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Forum / Poesie und Lyrik
John Doe Heat

Ben_Antilles - 35
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Geschrieben am: 10.07.2010 um 18:24 Uhr
Zuletzt editiert am: 10.07.2010 um 18:25 Uhr
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Regen. Vier Uhr morgens. Die meisten Lokalitäten haben geschlossen. Es ist neblig und dunkel, Laternen bilden Lichtinseln in der trüben Nachtluft, ein paar einzelne Falter schwirren um sie herum wie Fliegen um einen Hundekadaver. Von irgendwoher dringt Jazzmusik in die dunkle Sphäre.
Ein Lichtblitz durchbricht das Dickicht am Straßenrand. Ein Wagen nähert sich. Der geneigte Leser hat sicherlich die Gestalt im Hauseingang schräg gegenüber der Telefonzelle, an der der Wagen nun hält, bemerkt, welche sich hinsichtlich der späten Stunde in den sicheren Schatten zurückzieht. Alles, was einem nun noch an dem Hauseingang auffallen könnte, ist das Glimmen der Zigarette, die der Beobachter in der rechten Hand hält.
Die Stadt gehört ihm. In diesem Moment hat er Macht, die Macht von den Millionen von Soldaten, die jemals auf dieser Welt mit ihren Gewehren Gott gespielt haben. Er weiß, was sie angetrieben hat, und er weiß auch, dass die sechs Patronen in seinem Revolver ihn zu einer gottgleichen, inhumanen Tötungsmaschine machen, und er genießt es.
Der Rauch zieht in seine Lungen wie Wasser durch einen gebrochenen Damm. Er genießt das drückende Gefühl, das dadurch ausgelöst wird, und atmet eine große Wolke heißen Dampfes in die Nachtluft aus.
Der Fahrer des Wagens steigt aus und eilt in die Telefonzelle.
Seine Gelegenheit.
Mit gemäßigtem Schritt geht er auf den Wagen zu, dessen Eigentümer gehetzt in den Telefonhörer stammelt, sichtlich unter Druck. Er erreicht den Wagen, öffnet die Türe und lässt sich hinter dem Steuer nieder. Den wuchtigen Koffer, den er bei sich trägt, legt er beiläufig auf den Beifahrersitz, im Bewusstsein, dass dieser schnell erreichbar sein muss, wenn die Zeit gekommen ist.
Das Auto läuft noch, was ihm sehr gelegen kommt. Behutsam schließt er die Türe, löst die Handbremse und fährt los. Im Rückspiegel dringt ihm der entsetzte Blick des ehemaligen Eigentümers wie heiße Butter in die Augen. Und nun lächelt er. Die Zigarette wandert in den linken Mundwinkel, das Wageninnere füllt sich mit nach Vanille duftendem Rauch, die Atmosphäre im Wagen ist genau richtig. Er ist frei von allem.
Die Straße fließt an ihm vorbei, während er das Radio anmacht und blind einen Sender sucht. Die Rolling Stones mit 'Sympathy For The Devil' werden gespielt, was ihm ein furcht einflößendes Grinsen auf sein Gesicht zaubert.
Er steuert den Wagen durch Häuserschluchten und an künstlichen Parkanlagen vorbei in das dreckige, heruntergekommene Industriegebiet der Stadt. Er ist konzentriert und gutgelaunt als er den Koffer das erste Mal öffnet, um die darin versteckten Nummernschilder hervorzuholen. Während er sie mit denen des Wagens austauscht, geht er im Kopf noch einmal den Plan durch – schon zum tausendsten Mal, wie es ihm erscheint. Alles läuft bis jetzt perfekt.
Seine Arbeit ist beendet, er setzt sich wieder hinter das Steuer und fährt weiter. Es ist nicht mehr weit. Die Stones sind mittlerweile den Nine Inch Nails gewichen, was ihn dazu veranlasst, das Radio auszuschalten. Die Strecke bis zu seinem Ziel verkürzt sich mit jeder Sekunde, eine Art Vorfreude ergreift von ihm Besitz, und eine Melodie schleicht sich auf seine Lippen, die er bei jeder dieser Gelegenheiten summt.
Das im Bau befindliche Bürogebäude ist erreicht, er Parkt den Wagen im Schatten eines Bulldozers, so dass er von der Straße nicht zu erkennen ist.
