoss es mich frei zu bewegen. Wohin ich wollte. Ohne Angst zu haben.
0.0 Ich habe das Ortsschild weit hinter mir gelassen, da entlockt sich meiner Kehle ein Schrei. Ich war frei! Ich habe kein Ziel, will nur ein besseres Leben führen, als ich es bis jetzt geführt habe. Die Dunkelheit schluckt mich, ein neues Leben beginnt für mich.
"Die größte Kunst, die man im Leben lernen muss, ist die Wiedergutmachung von Irrtümern."
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 17.04.2006 um 21:25 Uhr
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Wow,erst einmal muss ich erleichtern aufatmen.Das Ende der Geschichte endet sichtlich gut.Ja,der Keafig,wie sehr er mir doch bekannt ist.Diese Erzaehlung ist dir wundervoll gelungen meine Liebste,es ist eine Art Biografie,es erzaehlt dein Leben.Doch ist dir der Sprung in die Freiheit gelungen,oder ist es noch ein unerreichbar weiter Traum???
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XRatteX
Champion
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Geschrieben am: 18.04.2006 um 10:39 Uhr
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Es ist ein Traum, eine Hoffnung, doch leider noch entfernt. Die Mächte halten mich zurück, drängen mich immer weiter in den Käfig rein, dann wieder gelingt es mir, sie ein wenig zu bändigen. Doch schon nach kurzer Zeit haben sie wieder die Oberhand. Doch irgendwann, werde auch ich in die Freiheit entfliehen und nie wieder an den Ort des Schreckens zurückkehren...
"Die größte Kunst, die man im Leben lernen muss, ist die Wiedergutmachung von Irrtümern."
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 18.04.2006 um 11:55 Uhr
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Zitat von XRatteX: Es ist ein Traum, eine Hoffnung, doch leider noch entfernt. Die Mächte halten mich zurück, drängen mich immer weiter in den Käfig rein, dann wieder gelingt es mir, sie ein wenig zu bändigen. Doch schon nach kurzer Zeit haben sie wieder die Oberhand. Doch irgendwann, werde auch ich in die Freiheit entfliehen und nie wieder an den Ort des Schreckens zurückkehren...
Ich hoffe du wirst bald die Freiheit erfuehlen.Vielleicht wird dich bald der Anblick des schoenen Lebens in dieser Freiheit verfuehren,den entscheidenden Schritt zu wagen...
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Ben_Antilles - 35
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:46 Uhr
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Extremst guter text. Ich hoff du findest die dir ersehnte freiheit.
"Können sie mir sagen, wie ich zum Münster komme, oder soll ich mich einfach selber ficken?"
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SummerBreeze
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Dabei seit 05.2005
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:46 Uhr
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Erstmal großes Lob von mir.
Sehr gut geschrieben, und zeigt wenn ich das alles richtig mitbekommen habe ziemlich gut was du zuhause durchmachen musst.
Wenn du mal die chance zur ersehnten Freiheit hast, ergreife sie! Ich gönns dir auf jeden Fall.
Lieben Gruß.
Mo
There are only 10 types of different people. Those who understand binary and those who don't.
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:48 Uhr
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Zitat von SummerBreeze: Erstmal großes Lob von mir.
Sehr gut geschrieben, und zeigt wenn ich das alles richtig mitbekommen habe ziemlich gut was du zuhause durchmachen musst.
Wenn du mal die chance zur ersehnten Freiheit hast, ergreife sie! Ich gönns dir auf jeden Fall.
Lieben Gruß.
Mo
Und wir helfen dir dabei!
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SummerBreeze
Profi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:49 Uhr
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Aber hallo! Und wie wir das Tun!
Kannst dich auf uns verlassen!
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:56 Uhr
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Zitat von SummerBreeze: Aber hallo! Und wie wir das Tun!
Kannst dich auf uns verlassen!
Juhu!Wir sind ein tolles Team!
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SummerBreeze
Profi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:57 Uhr
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Geeeenau... und wär doch gelacht wenn wir ner Freundin nicht helfen und beistehen könnten.
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 15:58 Uhr
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Zitat von SummerBreeze: Geeeenau... und wär doch gelacht wenn wir ner Freundin nicht helfen und beistehen könnten.
Und wie wir koennen!Und wir werden auch!Aber erst ma muss das grosse Liebeschaos in Ordnung gebracht werden!
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SummerBreeze
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 16:00 Uhr
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Jupp.. und wir wissen ja auch schon wie. Zumindest wie wir über diie schmerzlichen stunden weghelfen können, bzw. diese erträglich machen können.
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 16:05 Uhr
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Zitat von SummerBreeze: Jupp.. und wir wissen ja auch schon wie. Zumindest wie wir über diie schmerzlichen stunden weghelfen können, bzw. diese erträglich machen können.
Sag uns bescheit wenn du dich fuer einpaar Stunden losreissen kannst...
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SummerBreeze
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 16:06 Uhr
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Jo, oder wenn wir dich ein paar stunden losreißen sollen...
Wir tun was wir können!
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Zorngeborn - 19
Halbprofi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 16:07 Uhr
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Zitat von SummerBreeze: Jo, oder wenn wir dich ein paar stunden losreißen sollen...
Wir tun was wir können!
Und wir koennen alles!^^
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SummerBreeze
Profi
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Geschrieben am: 19.04.2006 um 16:08 Uhr
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Eben das wollt ich damit sagen... ^^
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