JohnPower
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Geschrieben am: 16.01.2015 um 02:57 Uhr
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1: Stell dir einmal vor, du schreibst selbst eine Geschichte. Sie ist nichtmal so gut, aber lesbar und drückt etwas persönliches aus, was eben gesagt werden sollte. Die Geschichte handelt von einer Liebesbeziehung, ein Standartsetting eben. Wie gesagt, nichts besonderes. Du siehst die Figuren vor dir, hast eine ganz bestimmte Vorstellung von ihnen im Kopf, wie sie nur in deinem Kopf sein können. Und sie passen perfekt zu dem, was du sagst. Deine Idee ist gut, von den wenigen Personen, die du um eine Meinungen gebeten hast, kam nur positives. Du spinnst die Idee also immer weiter, immer weiter, bis ein komplexes Geflecht entsteht, eine ganz eigene Welt. Diese Welt will erzählt werden. Tagtäglich sitzt du an deiner Geschichte, schreibst, löschst, korrigierst und flechtest, weiter in deiner Geschichte. Aber wie das im Leben manchmal so ist kommt dir etwas dazwischen. Die Schule fordert dich mehr als du erwartet hast, deine Freunde wollen auch noch mit dir Zeit verbringen und Mama will sowieso, dass du dich mehr in die Familie einbringst. Das, was eben so passieren kann. Deine Geschichte stockt, der Wille zu erzählen muss beiseite geschoben werden und deine Welt bekommt kleine Risse und bröckelt an den Kanten. Sie verfällt und verschwindet aus deinem Bewusstsein. Langsam, aber stetig.
Bis eine der Figuren Dich fragt, warum Du nicht endlich Autor wirst. Du verstehst nicht, schließlich warst Du nie Autor, vielmehr Erzähler. Auch wenn das formell nicht stimmt. Aber die Figur fragt Dich das, und auch warum Du sie nicht endlich aus der Klemme holst? Und mit einem Schlag ist alles wieder da. Annabel, die schöne, die unglücklich in ihren Märchenprinzen verliebt ist aber eigentlich mit Paul zusammenkommen muss, um Glücklich zu sein, was sie aber nicht weiß; Ronny, der seiner Lena endlich den Antrag gemacht hat und eben Paul, der von der hinterhältigen Esther nur ausgenutzt und betrogen wird... Sie alle sind wieder da. Annabel hat gerufen und alle standen hinter ihr. Nur eine Figur fehlt. Eine fehlt. Die, von der Du dir sowieso nicht sicher warst, ob sie überhaupt vorkommen soll. Sie ist zu real, zu surreal zugleich... Nun ruft jedenfalls Annabel, und Du weißt nicht, was Du antworten sollst. Gute Frage eigentlich, warum habe ich meine 'Erzählung' nochmal vernachlässigt? Achja, klar, Abi undso... und dann das übliche... Naja. Liebe Annabel, lieber Paul, lieber Ronny, liebe Lena und auch Esther, keine Sorge, bald seid ihr wieder an der Reihe, antwortest Du. Doch die Figuren kennen sich, lauthals fragen sie: "Und was ist mit ihr?"
Sie. Wenn das mal so einfach wäre. Wenn alles so schwer wäre, wäre es ganz schön schwer. Du schnaubst über deinen schlechten Wortwitz. Du lässt sie nochmal vor deinem inneren Auge erscheinen. Mittelgroß, blond, nett. Fällt nicht auf, macht aber auch nichts. Soll sie auch gar nicht. Oder macht sie sowieso nicht, je nach dem. Für jede Deiner Figuren gibt es eine Anlehung an eine reale Person. Paul ist glasklar Paul. Lena, das ist die eine Belgierin vom Salkantay-Trek. Annabel ist wie Andrea, auch von da. Nur etwas gemäßigter. Ronny, das ist der Bassist von Hollows. Groß, schlacksig, rote Haare. Ein Ronny eben. Esther ist Esther aus Heidelberg, die war irgendwie genauso.