Die Wettervorhersage für den kommenden Tag ist tadellos, bewölkt, trocken, Flaute. Glänzende Voraussetzungen für das, was vor ihm liegt.
Er schaltet den Motor ab, zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss und greift sich seinen Koffer. Als er aussteigt, schmiegt sich sein Anzug wie eine zweite Haut an seinen massigen Körper, und er geht den ausgetretenen Pfad zum Aufzug mit leichtem Schritt, trotz dem großen Gewicht an seinem linken Arm. Beim betreten der Kabine zieht er mit routinierten Bewegungen eine weitere Zigarette aus seinem Etui und steckt diese mit seinem geliebten Sturmfeuerzeug an. Auf der Fahrt nach oben bläst er Rauchringe in die stickige Luft des Lifts und summt seine Melodie weiter.
Oben angekommen gleiten die Türen auf und er verlässt das Innere des Transportmittels. Im vorbeigehen klebt er noch eine Türsperre an den Sensor des Aufzugs, sodass die Kabine geöffnet bleibt, geht dann zur Tür des Treppenhauses und stellt zufrieden fest, dass sie abgeschlossen und armiert ist. Die Zigarette ist aufgeraucht, und er entledigt sich ihr, indem er sie ausgedrückt in ein Plastiktütchen im inneren seines Jacketts verstaut. Keine Spuren hinterlassen ist die erste Regel in seinem Beruf.
Sein Auftraggeber hat vorbildliche Vorbereitungen getroffen, er hat eine bequeme Matratze und frische Bettwäsche bekommen. Leise pfeifend lässt er sich darauf nieder und öffnet seinen Koffer.
Das Gewehr, das darin verborgen war, ist nun in einer halben Minute zusammengesetzt und justiert, er lädt es mit panzerbrechender Munition, sichert es und bringt es in Position. Oh ja, das Töten macht ihm Freude, aber noch mehr mag er es, danach unerkannt zu entkommen. Sein Wecker wird gestellt, sodass er pünktlich zum Empfang ausgeruht und bereit ist.
Er legt sich schlafen.
Es ist später Nachmittag, als die Limousine vor dem Gerichtsgebäude hält. Die vorderen Türen werden aufgerissen und eine Horde Bodyguards verlässt mit missmutigem Blick unter aufmerksamer Beobachtung einer noch größeren Horde Fotografen, Journalisten und Revolverblatt-Schreiberlinge das Wageninnere. Mit routinierten Bewegungen schirmen sie ihren Schutzbefohlenen ab, der soeben aus dem hinteren Teil des Fahrzeugs steigt, so gut sie eben können. Er ist Politiker mit brisanten Informationen über eine ganz bestimmte Mafia-Familie, die der ganzen Sippe das Rückgrat brechen könnte, aber dennoch merkt man ihm keine Angst an, dass ihm etwas zustoßen könnte. Er wiegt sich in Sicherheit und schwingt seinen fettleibigen, schwitzenden Körper frohen Mutes in Richtung Pforte. Auf dem Weg dorthin bleibt er kurz stehen und wendet seinen blick zum Himmel, um die Wolken zu beobachten, wie er es immer tut, bevor er ein Gebäude betritt.
Beim nächsten Lidschlag fliegt schon sein Gehirn durch die heiße Sommertagsluft. Seine Beschützer werden von oben bis unten damit besudelt, und das Blitzlichtgewitter der Presse nimmt an Intensität schlagartig zu. Keiner weiß, woher der Schuss kam, dennoch rennen die Personen in der Nähe der Leiche wie kopflose Hühner durch die Gegend, in dem Wissen, dass sie wohl am nächsten Tag der Arbeitsagentur einen Besuch abstatten müssen.
Keiner hat jedoch Erfolg mit seinem sinnlosen tun.
Zufrieden zerlegt unser Protagonist sein Gewehr, reinigt es grob und verpackt es wieder im schweren Koffer, welchen er zum Aufzug bringt und dort behutsam abstellt, als wäre er mit Nitroglycerin beladen. Beim zurückgehen wird er dem Sirenengeheul aus der Ferne gewahr, aber es kümmert ihn kaum weiter. Alles, was ihn interessiert, ist die braune Ledertasche, die neben der Matratze liegt, und das Benzin, das er nun über diese und entlang des Weges, den er gekommen ist, verschüttet.
