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Forum / Poesie und Lyrik
Die Sehnsucht

Saitenspiel - 61
Halbprofi
(offline)
Dabei seit 02.2010
225
Beiträge
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Geschrieben am: 14.05.2010 um 12:48 Uhr
Zuletzt editiert am: 14.05.2010 um 13:01 Uhr
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Die Sehnsucht
Am Ufer, des großen Ozean des Lebens, in einer stillen Bucht, lag eine einsame Sehnsucht.
Das Leben umspülte ihre dünnen Beine, während sie sich im Sand der Vergänglichkeit ausruhte. Traurig hob sie ihren Kopf und schaute sich um. Sie sah einen langen Strand, doch jenseits des Strandes war alles wie verschwommen. Der Sand war warm und fein, doch der Sand der Vergänglichkeit schien die Sehnsucht gänzlich vom Leben fortziehen zu wollen.
Es hätte nicht viel gefehlt und die Sehnsucht wäre im Sand der Vergänglichkeit versunken.
Die Sehnsucht wollte sich nur ein wenig ausruhen. Sie war sehr erschöpft, von ihrer fortwährenden Suche nach dem Sinn ihres Daseins.
Die Sehnsucht sah sich um, doch sie war allein. Nur das leise plätschern des Lebens, das immer noch ihre Beine umschloss, durchdrang die Stille.
Die Sehnsucht drehte sich um sich aufzusetzen. Während sie über die glatte Oberfläche des Lebens hinwegsah, erhob sich aus einer Woge, die sich dem Stand näherte, ein schwarzer Schatten.
Die Sehnsucht fürchtete sich nicht.
Sie sah aus müden Augen, wie sich der Schatten aus dem Leben erhob und sich ihr näherte.
Als der Schatten dicht vor ihr stand, fragte die Sehnsucht,
„ Wer bist du?“ Bevor der Schatten antwortete, setzte er sich neben die Sehnsucht.
„ Ich bin der Zweifel. Ich habe dich gespürt, darum bin ich gekommen um dir den rechten Weg zu zeigen.“
Die Sehnsucht blickte in den Schatten, aber sie sah nur ein tiefes Dunkel.
„ Ich habe dich nicht gerufen.“ sagte sie mit leiser Stimme. „ Ich möchte mich nur etwas ausruhen, meine Suche hat mich ermüdet.“
„ Du weißt doch gar nicht was du suchst.“ dröhnte der Zweifel mit einer sehr dunklen Stimme. „ Die Unsicherheit hat dich hier an das Ufer gespült. Solange du nicht sicher weißt was du suchst, solltest du alles in Frage stellen. Nichts ist sicher. Man sollte immer und an allem zweifeln.“
„ Wenn ich es sehe, weiß ich ganz sicher, was ich so lange gesucht habe, “ antwortete die Sehnsucht mit fester Stimme.“ „ Und jetzt las mich allein, deine Nähe lässt mich frieren.“
Mit einem dunklen Lachen erhob sich der Zweifel. „ Wir sehen uns wieder denn deine Unsicherheit ist mein Verbündeter.“ Geräuschlos wie er kam, senkte sich der Schatten wieder mitten hinein ins Leben.
Die Sehnsucht dachte über das kurze Gespräch mit dem Zweifel nach. Vielleicht hat er ja Recht.
Vieles das ich sah, während meiner Suche, erscheint mir Zweifelhaft. Scheinbare Liebe, verwandelte sich in dumpfe Leere und Ignoranz. Tiefe Freundschaften entlarvten sich als
Oberflächlicher Zeitvertreib. Vielleicht hat der Zweifel doch Recht. Was ist schon sicher?
Die Sehnsucht blickte auf die Oberfläche des Lebens. Etwas hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Anfängliche Farblosigkeit, unter der Oberfläche, begann langsam einem leichten Farbenspiel zu weichen.
Noch immer umspielte das Leben die Beine der Sehnsucht, und wie es schien, begann die Müdigkeit langsam von ihr zu weichen. Die Oberfläche des Lebens fing an sich zu kräuseln
und aus den Fluten erhob sich langsam eine grau schimmernde Wolke. Ohne das Leben gänzlich zu verlassen, näherte sich die Wolke der Sehnsucht.
„ Wer bist du?“ fragte die Sehnsucht.
