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Forum / Poesie und Lyrik

Horrorfilme

I3I_4CKNINJ4 - 35
Experte (offline)

Dabei seit 06.2005
1618 Beiträge

Geschrieben am: 19.09.2011 um 22:12 Uhr

"Wahrscheinlich wird man uns für zwei Schwule halten...", sagte Jo, zog die Tür zu und lief los.
Natürlich. Was sollte man sonst von einem Dicken und einem Schmalen halten, die mitten in der Nacht zum Laufen gingen. Der eine - wohlbemerkt bei 9 Grad Aussentemperatur - mit einem grellorangenen Handtuch lässig auf der Schulter getragen, dackelte dem anderen, der nur mit einer eng anliegenden Badehose bekleidet war, hechelnd hinterher.
Aber so ist es nunmal: Assoziation beruht auf der einfachen Annahme unsereiner jedweden Gehirns, dass sich alle Dinge irgendwie ähneln. Ein näheres Verstehen von Dingen oder eine entsprechende Hintergrundsuche verlangt mehr als nur ein flüchtiges Beobachten.
Hierbei wollten die beiden Jungs nur eine runde Laufen gehen und auf dem Rückweg am nahegelegenen See testen, ob der angebrochene Herbst noch ein paar Schwimmzüge zulassen wollte.
Ohne Zwischenfälle liefen sie in gemächlichem Tempo die kleine sechs-Kilometer-Runde, diskutierten derweil noch über Brüderfrieden oder -hass und kamen der allgemeinen Sommerliegewiese der Provinzstädter langsam näher.

Stimmlos bewegte die Wiese nur ihre Gräser unter den geläufigen Schuhen. Glasklar leuchtete die Schwärze aus dem flüssigen Nass. Betreten schaute der Schmale auf den dunklen Spiegel.

Es war sein Vorschlag gewesen. Und er war es auch, der es sich als erstes traute, die harte, unbewegte Fläche als erstes zu durchbrechen. Er sprang in das schwarze Loch, war anfangs noch rein materiell durch die schöne Abkühlung berauscht und empfand glucksende Heiterkeit gegenüber dem Dicken, der mit allen Gebärden gegen den Sprung in den leeren, seichten, schwarzen Raum sprach. Vielleicht sollte es dieser kurze Rausch der Überlegenheit sein, der ihn am Ende rettete.

Der Dicke sprang und zersprengte damit jede Ruhe, die der Schmale noch gebot. Die Wasserspritzer gingen nieder, die Wellen verebbten und es war wieder stille, leise, schwarze Nacht.

Nur ein paar Züge sollten es werden. Aber diese paar Minuten reichten aus, um das steinerne Gemüt des Dünnen zu schmälern, seine Zufriedenheit und Ruhe zu erdrücken. Viele unguten Gedanken, viele bestialische Werke von kranken Menschen waren ihm eingepflanzt worden durch die gemeine, alles infizierende liberale Marktwirtschaft, die keinen Horrorfilm verbot. Er merkte, wie diese Bilder ihn langsam von unten, von den stillen, schwarzen Wellen durchdrangen.

Dann fing der Dicke zu erzählen an.
Jetzt kamen die Bilder nicht mehr von innen. Von außen wurde er mit Angst beworfen, erdrückt, durchflossen, mit Schwärze beschmückt. Dieser, ja eigentlich viel jüngere, erzählte auch von bösen Taten und bestärkte nun das klemmende Gefühl im anderen, dass sie doch irgendwas beobachtete.

Sie waren fast nackt, allein und in der dunkelsten Nacht gefangen im See. Und nur er, nur er konnte wissen, dass etwas dort draußen im Trockenen nach ihrem Blut lechzte.

Wenn der Dicke nicht aufhören würde, mit dem schrecklichen erzählen würde er das erdrückende Schwarz nicht besiegen können. Und er wusste, ja, er wusste ja von dieser Fähigkeit. Dass er alles, was er dachte mit Sicherheit zu sich zog, das alles, auch so geschehen sollte, würde, müsste.

Er suchte nach einer Lösung, nach Befreiung, nach Erlösung, er musste sich befreien... "Tauch ab..." flüsterte etwas in ihm.