Drei Meter vor den Lifttüren stoppt er sein pyromanisches Tun, entfernt den Klebestreifen vom Sensor, stellt sich in die Kabine und steckt die flüchte, fossile Flüssigkeit mit einem Streichholz an. In Windeseile erreichen die Flammen den Platz, an dem er noch vor fünf Minuten gelegen hat. Die Türen des Aufzugs schließen sich und die Kabine setzt sich in Bewegung. Zeit für die Ledertasche.
Den Zeitzünder der Bombe stellt er auf acht Minuten, Zeit genug, um zu gehen.
Beim verlassen des Geländes vergewissert er sich, dass sich keine Personen darauf aufhalten, biegt in eine Seitenstraße ein und bewegt sich in Richtung Schrottplatz. Unterwegs hält er an einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus an, schleppt den Koffer in die dafür vorgesehene Wohnung und setzt seinen Weg dann fort.
Er hört aus der Ferne den Knall der Explosion an sein Ohr dringen und kichert glücklich darüber. Das mag er am meisten.
Am Schrottplatz angekommen stellt er den Wagen direkt unter den Kran und bleibt so lange bei ihm, bis sein Kontaktmann diesen in die Presse gegeben und den Metallschrottwürfel danach auf das Schiff, das ihn nach Osteuropa bringen wird, verladen hat.
An der Bushaltestelle muss er sich das Lachen verkneifen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sieht er den Mann vom vorigen Abend, der so hektisch in das Telefon gekeift hat, durch die Schaufensterscheiben im Inneren einer Autovermietung sitzen. Die Ironie hat ein gutes Händchen, findet er, macht sich dann aber keine weiteren Gedanken darüber und wartet auf das öffentliche Verkehrsmittel, das ihn zum Bahnhof bringen wird, hin zum Pfad des neuen Auftrags, der schon sehnsüchtig auf sein Können wartet.
Ja, Freunde, das Böse obsiegt wieder einmal. Zurück bleibt eine Leiche, eine ungelöste Akte und ein zerstörter Wohnblock.
Don't fuck with the Mafia.
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Ein übernächtigter Mensch hat seltsame Einfälle. Lasst's euch schmecken,
und wenn möglich könnt ihr ja konstruktive Kritik hier lassen.
Lange Tage und angenehme Nächte,
Ben.
"Können sie mir sagen, wie ich zum Münster komme, oder soll ich mich einfach selber ficken?"
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neongruenerAffe
Fortgeschrittener
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Geschrieben am: 10.07.2010 um 18:39 Uhr
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gut. bis vielleicht auf die angst vor wortwiederholung (transportmittel für aufzug)
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Ben_Antilles - 35
Profi
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Geschrieben am: 10.07.2010 um 18:43 Uhr
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Zitat von neongruenerAffe: gut.  bis vielleicht auf die angst vor wortwiederholung (transportmittel für aufzug)
Abwechslung hält das Hirn am atmen
"Können sie mir sagen, wie ich zum Münster komme, oder soll ich mich einfach selber ficken?"
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-Maybellene- - 34
Halbprofi
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Geschrieben am: 10.07.2010 um 18:58 Uhr
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Zitat von Ben_Antilles:
Ja, Freunde, das Böse obsiegt wieder einmal. Zurück bleibt eine Leiche, eine ungelöste Akte und ein zerstörter Wohnblock.
Den Abschnitt weglassen ;) und das Adjektiv "ruotiniert" würd ich auch nicht für den Killer und die Security verwenden.
Ansonsten find ichs interessant und es liest sich gut (:
*_*
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neongruenerAffe
Fortgeschrittener
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Geschrieben am: 11.07.2010 um 00:40 Uhr
Zuletzt editiert am: 11.07.2010 um 00:40 Uhr
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ja. war die einzige stelle, die sich nicht ganz so schön gelesen hat...
sonst, wie gesagt, sehr gut :D
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pyrus - 37
Halbprofi
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Dabei seit 10.2005
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Geschrieben am: 11.07.2010 um 12:24 Uhr
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Zitat von Ben_Antilles: Laternen bilden Lichtinseln in der trüben Nachtluft, ein paar einzelne Falter schwirren um sie herum wie Fliegen um einen Hundekadaver. Von irgendwoher dringt Jazzmusik
Wirklich sehr schön formuliert, diee bildhafte Beschreibung zieht einen regelrecht in die Geschichte hinein.