„ Ich bin die Geduld und ich komme um dich auf den rechten Weg zu begleiten.“
Die graue Wolke ließ sich auf den Sand der Vergänglichkeit nieder.
„ Ich habe dich nicht gerufen“, sagte die Sehnsucht, „ Ich ruhe mich nur ein wenig aus.“
„ Was auch immer du suchst, lass dir Zeit“, sprach die Geduld mit einer angenehm tiefen und ruhigen Stimme. „ Es ist noch niemand fündig geworden, nur weil er es so eilig hatte. Gut Ding braucht Weile. Bleibe und warte. Was immer du suchst, es wird dich finden. Wenn man sich Zeit lässt, muss die nächste Enttäuschung umso länger warten.
„ Sehr lange schon suche ich den Sinn meines Daseins und immer wartete ich vergeblich.
Meinem Ziel bin ich nur durch Warten auch nicht näher gekommen. Bitte lass mich allein.
Ich werde über das von dir gesagte nachdenken.“
Die Geduld erhob sich und schwebte über die Oberfläche des Lebens, um dann darin geräuschlos zu versinken.
Vielleicht hat die Geduld Recht, dachte die Sehnsucht. Vieles wurde überhastete entschieden.
Die Konsequenzen wurden oft nicht überdacht. Ein zu schneller Entschluss mündete meist
in einem Fehler. Ich werde ein Weilchen warten und sehen was passiert.
Doch so lange die Sehnsucht auch wartete, es geschah nichts. Um sich die Zeit zu vertreiben
planschte sie mit ihren Füssen ein wenig im Ozean des Lebens.
Unter der Oberfläche indes wurde das Spiel der Farben immer intensiver. Auch fühlte die
Sehnsucht wie die Müdigkeit immer weiter von ihr abfiel.
Nach einer Weile sah sie, dass die Farben von einem immer intensiver werdenden Grün überstrahlt wurden. Eine grüne Gestalt begann sich aus dem Leben zu erheben. Sie strahlte in allen erdenklichen Grüntönen, während sie langsam auf die Sehnsucht zuschwebte, ohne jedoch den Kontakt zum Leben zu verlieren.
„ Wer bist du?“ fragte die Sehnsucht.
„ Ich bin die Hoffnung und ich habe dir etwas mitgebracht“, antwortete die grüne Gestalt.
„ Bitte erhebe dich, aber gib Acht das du den Kontakt zum Leben nicht verlierst. Wenn du das Leben verlässt, gibt es kein zurück mehr.“
Eine neue Kraft schien die Sehnsucht zu durchströmen. Die Müdigkeit, die vor kurzem noch so drückend war, verschwand. Die Hoffnung sprach mit einer klaren und hellen Stimme,
während sie langsam durch das Leben schritt.
„ Sehnsucht bitte folge mir. Ich möchte mit dir ein Stück gehen.“
Da die Sehnsucht sich erfrischt fühlte, lief sie mit leichten Schritt neben der Hoffnung, aber immer darauf bedacht mindestens einen Fuß im Leben zu haben.
„ Sehnsucht, was suchst du? fragte die Hoffnung.
„ Wenn ich es sehe werde ich es wissen. Mir ist der Sinn meines Daseins abhanden gekommen“ sagte die Sehnsucht etwas leiser.
„ Du bist der Antrieb, der den Ozean mit Leben füllt.“ Während die Hoffnung dies sagte, deutete sie mit einer Geste auf den Ozean des Lebens.
„ Seit Anbeginn durchstreife ich das Leben. Du bist nicht allein. Viele deiner Art sah ich auf meiner Wanderschaft. Die Sehnsucht nach Frieden, die Sehnsucht nach Verständnis, die Sehnsucht nach Wärme, die Sehnsucht nach Geborgenheit, um nur einige zu nennen. Ohne
euch wäre der Ozean öde und leer. Doch schau in das Leben, höre hinein. Dann wirst du wissen ihr gehört zum Leben wie der Zweifel, die Geduld oder auch der Hass, die Trauer und mein Bruder, der Glaube.“
„ Aber was hilft es mir, wo ich doch nicht weiß wer oder was ich bin“ sagte die Sehnsucht traurig.
„ Sei nicht traurig. Wie ich bei meiner Ankunft schon sagte, ich habe dir etwas mitgebracht.“
Die Hoffnung beugte sich zur Sehnsucht und gab ihr ein Stück aus ihrem Inneren.
