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Forum / Poesie und Lyrik

Valerie (Laila)

Morrigane
Profi (offline)

Dabei seit 07.2006
955 Beiträge

Geschrieben am: 12.08.2010 um 18:43 Uhr
Zuletzt editiert am: 14.01.2013 um 22:10 Uhr

"Komm wieder runter.", habe ich befohlen. Es war der zweite Anlauf, nachdem es als Bitte versagt hatte. Aber offenbar in ich weder ein guter Diplomat, noch ein guter Diktator und beide Strategien hatten reichlich wenig Erfolg. Leila wandelte ungerührt und mit traumwandlerischer Sicherheit den Dachbalken entlang. Sie hatte eine trotzige Kaltblütigkeit. Ich wiederholte meine Forderung, diesmal als kläglichen Abklatsch eines psychologischen Überzeugungsmanöver.
"Bitte, Leila. Es ist scheiß rutschig dort oben. Selbst wenn du nicht springst, kannst du dir alle Knochen brechen beim Aufprall."
Ich war mir nicht sicher, ob ich zu ihr durchkam, aber auf ihrem Profil zeigte sich ein Lächeln voller Genugtuung. Sie setzte zu einem provokanten Sprung an und landete sanft wie eine Ballerina einen Meter weiter auf der Kante.
"Leila!", hatte ich geschrien, als sie gesprungen war und das Wort war bei ihrer Landung noch nicht verhallt. Es war ein wenig zu laut für die Nacht. Sie wendete mir ihr blasses blickloses Gesicht zu und ihr Mund verzog sich zu einem Grinsen. Sie sprang erneut. Diesmal traf ihr rechter Fuß die Kante nicht ganz genau und sie musste eine gefühlte Minute lang mit den Armen rudern, wobei sich ihr Oberkörper mehrmals erschreckend weit über den drohenden Abgrund beugte.
"Ich weiß, dass du mich nur provozieren willst.", probierte ich es.
Sie sah mich sehr kalt an und streckte einen Fuß weit in die Luft.
"Woher willst du wissen, ob ich nicht spring?", fragte sie spielerisch.
"Weil du dein Leben liebst.", erwiderte ich fest. Es war eine Behauptung, die sich auf keinerlei Beweise stützen konnte, aber mir gelang es irgendwie, sie so selbstbewusst auszusprechen, als vertraute ich auf diese Tatsache.
"Gut beobachtet.", stellte sie anerkennend fest: "Komm endlich rauf!"
"Nein.", protestierte ich.
"Ach komm schon, Liebling.", hauchte sie mit heiserer Stimme. In der Art, wie sie den Satz betonte lag eine naive Ironie. Manchmal erinnerte sie mich an einen Papagei der ohne zu Denken Sätze wiederholte, die er irgendwo aufgeschnappt hatte. Ich wusste nie, wie bewusst sie solche Klischees verwendete, aber oft gewannen die Sätze durch ihre raue Stimme einen unheimlichen Unterton.
"Stell dir vor, ich sei ein Engel.", flüsterte sie schwärmerisch und breitete die Arme aus. Sie beugte sich so weit nach vorne, dass sie erneut zu schwanken begann und fing sich wieder. Dann, offenbar von ihrem Mut erschöpft, setzte sie sich auf die Kante und ließ die Beine baumeln. Wir schwiegen etwa eine Minute lang.
"Ich bin auch ein ganz schön suizidales Ding.", stellte sie schließlich befriedigt fest, als sie aus der Rolle schlüpfte.
"Ja, das hast du wohl recht."
"Das heißt, du kennst Valerie nun auch.", sagte sie: "Immer wenn ich Valerie bin, dann bin ich so wie jetzt."
"Ich möchte Valerie nie wieder bei dir begegnen.", erwiderte ich ernst.
"Ach, die kommt und geht, wie ich will.", stellte sie klar: "Aber wenn du sie nicht magst, dann schick ich sie fort, wenn sie kommt."
Sie hatte aus irgendeinem Grund die Augen fest zusammengekniffen. Ich wusste daher nicht, wer sie im Moment war. Sie hatte Dianes wilde Haare und Saras weiche Lippen. Aber ich wusste nicht, hinter welcher der Masken sie sich gerade zu verbergen versuchte, oder in welche sie sich zu verwandeln versuchte. Es war einer der wenigen ehrlichen Momente und ich wagte es mir einzubilden, so, wie sie jetzt da saß, wäre sie in echt. Aber sie hatte zu viel von einem Kind, um sie lieben zu können.

morrigane
2010

Lecker Senf für alle!

-thoughtless - 29
Profi (offline)

Dabei seit 01.2010
638 Beiträge
Geschrieben am: 12.08.2010 um 18:49 Uhr

ich finds eigentlich sehr schön. aber ich blick des nicht, mit ''mal bin cih Valerie - mal nicht''..

Yunami - 29
Champion (offline)

Dabei seit 01.2008
2261 Beiträge

Geschrieben am: 12.08.2010 um 18:50 Uhr

wow. *-*

Per aspera ad inferi.

Morrigane
Profi (offline)

Dabei seit 07.2006
955 Beiträge

Geschrieben am: 12.08.2010 um 18:53 Uhr

Zitat von -thoughtless:

ich finds eigentlich sehr schön. aber ich blick des nicht, mit ''mal bin cih Valerie - mal nicht''..