Und dann sie... keine Figur ist so nahe an der realen Vorlage, keine so weit weg. Keine ist so präzise beschrieben, keine ist so undurchsichtig und ungenau. Und keine, keine einzige Figur ist so komplex. Sie wollte nie Aufmerksamkeit, sie war immer nur eine Randfigur und doch der Grund für alles, für die Geschichte.
Erstaunlich, was andere Menschen in einem bewegen können.
Nach ein paar Tagen sitzt du wieder an deiner Geschichte. Sie ist erzählt, doch du findest kein Ende. Eigentlich lamentierst du seit ein paar Seiten nur noch herum, lässt Momente revué passieren, und zu viele wissen von deinem Projekt, sie fragen dich mehr spöttisch, ob du jemals damit fertig wirst. Eine endlose Geschichte wird es nicht,
das steht fest. Es soll eine mit Happy-End werden. Aber du lamentierst nur herum. Die Gespräche sind festgefahren, nichts geht mehr. Du verzweifelst beinahe, wenn du daran denkst, die Geschichte sei umsonst geschrieben.
Aber vielleicht ist die Zeit auch noch nicht reif für ein Ende. Vielleicht fehlt noch der
entscheidende Wink von ihr. Vielleicht denkt sie so wie du und du hast den Wink übersehen? Vielleicht ist sie
unsicher, vielleicht weiß sie nicht mit allem umzugehen. Vielleicht denkt sie etwas anderes. Du siehst sie vor dir, eine Träne vertrübt deinen Blick. Nur eine. Für mehr gibt es zu viel zu tun, zum Beispiel eine Geschichte zu schreiben. Hier, jetzt, sofort. Die Zeit ist eben doch noch nicht reif für das Ende.
2a: Manchmal hat man Gerüche in der Nase, von Menschen, die stark oder Markant nach Waschmittel oder Parfüm riechen. In meinem Fall ist es Waschmittel, genau das, was meine Oma auch manchmal benutzt. Es ist komisch, so an längst unwichtige Dinge erinnert zu werden.
2b: 'Stell dir einmal vor, du schreibst selbst eine Geschichte. Sie ist nichtmal so gut, aber lesbar und drückt etwas persönliches aus, was eben gesagt werden sollte. Du siehst die Figuren vor dir, hast eine ganz bestimmte Vorstellung von ihnen im Kopf, wie sie nur in deinem Kopf sein können. Und während du nun also an deiner Geschichte arbeitest, sitzt du Gedankenverloren da und spinnst den Faden in eine andere Welt. Bis eine der
Figuren dich fragt, wann du endlich Autor wirst.
Ausgerechnet diese eine Figur. Bei der du dich schon so lange gefragt hast, ob sie überhaupt auftauchen soll. Und nun fragt sie dich, warum du nicht Autor wirst.
Die Figur ist schnell beschrieben, unauffällig. Mittelgroß, blond, nett. Wohnt schon länger nebenan als du denken kannst, zumindest fast. Ist meistens unterwegs, beim kicken hinten auf dem freien Grundstück oder spielt mit der Band, die dein Bruder so toll findet, irgendwelchen Nu-Metal. Du hast sogar mal auf Wikipedia gelesen, was das bedeutet. So ganz hast du es nicht kapiert, aber das ist ja auch egal. Krach eben. In deiner Geschichte spielt sie nur eine Nebenrolle, aber alles andere wäre zu viel gewesen. Allein die Worte zu finden wäre zu viel gewesen... keine Figur ist so nahe an der realen Vorlage, keine so weit weg. Keine ist so präzise beschrieben, keine ist so undurchsichtig und ungenau. Und keine, keine einzige Figur ist so komplex. Sie wollte nie die Aufmerksamkeit, sie war immer nur eine Randfigur und doch der Grund für alles, für die Geschichte.
Erstaunlich, was andere Menschen in einem bewegen können.
