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Forum / Poesie und Lyrik
Mothers End

JohnPower
Profi
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Dabei seit 09.2010
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Beiträge
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Geschrieben am: 27.01.2013 um 02:53 Uhr
Zuletzt editiert am: 27.01.2013 um 02:55 Uhr
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Gestrandet in dieser unheimlichen Stadt, verloren und vergessen. Vermissen war hier an der Tagesordung, in Mothers End. Nicht etwa die Lieben zuhause, nicht Familie, Freunde, Bekannte. Sondern das, was für andere normal war. So also liefen alle durch die Gassen von Mothers End. Auf der Suche nach dem, was für andere normal war. Vielleicht auch ist, wer weiß das schon.
Traurig sahen sie aus, die Bewohner von Mothers End. Aber nur in ihren Herzen. Sie alle kamen hierher, nach Mothers End, weil der Ort sehr schön war. An der Küste irgendwo zwischen Wäldern und Wiesen. Im Herbst besonders schön, mit all den bunten Blättern und Farben. Im Frühling sehr grün. Dann waren sie fast glücklich, doch niemand wusste mehr so recht, was glücklich ist. So viele Menschen, und keiner trug den Funken des Glücks im Herzen.
So also sah ich als erstes Kind dieser Stadt meine Welt, sah das alles, gestrandet in Mothers End. Die Menschen in den Zügen sah ich schon gar nicht mehr, ihre Leichenblässe zu ertragen ist wohl das schlimmste hier. Hier und da gab es mal bekannte Gesichter, auch viele Kinder! Aber niemand schien sich daran zu erinnern, wie es mal war, ganz weit draußen, bei den Kornfeldern. Ganz weit draußen.
Natürlich fiel sie mir da auf, wie sie mit ihren rotblonden Haaren durch den Bus wehte. Ich kannte ihren Namen nicht, also taufte ich sie Julia. Eigentlich war an ihr nichts besonderes, Haare wie sie hatten viele. Ihr Körper war nicht von besonderer Eleganz, aber auch nicht plump, so zwischen nichts und allem. Auch ihre Art, ihre Bewegungen waren nie auffällig genug. Und doch schlug sie mich in ihren Bann, und doch raubte sie mir den Atem, zwang sie mich dazu, sie anzustarren, sie zu beobachten, sie zu begehren, sie zu achten.
Es war nicht schwer, mehr über sie herauszufinden, ein paar Sachen wusste ich doch. Jedoch blieb sie immer Julia. Verfolgen wollte ich sie nicht, aber sie verfolgte mich. Nicht physisch, nicht in unserer Welt. Und doch begleitete sie mich beim essen, beim schlafen. Bei allem und meinen Wegen durch die Gassen von Mothers End war sie
dabei, wie ein Fluch, der sich nicht abschütteln lässt, das Damoklesschwert über meinem Haupt.
Sie ansprechen? Unmöglich. Nicht, weil ich mich nicht traute, sondern weil sie wie ich nie allein war. Immer jemand bei ihr, unmöglich. Und ich wusste um meine Art. Diese Stadt, Mothers End, machte nicht nur die Fremden zu feuerlosen Wesen, auch ihre eigenen Kinder. Dabei war sie so schön, vor allem im Herbst.
Eines Tages war es für mich soweit, ich musste gehen. Sie, sie blieb. Ihre Zeit hatte sie noch vor sich. Ich wunderte mich noch lange, wie sie es schaffte, so heiter und trotzdem wie alle zu bleiben. Ich weiß, dass ich sie nie wieder finden werde und doch, ich werde jeden tag, an dem ich sie sehe, feiern und ehren.
(c) JohnPower, 27.01.2013
gewidmet L.
Altai-Kai.
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MrRobot
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Geschrieben am: 27.01.2013 um 03:40 Uhr
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Mal was anderes und eher mein Ding als Gedichte. Gefällt mir
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Dichter_ - 39
Fortgeschrittener
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Geschrieben am: 27.01.2013 um 14:49 Uhr
Zuletzt editiert am: 27.01.2013 um 14:50 Uhr
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Ja, echt hammer.
Ich kenne dieses Gefühl.
Besser ist es die jeweilige Frau wohl nicht
anzusprechen, so bleibt es auf ewig ein Paradies.
The only winning move is not to play
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JohnPower
Profi
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Dabei seit 09.2010
574
Beiträge
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Geschrieben am: 27.01.2013 um 23:55 Uhr
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Danke Wie immer kein Realitätsbezug.
Ich schaue mal, dass ich ggf. wieder mehr Poste. Jetzt im Winter ist ja eine gute Zeit zum schreiben =)
Altai-Kai.
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