Zitat von Ben_Antilles: dass die sechs Patronen in seinem Revolver ihn zu einer gottgleichen, inhumanen Tötungsmaschine machen, und er genießt es.
Gottgleich - inhuman - Tötungsmaschiene .... das ist "too much" in einem Satzu und wirkt daher auch vollkommen übertrieben.
Zitat von Ben_Antilles: das Wageninnere füllt sich mit nach Vanille duftendem Rauch, die Atmosphäre im Wagen ist genau richtig
Eine kaltblütiger Mafia-Auftragskiller der (eher feminin wirkende) Vanillezigaretten raucht? :D
Zitat von Ben_Antilles: Beim betreten der Kabine zieht er mit routinierten Bewegungen eine weitere Zigarette aus seinem Etui und steckt diese mit seinem geliebten Sturmfeuerzeug an. Auf der Fahrt nach oben bläst er Rauchringe in die stickige Luft des Lifts und summt ...
Mir wäre kein Fahrstuhl bekannt der nicht sofort Feuer/Rauchalarm melden würde, steckte man sich in ihm eine Zigarette an 
Zitat von Ben_Antilles:
Sein Auftraggeber hat vorbildliche Vorbereitungen getroffen, er hat eine bequeme Matratze und frische Bettwäsche bekommen. .
Das klingt im Kontext zum bisherigen lächerlich, dass sein Autragsgeber (vermutlich irgend ein großer Mafia-Boss) sich so mütterlich um seinen Killer kümmert, das er extra veranlast das dieser bei seinem Mordauftrag frische Bettwäsche und eine weiche Matratze hat :D
Zitat von Ben_Antilles: Beim nächsten Lidschlag fliegt schon sein Gehirn durch die heiße Sommertagsluft. Seine Beschützer werden von oben bis unten damit besudelt,
Ich denke er hat mit einem Gewehr geschossen und nicht mit einer Panzerfaust ? Da hättest du auch besser schreiben können dass seine Beschützer Blut besudelt waren, aber mit seinem Hirn .. übertrieben.
(wieso darf man denn nur 7 Zitate pro Post verwenden :P ? Ich setze das mit Anführungszeichen fort)
"dennoch rennen die Personen in der Nähe der Leiche wie kopflose Hühner durch die Gegend, "
Bildhaft und amüsant, sehr gut 
"Zufrieden zerlegt unser Protagonist sein Gewehr,"
Unser ? das is ja wohl deiner. Aber unabhängig davon ist diese Erwähnung total überflüssig und passt auch nicht in die bisherige Geschichte, den Maifia-Killer plötzlich als "unseren Protagonisten" zu bezeichnen.
Am Ende merkt man das dir die Lust am schreiben ein wenig flöten ging...
Im Gesamten: Wirkt eher wie eine plumpe Nacherzählung aus irgend einem Gangster-Film. Auch wenn es ein paare wirklich sehr schöne Formulierungen gab, finden sich jedoch ebenso viele weniger gelungene Stellen. Du hast dir Mühe gegeben Spannung zu erzeugen, aber das Thema an sich ist wenig umfangreich und wird in fast jedem "Action-Gangster-Film" gezeigt, daher unspektakulär und als Leser lässt sich der Verlauf der Geschichte erahnen bevor man überhaupt so weit gelesen hat.
"Lasst's euch schmecken,"
Sonderlich gemundet hat es nicht 
"und wenn möglich könnt ihr ja konstruktive Kritik hier lassen. "
Ich denke das habe ich, auch wenn die eher negativer Natur ist. Aber ich bin mir sicher, ausgeschlafen mit einem anderen Thema im Kopf, glingt dir sicher noch besseres. Ich bin jedenfalls gespannt, was man noch so von dir zu lesen bekommt.
Lg
"Warum aufhören, wenn ich's gerade zum Kotzen finde?" - Douglas Adam's "Marvin"
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