Du bist nicht eingeloggt.

Login

Pass

Registrieren

Community
Szene & News
Locations
Impressum

Forum / Poesie und Lyrik

Menschwerdung aus dem Blauen heraus

-billyboy- - 32
Profi (offline)

Dabei seit 04.2006
818 Beiträge

Geschrieben am: 24.01.2013 um 17:19 Uhr

Mit Schritten, weit wie der Horizont von einem sanften Hügel aus betrachtet, eilte ich voran, nur meine beständig vorwärts preschenden, emsigen Füße im Blick, nur die ersehnte Ferne im Sinn. Meine Schuhe mit ihren durchgelaufenen, strapazierten Sohlen trugen mich stets weiter, setzten voller Vorfreude auf den nächsten Meter jedes Mal aufs Neue einen Fuß vor den vorherigen, peitschten mich auf ihren Weg und lockten mich ihren Verführungen hinterher. Ich folgte willig, in der vagen Gewissheit, wenn ich schon den angestrebten Weg nicht fände, er zumindest mich zwangsläufig finden musste.
Der Himmel war grau, Wolken bedeckten die unendlich blaue Wölbung wie dreckige, unreine Farbkleckse eine vormals reine Leinwand, die ein vollkommenes, himmlisches Bild zierte, bedecken. Regentropfen fielen, prallten von meinen angelegten Schultern, meiner gekrausten Nase ab und sammelten sich prasselnd zu großen, rhythmisch zum Metrum des Niederschlags wabernden Pfützen, die unbeeindruckt zu tanzen begannen, bis sie von durchschreitenden Menschen unbeachtet gestört wurden und in einer plätschernden Hektik auseinander stoben. Für gewöhnlich pflegte ich Pfützen zu meiden.
Es trieb mich weiter, gehorsam meinen Schuhen folgend, andächtig meinem Gang lauschend, der mit jedem weiteren Schritt zahlreiche Tropfen, Staubpartikel und Einzeller in die Luft wirbelte und rasch wieder auf den harten, kalten, unnachgiebigen Boden rauschen ließ. Ich fragte mich, ob auch Einzeller Höhenangst empfinden.
Meine Schuhe drängten, ich fügte mich. Schließlich war ich auf der Suche. Wir rasten vorbei an Menschenmassen, doch es schien nur ledrige Hüte zu geben und durchnässte Mäntel, regenbeperlte Regenschirme und abwesende Gesichter. Die Anonymität entwickelte einen dynamischen Herdentrieb.
Niemand grüßte. Ich nahm es kaum wahr, was bedeutet schon eine unpersönliche Höflichkeit, wenn man die vereinnahmende Sehnsucht selbst zum Ziel sich gesteckt hat? Hundert Gedanken und keiner formten sich in meinem Kopf, eifrige Rinnsale abrupt gebremster Regentropfen liefen zu allen Seiten an ihm hinab und benässten hartnäckig mein Hemd, während meine Füße unermüdlich den ihnen zugrunde liegenden Schuhen Folge leisteten. Die Zeit kam mir vor wie ein Glas Wasser im Regen. So viel man auch trinkt, ganz leer ist es niemals. Ich weiß nicht, wie lange ich durch Straßen, Gassen, Feldwege irrte, auf der Suche nach Ferne, der Suche nach Blau, der Suche nach Wut und nach Liebe und mir.
Es drückte im Schuh, zuerst nur im Linken. Nur zaghaft, beinahe schüchtern kündigte sich das Gefühl der Enge an, ausgehend von meinem pochenden großen Zeh, langsam entlang des abgeriebenen Ballens ziehend, bis es beißend und zwickend an meiner erschöpften Ferse mündete. Schließlich schloss sich der rechte Schuh seinem Komplizen an, und ich zog sie aus.
Nur durchlöcherte, blaue Socken trennten meine malträtierten, ausgemergelten Füße noch vom mit kühlem Regenwasser benetzten, verwitterten Asphalt. Ich sah Blau, und dazwischen guckte ein erschöpfter Zeh aus dem Loch. Das Wasser zog sich den Stoff meiner Socken hoch, entlang an den Nähten, vorbei an den Knöcheln, endlich den Saum feucht küssend wie ein stoffgewordener, paradiesischer Wasserfall, der spontanerweise einfach in seine entgegengesetzte Richtung fallen wollte.
Wut durchdrang meinen Körper, meinen Kopf, gekühlt allein von der Konstante des Regens, der noch immer wie selbstverständlich auf meinen Körper klopfte, neckisch mir die Sicht verschwamm, frech mir in der Nase kitzelte. Ich fühlte Wut und fühlte mich freier.
Wie ich unbeteiligt mitten auf einer belebten Gasse stand, war es nur eine unausgesprochene Frage der Zeit, bis mich ein unbedachter, auf sich selbst konzentrierter, seinen Schuhen folgender Mensch anrempeln sollte. Bereits nach wenigen Augeblicken wurde ich angerempelt, und obwohl es weder sonderlich fest noch schmerzhaft war, ließ ich mich zu Boden sinken – nicht wahrgenommen zwar von dem eiligen Passanten, doch den Aufprall, den Dreck, den Regen genießend, sowohl Eindrücke als auch Straßenfluten aufsaugend, tausende Gefühle und Empfindungen vereint in einer grauen Pfütze. Ich begann, die Pfütze zu lieben, die Unmittelbarkeit der Impression, die Wahrheit der Sinne.
Glücklich lag ich da, umschwärmt und umgangen von einer anonymen Herde behüteter Passanten, deren beflissene Schuhe ihnen den Weg kundgaben.
Glücklich lag ich da und der Himmel klarte auf. Ich streckte meine Gliedmaßen von mir und genoss die Freiheit in meinen Füßen.
Ich blickte hinauf in die Ferne und sah Blau und sah mich.

Für Interessierte
Dichter_ - 39
Fortgeschrittener (offline)

Dabei seit 01.2013
42 Beiträge
Geschrieben am: 24.01.2013 um 20:57 Uhr
Zuletzt editiert am: 24.01.2013 um 20:57 Uhr

Sieht aus wie ein Channeling

The only winning move is not to play

Protoscherge - 39
Halbprofi (offline)

Dabei seit 09.2008
263 Beiträge

Geschrieben am: 27.01.2013 um 22:22 Uhr

Zitat von Dichter_:

Sieht aus wie ein Channeling


An sich finde ich Blogs gut... nut wordpress ist mir zu unkompatibel.
Der eigentliche Sinn von einem Blog mit derartigen Inhalten ist es sich selbst zu repräsentieren da ist tumblr ohne nun Werbung machen zu wollen wesendlich besser geeignet nur so als tipp denn dort kannst du auch Musik und Bilder Effektiver und Interessanter zur schau stellen und einbinden. Siehe mein Status und mein tumblr
  [Antwort schreiben]

Forum / Poesie und Lyrik

(c) 1999 - 2025 team-ulm.de - all rights reserved - hosted by ibTEC Team-Ulm

- Presse - Blog - Historie - Partner - Nutzungsbedingungen - Datenschutzerklärung - Jugendschutz -