Ich glaube entweder, sie weiß selbst nicht genau, wer sie ist, oder sie versucht sich selbst zu entkommen.

Lecker Senf für alle!

Yunami - 29
Champion (offline)

Dabei seit 01.2008
2261 Beiträge

Geschrieben am: 12.08.2010 um 18:58 Uhr

ich hab's so verstanden, dass diese "Valerie" ihr anderes Ich ist.
Ihre zweite Persönlichkeit. Wenn das die Idee ist, find ich sie hammer *w*

Per aspera ad inferi.

-ClOcKWoRk-
Halbprofi (offline)

Dabei seit 12.2008
358 Beiträge

Geschrieben am: 12.08.2010 um 19:24 Uhr

:-D dafür wär mir meine Zeit zu schade,sorry

Lieber Nürburgring als Ehering!

MachHalt
Profi (offline)

Dabei seit 11.2008
820 Beiträge

Geschrieben am: 13.08.2010 um 02:15 Uhr
Zuletzt editiert am: 13.08.2010 um 02:15 Uhr

hm ich hab das jetzt mal so verstanden, dass das Mädl eine multiple Persönlichkeits(störung) hat und sie mal die eine, mal die andere Person ist.
Stimmt das soweit?

Und ansonsten, echt lesenswert (:
ParraPinto - 32
Profi (offline)

Dabei seit 01.2006
997 Beiträge

Geschrieben am: 13.08.2010 um 17:27 Uhr

Ah. Das ist schwere Kost. Auf der einen Seite kann ich mir diese Szene sehr gut vorstellen, aber auf der anderen Seite verwirrt es mich, so paradox es auch klingen mag, bei jedem weiteren durchlesen. Leila als Valerie scheint mir ziemlich unbefangen und verträumt zu sein. Einmal wegen ihren Sprüngen auf dem Dach(?), die sie sturzfrei meistert und dann wegen ihrem Umgang mit dem Ich Erzähler. Dort seh ich zwei Positionen. Das Mädchen auf dem Dach, dass von unten betrachtet lebensmüde wirkt und einmal die nüchterne Ich-Perspektive, die Angst um Leila hat. Was mich hier fasziniert ist, wie du die Verhältnisse mit folgende Zeilen umgedreht hast:

Zitat von Morrigane:

"Weil du dein Leben liebst.", erwiderte ich fest. Es war eine Behauptung, die sich auf keinerlei Beweise stützen konnte, aber mir gelang es irgendwie, sie so selbstbewusst auszusprechen, als vertraute ich auf diese Tatsache.
"Gut beobachtet.", stellte sie anerkennend fest: "Komm endlich rauf!"

Der Leser erfährt, Valerie ist nicht lebensmüde, sondern liebt ihr Leben. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ist sie dort oben und es kommt noch besser. Sie läd die Person unten auch noch ein, doch endlich nach oben zu kommen, als sei dort der Richtige Platz für Menschen, die ihr Leben lieben. Weiter denke ich, dass der Ich Erzähler aber nicht zwingend sein Leben liebt, sondern viel mehr Leila, weshalb er sich so große Sorgen um sie macht und weshalb er nicht nach oben kommt. Vielleicht ist deshalb auch die räumliche Trennung der beide Personen von dir so gewählt worden. Aber das ist nur so ein Gedanke :)
Die Wortwahl und die Art, wie du beschreibst gefällt mir sehr. Weiter so :daumenhoch:

Freiheit

-billyboy- - 32
Profi (offline)

Dabei seit 04.2006
818 Beiträge

Geschrieben am: 13.08.2010 um 22:10 Uhr
Zuletzt editiert am: 13.08.2010 um 22:12 Uhr

Hm, das ist schön. Die unbefangene Art Leilas auf dem Dach erinnert mich an ein trotziges Kind, sie verspürt keine Sorgen und möchte ihr Glück gern teilen. Ein liebenswürdiger Charakter.
Der Erzähler hingegen, so spießig, so ängstlich... Trotzdem ist der Erzähler die Hauptperson für mich. Er/Sie liebt Leila gewiss. Ich denke an eine Beziehung der Beiden, die Leila allerdings gar nicht ernst nimmt. Sie ist einfach zu sehr Kind, zu träumerisch.
Ihre Persönlichkeitsstörung scheint mir keine Krankheit zu sein, sondern ein Spiel Leilas, die sich nicht anders auszudrücken weiß. Sie wechselt ihre Persönlichkeiten mutwillig, sie scheint, mit ihrem Liebhaber zu spielen. Dieser, ganz rational, möchte sich aber nicht auf Spielche einlassen.
Eigentlich passen sie ja gar nicht zusammen, Leila ist für den Erzähler zu unberechenbar, der Erzähler ist für Leila zu spießig. Aber vielleicht macht ganu das den reiz für beide aus.

Sprachlich gefällt mir vor allem, was Leila sagt. Der Erzähler erzählt eher konventionell, Leila dagegen hat eine sehr interessante Wortwahl. Das spiegelt auch ihren jeweiligen Charakter wieder.

Also: Sehr schön.


Edit: hm, das ist doch ein bisschen wirr geworden. Egal, ich hoffe, du verstehst.
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