Du siehst vor dir, wie die Figur an der Haltestelle steht, beim Essen sitzt und schläft. Beim kicken auf dem freien Grundstrück. Und dann beschließt du, hinauszugehen. Denn die Geschichte hat noch kein Ende, noch ist die Zeit nicht reif für ein Ende. Du gehst hinaus und siehst sie, das Original, in der Realität vor dir, wie sie starr vor Dreck und Schweiß, aber grinsend vom kicken kommt. Und du weißt, es wird nach Waschpulver riechen. Und du weißt, diese Geschichte hat noch kein Ende.'
- Du klappst dein Buch zu, zufrieden mit genau diesem Ende der Geschichte. Und doch weißt du, dass sie nicht wahr sein wird.
3a: Gerade beim spät-pubertenten Masturbieren wird es verdammt schwer, sich nicht an reale Vorlagen zu halten. Dann, wenn der Trieb gerade noch groß genug ist, die Fantasie aber schon weit genug abgebaut hat. Meistens sind es Menschen aus dem Umfeld, Filmstars sind dann doch zu Abstrakt. Darüber könnte man ganze Abhandlungen schreiben und doch zu keinem Ziel kommen.
3b: Du gehst nun also hinaus in die dunkle Straße, die Häuser schieben bei Nacht den Gehweg beiseite und zeigen sich von ihrer hässlichsten Seite, wie sie dunkel und verkabelt mehrstöckig, mit blätterndem Putz, in die Nacht hinaus ragen. Deine Gedanken kreisen um dieses Ende, um das lamentieren. Um diese eine Figur.
Keiner ist mehr auf der Straße um diese Uhrzeit, du kannst deinen Gedanken freien Lauf lassen. Und doch sind sie gebunden an dieses eine Thema, dass dich nicht mehr loslässt. An der Brücke machst du Pause und blickst in das Wasser, bis du glaubst, ihr Gesicht zu sehen. Mittelgroß, blond, nett. Du siehst es so intensiv im Wasser, dass
du glaubst, es sei wirklich da. Und du weißt, du musst nach Hause, deinen Gedanken freien Lauf lassen. Gebunden an dieses eine Thema.
3c: 'Stell dir einmal vor, du schreibst selbst eine Geschichte. Sie ist nichtmal so gut, aber lesbar und drückt etwas persönliches aus, was eben gesagt werden sollte. Du siehst die Figuren vor dir, hast eine ganz bestimmte Vorstellung von ihnen im Kopf, wie sie nur in deinem Kopf sein können. Und während du nun also an deiner Geschichte arbeitest, sitzt du Gedankenverloren da und spinnst den Faden in eine andere Welt. Bis eine der
Figuren dich fragt, wann du endlich Autor wirst.
Nicht einmal DIESE EINE Figur, irgendeine. Du bist schon fast enttäuscht, dass es nicht DIE Figur gefragt hast. Bei der du dich schon so lange gefragt hast, ob sie überhaupt auftauchen soll. Und nun fragt dich irgendeine, warum du nicht Autor wirst.
DIE Figur ist schnell beschrieben, unauffällig. Mittelgroß, blond, nett. Wohnt schon länger nebenan als du denken kannst, zumindest fast. Ist meistens unterwegs, du hast sie schon länger nicht mehr gesehen und ebenso verschwommen ist dein Bild von ihr. Und doch, du siehst sie noch klar und deutlich vor dir, als wäre es gestern gewesen. Und auch wenn dir nicht so genau klar ist, warum, sie fehlt dir. Völlig verrückt, du kennst das Original eigentlich nicht und zugleich doch und es geht auch ohne es, aber mit wäre schöner...
Manche sagen dir, du seist ernster geworden seit du deine Geschichte schreibst. Verschlossener. Reizbarer. Anfälliger. Schwerfälliger. - was alles nicht stimmt, schließlich machst du mehr Sport denn je, bist fleißigerer in der Schule und bist schon seit dem Sommer in deiner Jugendliebe-Beziehung. Es könnte also kaum perfekter sein, und doch. Und doch. Sie wollte nie die Aufmerksamkeit, sie war immer nur eine Randfigur und doch der Grund für alles, für die Geschichte.