Die Sehnsucht nahm das Stück und verschmolz Augenblicklich damit. Die Trauer war wie weggeblasen. Neuer Mut machte sich in der Sehnsucht breit und sie begann zuversichtlich zu lächeln.
Die Hoffnung und die Sehnsucht liefen schweigend am Ufer entlang.
Ein rötlicher Schimmer, ein Stück vor ihnen, hatte abermals das Interesse der Sehnsucht geweckt.
„ Schau nur Hoffnung, siehst du diesen merkwürdigen roten Schimmer?“ Die Sehnsucht drehte sich zur Hoffnung, doch sie war nicht mehr da. Die Hoffnung hatte sich, unbemerkt von der Sehnsucht, zurück ins Leben begeben.
Die Sehnsucht war darüber nicht traurig denn sie trug ein Stück der Hoffnung in sich.
Beim näher kommen sah die Sehnsucht das auf einem Stein, der der aus dem Leben heraus ragte, ein Herz saß. Ein nicht enden wollender Strom der Freude durchfuhr sie.
„ Wer bist du?“ fragte die Sehnsucht. „ Nie zuvor sah ich etwas Schöneres als dich.“
„ Ich bin die Liebe und ich warte schon sehr lange auf dich. Ich bin der Grund deines Seins und du bist der Grund meines Seins. Nur zusammen werden wir uns in Glück und Erfüllung verwandeln.“
Die Sehnsucht wusste, sie hatte nun das Ziel ihrer langen Suche erreicht.
Sie nahm das Herz vorsichtig in beide Hände.
Während sie sich in Glück und Erfüllung verwandelten, ließen sie den Sand der Vergänglichkeit hinter sich und traten mit festem Schritt
mitten hinein ins Leben.
Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse
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Carlos_B - 26
Halbprofi
(offline)
Dabei seit 10.2005
359
Beiträge
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Geschrieben am: 14.05.2010 um 13:27 Uhr
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Ich bin mehr als Sprachlos...
Die Frage: "Wer oder was sind wir" - so anschaulich dargestellt, die Frage: "Was ist der Sinn des Lebens", sehr gut beantwortet.... danke für diesen Text!
Wer die Wahrheit im falschem Moment sagt, gilt als Zyniker.
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Easy72 - 53
Fortgeschrittener
(offline)
Dabei seit 08.2007
77
Beiträge
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Geschrieben am: 14.05.2010 um 16:36 Uhr
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WOW Ein tolles Werk ... 
Wirklich spitze 
Großes Lob und Respekt 
♪ ♫ ♥ ♫ ♪ ♪ ♫ ♥ ♫ ♪
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Ephraim - 57
Anfänger
(offline)
Dabei seit 04.2010
4
Beiträge
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Geschrieben am: 14.05.2010 um 23:58 Uhr
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Wer bist du?“ fragte die Sehnsucht. „ Nie zuvor sah ich etwas Schöneres als dich.“
„ Ich bin die Liebe und ich warte schon sehr lange auf dich. Ich bin der Grund deines Seins und du bist der Grund meines Seins. Nur zusammen werden wir uns in Glück und Erfüllung verwandeln.“
Die Sehnsucht wusste, sie hatte nun das Ziel ihrer langen Suche erreicht.
Sie nahm das Herz vorsichtig in beide Hände.
Während sie sich in Glück und Erfüllung verwandelten, ließen sie den Sand der Vergänglichkeit hinter sich und traten mit festem Schritt
mitten hinein ins Leben.
Ein sehr großes, von Herzen kommendes Laienlob von mir....und diese letzten Zeilen...brrr...Gänsehaut..wirklich sehr berührend
Anarchie ist machbar...Herr Nachbar
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Saitenspiel - 61
Halbprofi
(offline)
Dabei seit 02.2010
225
Beiträge
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Geschrieben am: 15.05.2010 um 00:24 Uhr
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Danke. Wenn es nur einem lesenden Geist gefällt, hat sich das schreiben
schon gelohnt.
Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse
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musclecar - 37
Champion
(offline)
Dabei seit 01.2010
11519
Beiträge
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Geschrieben am: 15.05.2010 um 04:54 Uhr
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Zitat von Saitenspiel: Danke. Wenn es nur einem lesenden Geist gefällt, hat sich das schreiben
schon gelohnt. also ich finds auch gut :)
Ich bin Hänsel aus dem Ghetto und schieb Hexen in den Ofen
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