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Forum / Poesie und Lyrik

Backstage (Laila)

Morrigane
Profi (offline)

Dabei seit 07.2006
955 Beiträge

Geschrieben am: 09.07.2010 um 13:31 Uhr
Zuletzt editiert am: 14.01.2013 um 22:10 Uhr

Backstage





Er ist zu eng hier.
Kennen Sie das Gefühl, ein Korsett zu tragen? Nein? Ein zu enges Kleid vielleicht? Gut.
Und nun stellen Sie sich das mit Menschen vor, Sie können nicht atmen, weil bei jedem Einatmen ihr Brustkorb gegen den eines anderen Menschen stößt. Gottlob ist die Show bald vorbei und wenn ich die Luft anhalte und nur noch mit den Nerven atme, komme ich vielleicht bis zum Backstageraum, wo er bald erscheinen muss. Ja, da hinten sehe ich es schon, da kommt er.
Woher kannte ich diesen abwesenden Blick bereits?

"Sagen Sie, Monsieur.", hebe ich an: "Wie geht es Ihnen."

Er sieht mich fahrig an und reicht mir den Arm. Geleitet mich auf Umwegen nach draußen, in ein anderes Draußen als das des Zeltes, wo es stiller ist.

"Wir werden die Liebespaare stören, die sich im Gebüsch vergnügen.", sage ich.
Er sieht mich verwirrt an und verliert den Gedanken wieder, mich nach der Bedeutung des Satzes zu fragen. Ich laufe ihm hinterher, denn er kennt die Fährte besser als ich. An einem Wohnwagen lassen wir uns nieder und schweigen.

"Was ist los?", frage ich ihn schließlich.

"Zu viele Menschen.", erwidert er: "Zu viele."

"Aber sie haben getanzt und mitgesungen", verteidige ich sie.
Er sieht mich erst wütend an und dann lacht er.

"Es wäre schön, wenn sie unterschiedlicher wären.", sagt er: "Nicht einfach nur Fans, die mit einer Stimme grölen. Wenn ich wollte, könnte ich die Klippen herunterspringen und sie würden mir folgen."

"Du Größenwahnsinniger. Das tust du aber nicht.", lache ich.

"Ich bin Musiker.", erklärt er: "Und kein Führer."

Wir schweigen.

"Ich sollte Freikarten an meine Hasser spenden.", fügt er nach einer Weile nachdenklich hinzu: "Ich mag nicht, wenn man meinen Liedern einfach zustimmt. Sie sollen gefälligst raus und die Welt verändern und nicht einfach mitsingen. Scheiße. Ich hasse Fans."

"Du bist und bleibst ein arroganter und größenwahnsinniger Kotzbrocken", flüstere ich.

"Ja, mein Manager sagt, Arroganz, punkhafte Rebellion gegen die Masse und den Konsum verkauft sich gut.", versichert er ernst: "Ich mache glaubhafte Musik mit glaubhaften Idealen und dafür bekomme ich Kohle. Ironiekacke. Wenn ich 'Fortune' singe, stelle ich mir vor sie abzumurksen.", vertraut er mir komplizenhaft an.

Ich lehne mich an ihn. Sogar die Sterne scheinen heute heller. Nichts ist unmöglich.

"Es gibt etwas, das ich dir schon lange sagen wollte.", flüstert er schließlich verträumt: "Ich liebe dich."

"Ich glaube dir kein Wort.", versichere ich ihm.

Er lächelt. "Gut so.", erwidert er laut.




morrigane 2010

Lecker Senf für alle!

pyrus - 37
Halbprofi (offline)

Dabei seit 10.2005
172 Beiträge

Geschrieben am: 09.07.2010 um 14:19 Uhr

Erinnert mich an Nietzsches "Letzer Wille". Natürlich nicht so dramatisch dargestellt, aber vom Sinnbild her ist es sich doch sehr ähnlich ;-)

"Warum aufhören, wenn ich's gerade zum Kotzen finde?" - Douglas Adam's "Marvin"

Ben_Antilles - 35
Profi (offline)

Dabei seit 07.2005
416 Beiträge

Geschrieben am: 10.07.2010 um 18:35 Uhr

Zitat von Morrigane:

Backstage





Er ist zu eng hier.
Kennen Sie das Gefühl, ein Korsett zu tragen? Nein? Ein zu enges Kleid vielleicht? Gut.
Und nun stellen Sie sich das mit Menschen vor, Sie können nicht atmen, weil bei jedem Einatmen ihr Brustkorb gegen den eines anderen Menschen stößt. Gottlob ist die Show bald vorbei und wenn ich die Luft anhalte und nur noch mit den Nerven atme, komme ich vielleicht bis zum Backstageraum, wo er bald erscheinen muss. Ja, da hinten sehe ich es schon, da kommt er.
Woher kannte ich diesen abwesenden Blick bereits?

"Sagen Sie, Monsieur.", hebe ich an: "Wie geht es Ihnen."

Er sieht mich fahrig an und reicht mir den Arm. Geleitet mich auf Umwegen nach draußen, in ein anderes Draußen als das des Zeltes, wo es stiller ist.

"Wir werden die Liebespaare stören, die sich im Gebüsch vergnügen.", sage ich.
Er sieht mich verwirrt an und verliert den Gedanken wieder, mich nach der Bedeutung des Satzes zu fragen. Ich laufe ihm hinterher, denn er kennt die Fährte besser als ich. An einem Wohnwagen lassen wir uns nieder und schweigen.

"Was ist los?", frage ich ihn schließlich.

"Zu viele Menschen.", erwidert er: "Zu viele."

"Aber sie haben getanzt und mitgesungen", verteidige ich sie.
Er sieht mich erst wütend an und dann lacht er.

"Es wäre schön, wenn sie unterschiedlicher wären.", sagt er: "Nicht einfach nur Fans, die mit einer Stimme grölen. Wenn ich wollte, könnte ich die Klippen herunterspringen und sie würden mir folgen."

"Du Größenwahnsinniger. Das tust du aber nicht.", lache ich.

"Ich bin Musiker.", erklärt er: "Und kein Führer."

Wir schweigen.

"Ich sollte Freikarten an meine Hasser spenden.", fügt er nach einer Weile nachdenklich hinzu: "Ich mag nicht, wenn man meinen Liedern einfach zustimmt. Sie sollen gefälligst raus und die Welt verändern und nicht einfach mitsingen. Scheiße. Ich hasse Fans."

"Du bist und bleibst ein arroganter und größenwahnsinniger Kotzbrocken", flüstere ich.

"Ja, mein Manager sagt, Arroganz, punkhafte Rebellion gegen die Masse und den Konsum verkauft sich gut.", versichert er ernst: "Ich mache glaubhafte Musik mit glaubhaften Idealen und dafür bekomme ich Kohle. Ironiekacke. Wenn ich 'Fortune' singe, stelle ich mir vor sie abzumurksen.", vertraut er mir komplizenhaft an.

Ich lehne mich an ihn. Sogar die Sterne scheinen heute heller. Nichts ist unmöglich.

"Es gibt etwas, das ich dir schon lange sagen wollte.", flüstert er schließlich verträumt: "Ich liebe dich."

"Ich glaube dir kein Wort.", versichere ich ihm.

Er lächelt. "Gut so.", erwidert er laut.




morrigane 2010


Awesome.:)

"Können sie mir sagen, wie ich zum Münster komme, oder soll ich mich einfach selber ficken?"

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