Erstaunlich, was andere Menschen in einem bewegen können.
Du hörst draußen einen klappernden Motor, und wieder einmal fragt irgendeine Figur dich, wann du endlich zum Autor wirst. Ganz beiläufig gehst du hinaus, das Original grüßen. Doch es erkennt dich nicht wieder. Und duweißt, deine Geschichte hat ein Ende gefunden.'
- Du klappst dein Buch zu, zufrieden mit genau diesem Ende der Geschichte. Und doch befürchtest du, dass sie wahr sein wird.
4a: Grundsätzlich, wenn man auf den etwas unbekannteren Seiten des Internets seine Zeit totschlägt, betrachtet man irgendwann zwischen Miley Cirus' Sextape und Katzen Gore in seiner Purform. Während man die Bilder angewidert und fasziniert zugleich betrachtet, fragt man sich, ob einem selbst das auch passieren könnte. Bis man dasitzt und auf Wikipedia einen Artikel über Adolf Hitler liest. Und feststellt, dass unsere Zukunft so gar nicht rosig ist.
4b: Nachdem du das Ende geschrieben hast fühlst du dich elend, als wäre dein Herz angebrochen. Nicht zerbrochen, angebrochen. Verwundet, aber nicht tödlich. So wie es dem Soldaten, der neben dir im Zug auf dem Weg nach Hause sitzt, vielleicht passieren wird. Er sieht okay aus, du hoffst dass ihm das nicht passiert. Und sie geht dir nicht mehr aus dem Kopf, diese Figur, oder ihr Original. Also alles beim alten, nur dass du jetzt am liebsten heulen würdest. Aber nur bei den Gedanken. Oder wenn du das Waschmittel riechst. Aber im Moment riecht es nur nach Katzenfutter.
Dies ist die Realität, so ist es und so wird es sein. Du weißt es, du hast es totgeredet. Die Gespräche sind festgefahren, nichts geht mehr. Und du weißt das. Auch der Kontakt wurde immer weniger, seit du fast misshandelt wurdest und das Original dich voller Sorge besuchte. Obwohl ihr euch sogar nochmal gesehen habt, aber das war
falsch. Schlichtweg falsch. Und du bereust es, allein um eben jenen Kontakt willen, wieder ein Mensch der sich wegen deiner Blindheit, deiner Lethargie, deiner Feigheit und deiner Fähigkeit des Totredens aus deinem Leben verabschiedet. Du hast deine Chance verpasst, du nimmst dir vor 'das passiert so nicht nochmal!', aber das ist
eben doch die Realität. Diese eine Realität, die nicht Wahr sein soll. Wenn du dich kneifst, spürst du, wie wahr sie ist. Du überlegst kurz, ob es nicht doch gut ist wie es ist. Und ja, eigentlich ist es das auch. Aber dann wieder dieses Gefühl,
wenn du an das Original denkst..." Wieder einmal findest du kein Ende, du könntest noch ewig so weiterschreiben und würdest kein Ende finden. Das zeigt deine Zerissenheit. Und deine Schwäche. Wütend klappst du deine Geschichte zu und gehst.
5: Ich stehe auf, vom drücken tut mir noch der Kopf weh. Ich muss mich kurz sortieren, betrachte zufrieden mein Werk und stelle ernüchtert fest, dass es stinkt. Ich spüle es hinunter, überlege kurz ob man diese wirren Gedanken nicht auch für einen meiner wirren Texte benutzen könnte. Ich gehe in das Stockwerk unter mir und beginne zu tippen, während meine Gedanken an eine Zeit, eine gewisse Zeit mit IHR abschweifen und meine Hände lenken und alles um mich herum egal wird. Bis ich picdump-seiten aufrufe und masturbiere.
Altai-Kai.
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