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Forum / Poesie und Lyrik

Moll

JohnPower
Profi (offline)

Dabei seit 09.2010
574 Beiträge
Geschrieben am: 27.02.2016 um 02:31 Uhr

Reite schnell in die stürmsche Nacht!
Reite, sieh, was sie dir bringt, reite! Spür den Wind auf deiner Haut, wie er frisch die Luft erbringt! Spür den Wind in deinem Haar, wie es weht und flattert! Wirf sie fort, die Gedanken an den traur'gen Tag, wirf sie in den Wind und trag sie fort!
Vergiss nie was war, weder heute noch in einem Jahr. Versprich mir nur, dass es umsonst nicht war!
Reite schnell in die stürmsche Nacht!

Ich gehe über den Hauptplatz, will nach Hause, fort. Noch ist alles fremd, noch weiß ich nicht, wohin. Mein Mantel weht, der versprochene Sturm kommt auf. Ich möchte nicht nach Hause. Wo ich bin, es spielt sowieso keine Rolle mehr. Berlin, München, Rom. Wen interessiert das schon. Hier bin ich nun, auf der Brücke, und starre in das Wasser unter mir. Schon spiegeln sich die ersten Sterne, aber der Wind verweht das Wasser, lässt es kräuseln und das Spiegelbild verzerren.
Kurzes Flashback: Geldbruch, Herzbruch, Heimatbruch. Alkoholgeruch, Pläne, Schweiß. Paar Kilo runter, Smartphone gecheckt, ab ins Leben. Vollgas. Lernen, Leben lernen, Leben genießen. Bin ich so? Hab keine Zeit. Hab keine Zeit für blöde Gedanken. Möchte mich in mir selbst verlieren, mich im Leben verlieren. Attacke!
Der Wind weht mir durch die Haare, zerrt an meinen Gedanken und lässt mich schaudern. Vielleicht gehe ich noch ein paar Schritte, das mache ich nun öfter. Aber Musik im Ohr muss sein, auch wenn die Vögel das wohl schönste Lied zwitschern, das Lied vom Leben und der Liebe. Auf einer Bank sitzt ein Pärchen, vielleicht beide 18 oder auch 81, das ist egal. Sie lauschen den Vögeln, andächtig und gespannt auf jeden neuen Ton, wie er denn nun klingen mag. Gehe noch ein Stück den Fluss hinab, habe Lust, die letzte Sonne zu genießen. Heute sogar ohne Musik im Ohr.
Ich laufe, laufe weiter und betrachte. Pärchen auf der Bank, eine Joggerin, eine Gruppe junger Burschen auf ihren Fahrrädern. Der vorderste dreht sich um, während alle gegeinander anreden. Fast fährt er mich über den Haufen, weicht aber noch aus und schreit "Sorry!" über die Schulter. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, wie oft ist mir das selbst schon beinahe passiert. "Kein Ding!" sage ich zurück. Wahrscheinlich hat er es nicht gehört, aber das macht nichts.
Das Lied der Vögel verstummt, wie auch die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist. Es wird langsam kalt, aber ich gehe noch ein Stückchen, denn ich möchte mein eigenes Lied anstimmen. Es beginnt mit Moll.

Altai-Kai.

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