Mit den Händen das Wasser wegschiebend betrachtete er das ungewisse Nass unter ihm: Bewegungslos, dunkel, schwarz.

In seinem Inneren formte er eine Bitte, die aber gleich hinterfragte: Würde die Schwärze ihn retten vor der Angst?

Aber die Bitte liess schon vieles verfliegen. Er erkannte: lieben war die Lösung.

Der Schmale holte Luft und tauchte ab, zog sich mit Armen und Beinen durch die Dunkelheit, durch die Stille und lernte lieben, atmen, leben.

Gar entzückt lächelnd saß der Dicke auf dem Steg, das weit ins Wasser reichte, als der Schmale keuchend auftauchte, ihm aber nicht mehr aufgewühlt entgegen blickte.

"Keine schlechte Trainingsmethode, Jo, Respekt, du hast mich fast besiegt, sagte dieser, als er wieder zu Atem kam.

Ich habe Angst vor dem Tod, doch wenn ich sterbe, dann freue ich mich darauf

Eleyna_ - 40
Halbprofi (offline)

Dabei seit 08.2009
188 Beiträge

Geschrieben am: 19.09.2011 um 22:19 Uhr

ich find das absolut herrlich :-)
Anfangs dachte ich: gut bisschen zu gut "bildlich" beschrieben aber je weiter man liest desdo mehr kann man sich drauf einlassen und mitfühlen.
:daumenhoch:


Gun robh dion air t-ionmhas.

Alexx91 - 33
Champion (offline)

Dabei seit 04.2007
13611 Beiträge

Geschrieben am: 19.09.2011 um 22:24 Uhr

Hmm, sieht nach einem Sinnbild für die Entscheidung zwischen Freitod und einem Leben, dass man erst lieben lernt, aus.

Schön geschrieben, der Dicke macht mir ebenfalls bisschen Angst. Menschen bis zum Äußersten zu treiben, damit sie das Leben zu schätzen wissen, wäre keine psychologische Keule, die ich bei einem Menschen wie dem Schmalen anwenden würde.

This is how an angel dies, blame it on my own sick pride.

-music4life
Profi (offline)

Dabei seit 10.2010
583 Beiträge

Geschrieben am: 19.09.2011 um 22:26 Uhr

T O L L :))

ツ ᶤ ᶫᵒᵛᵉᵧₒᵤ 1 think, 2 do, 3 words, 4 you.... i love you :)

I3I_4CKNINJ4 - 35
Experte (offline)

Dabei seit 06.2005
1618 Beiträge

Geschrieben am: 20.09.2011 um 13:11 Uhr

Aaargh... Mir fehlt wirklich wieder einmal die Übung. Bis zum äußersten habe ich hier höchstwahrscheinlich nur die Wiederholung des Wortes "schwarz" getrieben. Zu oft, viel zu oft liest man es in den Zeilen.
Ich habe in dieses Forum immer nur Rohfassungen gestellt, nur kein einziges Mal überdachte oder überflogene Texte. Das sollte ich wohl nur praktizieren, wenn ich wieder in Übung bin.

Ich habe Angst vor dem Tod, doch wenn ich sterbe, dann freue ich mich darauf

Morrigane
Profi (offline)

Dabei seit 07.2006
955 Beiträge

Geschrieben am: 23.09.2011 um 19:30 Uhr

Zitat von I3I_4CKNINJ4:

Aaargh... Mir fehlt wirklich wieder einmal die Übung. Bis zum äußersten habe ich hier höchstwahrscheinlich nur die Wiederholung des Wortes "schwarz" getrieben. Zu oft, viel zu oft liest man es in den Zeilen.
Ich habe in dieses Forum immer nur Rohfassungen gestellt, nur kein einziges Mal überdachte oder überflogene Texte. Das sollte ich wohl nur praktizieren, wenn ich wieder in Übung bin.


Im Durschnitt nur einmal pro Abschnitt - das sollte reichen um die Dunkelheit im Bewusstsein des Lesers aufrecht zu erhalten, ohne für Langeweile zu sorgen.

Lecker Senf für alle!

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