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Forum / Poesie und Lyrik
5 Sessions

Morrigane
Profi
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Geschrieben am: 28.12.2011 um 21:31 Uhr
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„Ich wusste schon davor, dass diese Straßenbahn in die Luft fliegt. Ich wusste sogar ungefähr, in wessen Tasche der Sprengsatz sich befand. Ich wusste auch, wer überleben würde, wer vor Ort sterben würde und wer im Krankenhaus seinen Wunden erliegen wurde. Ich wusste es von allen, bis auf mich.
Die Ahnung kam plötzlicher, als bei den anderen Ahnungen, die ich von solchen, oder ähnlichen Ereignissen hatte. Sie erreichte mich genau in dem Moment, in dem wir von der Haltestelle abfuhren und war so dringlich, dass ich wusste, dass zwischen ihr und dem wirklichen Ereignis nur Sekunden liegen konnten.“
„Seit die Kralle da ist, bin ich vorsichtiger geworden, beim Betreten des Zimmers bei Nacht. Man muss erst mit dem Arm durch die Türe greifen und das Licht andrehen, ehe man mit den Füßen hineingeht. Denn die Kralle könnte ja dort irgendwo auf dem Boden liegen und zuschnappen, wie eine Falle. Früher gab es ein Zauberwort gegen die Gestalten der Nacht, aber mit der Zeit hat es an Macht verloren. Vielleicht kommen sie nur aus Gewohnheit wieder, oder weil die neurologischen Bahnen die für ihre Erscheinung zuständig sind, schon so festgefahren sind, dass es nur der Nacht und der Kälte bedarf, dass sie erscheinen."
"Ich muss ihm morgen ein Weihnachtsgeschenk kaufen, denke ich nachts. Es ist der 27te und ich fühle mich beschissen. Ich wäre mit Plätzchen zufrieden gewesen, warum schenkt er mir so etwas? Und warum habe ich ihm am Morgen in diesem halbbetrunkenen, halbverkaterten Zustand versprochen, dass er auch ein Geschenk bekommt, nur verspätet, zu Neujahr? Gibt es ein Gesetz, das alle Versprechungen, die man vor 8.00 Uhr und nach 23.00 Uhr gibt für nicht rechtskräftig erklärt? Ich glaube, für Alkohol gibt es das. Das Stechen ist wieder da. Warum soll ich morgen durch die Stadt rennen? Ich könnte doch Lernen, deswegen bin ich doch hier. Es ist verdammt kalt. Ich stehe auf und ziehe den Mantel an. 3 Uhr nachts."
„'Hau ab', brüllt ihr den Angreifer an. Als er nicht loslässt, schlagt ihr ihm mit der einen Hand ins Gesicht und zieht eure andere Hand aus der Umklammerung. Dann rennt ihr davon. Ihr steigt in euer Auto und fahrt nach Hause. Es ist alles wieder gut.'
Der Trainer des Selbstverteidigungskurses schwieg noch eine Weile, bevor er uns erlaubte, die Augen wieder zu öffnen und ich versuchte in dieser Zeit mit aller Anstrengung die Figur, die in meiner Vorstellung ich sein sollte von dem Angreifer zu lösen. Aber bei aller Willenskraft gelang es mir nicht. Die Figur, die ich sein sollte, prügelte weiter, bis der andere am Boden lag und trat in sein Gesicht, bis es ein blutiger Matsch war. Ich kannte den Kerl nicht.“
"Sie will nicht mehr einschlafen. Der Grund ist die Geschichte, die ich ihr erzählt habe. Warum musste ich ihr eine Gespenstergeschichte erzählen. Andererseits: Wer glaubt mit vier noch so einen Müll. Gespenster, weiß und in Bettlaken gekleidet, huuu, huuuu! Als ich drei war, habe ich mir schon vor Leichen gefürchtet und nicht vor so dämlichen Tüllflatterwesen. Wobei ich zugeben muss, dass ich mich auch vor Steckdosen gruselte. Bis ich diesen Traum hatte, von der freundlichen Steckdose am Staubsauger. die mir kleine Aufkleber geschenkt... Jetzt weint sie schon wieder.
Ich sage, dass es keine Gespenster gibt. Glaubt sie nicht. Da hinten sei doch eines. Das sei eine Decke, sage ich. Glaubt sie nicht. Na gut, Strategiewechsel. Ich erzähle ihr, dass es auch gute Gespenster gibt, jaaa, so wie Feen und Elfen und Engel und die ganze Kacke und dass das hier ein liebes Gespenst sei, dass auf sie aufpassen würde. Ich erzähle und erfinde und als mir schon ganz schlecht von dem ganzen Müll ist, stelle ich fest, dass sie gar nicht mehr im Bett liegt. Sie muss irgendwann während meiner Rede aufgestanden sein..."
Lecker Senf für alle!
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I3I_4CKNINJ4 - 35
Experte
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Dabei seit 06.2005
1618
Beiträge
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Geschrieben am: 29.12.2011 um 10:33 Uhr
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Aua. Irgendwie kommen da die Erinnerungen hoch, die ich verdrängt hatte: Der Film Session 9. Schon vom Titel ähnlich, und dann so viele Ähnlichkeiten im Text.
Dennoch verstehe ich hier nur wenig. Die 5 Personen - oder sind es nur Tagebucheinträge der gleichen Person? - hängen ja offensichtlich etwas thematisch zusammen. Nur den ersten verstehe ich nicht ganz.
Ich habe Angst vor dem Tod, doch wenn ich sterbe, dann freue ich mich darauf
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Morrigane
Profi
(offline)
Dabei seit 07.2006
955
Beiträge
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Geschrieben am: 29.12.2011 um 10:57 Uhr
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Zitat von I3I_4CKNINJ4: Aua. Irgendwie kommen da die Erinnerungen hoch, die ich verdrängt hatte: Der Film Session 9. Schon vom Titel ähnlich, und dann so viele Ähnlichkeiten im Text.
Dennoch verstehe ich hier nur wenig. Die 5 Personen - oder sind es nur Tagebucheinträge der gleichen Person? - hängen ja offensichtlich etwas thematisch zusammen. Nur den ersten verstehe ich nicht ganz.
Den Film kenn ich nicht. 5 Sessions ist hier die Entstehungsweise. Ursprünglich war das eine Ideensammlung, in der die Ideen knapp skizziert werden sollten. Zwischen den Textabschnitten liegen oft Wochen. Auch wenn keine Zusammenhänge geplant waren, gingen die Texte doch irgendwie Verbindungen ein. Eher lockere zwar, aber man kann sie doch irgendwie zusammen lesen. Das fand ich interessant.
Lecker Senf für alle!
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