I3I_4CKNINJ4 - 35
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Geschrieben am: 09.12.2010 um 21:03 Uhr
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Mal zum Vergleich, wie ich schreibe, wenns wirklich mit Stift und Papier ist - dem Stift davon- oder hinterher rennend, weil das blöderweise nur so langsam geht...
"Heute", sagte Pan gellassen und hob seinen Arm in die Luft, "sollte der Tag sein, an dem die Menschen aufstehen und für den Urknall applaudieren."
Er machte einen Schritt nach vorne, wodurch sich die vielen Kiesel unter seinen Füßen verschoben, dabei Geräusche machten und sich gegen den Teer darunter drückten.
Rai stand mit breiten Beinen daneben und lächelte sanft in den Sonnenaufgang: "Lasst uns die Flügel preisen, die uns die ersten Fluggeckos vererbt haben", sagte er und setzte einen Fuß auf die metallene Kante, die das Plateau begrenzte.
Leora hatte eine Hand in die Hüfte gestemtt, die andere vollführte einen Halbkreis dem Sonnenball entgegen: "Für eine Welt ohne Bildschirm!", schrie sie und setzte beide Füße auf die Kante, ohne dabei dem Metall die Chance zu geben, einen Laut zu machen.
Maki leuchte seine ganze Lebenskraft durch die Augen heraus und blickte dabei Leora an: "Ein Feuer, dass aus vulkangeborener Esse Flammen mit sich trägt..."
"... die mit kristallenen Eisfängen hinausschwimmen in die Ewigkeit", fügte Timam hinzu.
"Es geht los", flüsterte Leora mit einem Blick zu Pan, der ihr zugenickt hatte. Dann sprangen sie. Allesamt gingen sie in die Knie, nach vorn gebeugt und drückten sich ab.
Eine Regenbogensilhouette vor dem starken Rot am Horizont - allesamt wirkten sie wie fünf Bälle in der Luft, die mit den Armen ruderten, die Füße bis zur Brust hoch gezogen, ein wunderschönes Schau- und Farbspiel. Pan in weiß, Rai in grün, Leora rot, Maki blau und Timam schwarz.
Sie sprangen von einem hohen Dach eines Hauses in der Stadt an der Donau zum drei Meter entfernten und 3 Mannshöhen daruntern liegenden nächsten Dach, landeten sanft, die Knie geschlossen, nach vorne fallend über den gekugelten Körper hinweg, rollten wieder auf die Beine und rannten los.
Das Flachdach vor ihnen war etwa dreißig Meter lang, ein langes rechteckig, mit nur kleinen Einbuchtungen links und rechts von ihnen. Dort befanden sich auch die insgesamt fünf Antennen, die nun von den schwebenden Gestalten angepeilt wurden.
Jeder Schritt war ein Kunstwerk mit dem Ziel den größten Teil des Aufpralls in die Muskeln und nicht in die Gelenke zu laden. Dabei verwandelte sich jedes Auftreten in einen Fluss, und der Körper, der über den Boden rannte, schien mit dem Gestein zu verschmelzen: Es gab keine Ecken und Geräusche. Fast gleichzeitig sprangen sie über die Einbuchtungen, schnitten mit den speziell geschliffenen Messer die Kabel hindurch und rissen die Satellitenschüsseln noch im Sprung aus der Verankerung. (Nur ein Molekül breit war die Idee des Messers - dann schneidet es durch jeden Stoff...) Handy-Empfangsmasten, W-Lan-Spots und Fernsehrer-Empfangsschüsseln. Schon nach wenigen Sekunden sprangen sie bereits auf das nächstfolgende, ein Meter höher liegende und 8-Fuß entfernte Dach zu. Im Sprung schrie Maki: "Media-Markt in der Beethoven-Straße?" - die Antwort war ein einstimmiges: "Ja."
"Okay, in 7 Minuten."
Und plötzlich stoben die Farben auseinander, jeder sprang an einem anderen Ende des Daches hinunter, kletterte oder rollte sich auf einem anderen Dach ab.
Maki flog etwas weiter über die vor ihm liegende Dachkante, drehte sich im Sprung, riss die Arme herunter und liess sie auf der Kante liegen. Er hatte Recht gehabt: die etwa handflächenbreite Auflagefläche war sehr rutschfest, aber auch nicht so sehr, dass es ihm gleich die Hornhaut spaltete. Die Füße, die zuerst wie ein blauer Strahl nach hinten hinausgeschossen waren, wegen der überschwenglichen Bewegungsenergie, wurden nun durch den festen Angelpunkt gegen die Wand gerissen.
Maki sah etwas links unter sich einen Balkon. Dazwischen lag ein kleiner, etwa ellenlanger Vorsprung, so etwas wie ein Wasserspeier. Der in blaue Jogginghosen gekleidete zog sich an die Kante heran, setzte den rechten Fuß etwas höher und sprang nach links. Sein rechter Fußballen landete kurz auf dem ihm entgegengrinsenden Mini-Gargoyle, verminderte die Fallenergie und weiter ging es, hinab zur Kante der Hochterrasse.
Wieder landete er mit den Händen, diesmal am Balkongeländer, die Füße gegen die untere Betonkante gedrückt.
Hinter sich, etwas tiefer lag noch einmal so ein Balkon.
Er hüpfte mit einer Drehung hinüber, wollte sich wieder am Geländer festhalten, doch es passierte das Unmögliche: Die Eisenballustrade wurde herausgerissen, und der Beton unter seinen Füßen brückelte etwas ab, wodurch er mitsamt dem Geländer rückwärst Richtung Boden fiel.
Arm zertrümmern, oder nicht? Arm zertrümmern, oder nicht?
"Ich brauch den Arm noch", dachte er, als er reagierte.
Die Fußgänger waren bleich im Gesicht, als sie dieser blauen Flamme in die Augen sahen, wie sie zusammengekauert - die Knie an der Brust, die Hände neben den Füßen unter totaler Spannung, keine Regung zeigend, - diese Augen so desaströs herausfordernd - dasaß, als nur einen halben Meter hinter ihr ein vierzig Kilo schweres Stahlgeländer sich mit einem lauten Knall in den Boden laminierte.
Erst als er stürzte, hatte er ihr Blickfeld gestriffen. Ein rückwärts Fallender, mit einer Eisenfalle über sich. Erst schien er sich seinem Schicksal hinzugeben, dann wurde er plötzlich - es schien wie von Geisterhand - von der Hauswand weggedrückt, den Oberkörper voraus. Die Beine zog er blitzschnell hinterher.
Nun war er bereits losgesprungen, über die Straße hinwegschwebend und aus ihrem Blickfeld verschwunden.
Anmerkung:
1. Nicht nur Ulm liegt an der Donau...
2. Das mit dem Arm zertrümmern ist eine Technik mit der Meister der Bewegungssportarten von bis zu 20 Meter auf Beton fallen können und dabei nur einen ihrer Unterarme opfern müssen.
3. "Fluggeckos" - Bild zu Jostein Gaarders "Maya - oder das Wunder des Lebens"
Ich habe Angst vor dem Tod, doch wenn ich sterbe, dann freue ich mich darauf
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