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Forum / Poesie und Lyrik

Ein Fluss ohne Ufer

Morrigane
Profi (offline)

Dabei seit 07.2006
955 Beiträge

Geschrieben am: 02.05.2010 um 17:53 Uhr
Zuletzt editiert am: 02.05.2010 um 18:09 Uhr

Nachtmeer-Überquerung IV

- Ein Fluss ohne Ufer -



Die Nacht war die schrecklichste von allen. Lorette lag mit aufgerissenen Augen auf der Barke und starrte wach in den Nachthimmel. Hale ruderte, weil Don zu kraftlos war, um aufrecht zu sitzen. Er und Lorette lagen in der Mitte des Bootes, dicht nebeneinander, aber beide in derselben starren, geraden Haltung. Hale fühlte sich, als würde er zwei Leichen über den Fluss rudern.

Auch Hale war zum Zerbrechen müde, aber er war zäh und trotz seiner mageren Gestalt schien er über nahezu unbegrenzte Kraftreserven zu verfügen. In Wahrheit waren auch Hales Kräfte kurz vor dem Versiegen, aber er hatte es bereits seit zwei Tagen geschafft, sich selbst nur noch von außen wahrzunehmen, von wo aus er den beißenden Schmerz in seinen Muskeln nicht fühlen konnte.

Die zwei Halbleichen auf dem Boot bewegten sich kaum noch, aber einmal hatte sich Lorette kurz in Dons Arme geschmiegt und war dort für wenige Minuten in tiefen Schlaf verfallen.
Schlaf. Endlich. Hale konnte die starren Augen nicht mehr sehen. Er träumte bereits in wachen Zustand von Bäumen. Bäume, die am Horizont auftauchten und ihn erwarteten.

Wieder murmelte Lorette etwas und Don nahm sie in die Arme und hielt sie fest, sehr zärtlich und sehr verzweifelt. "So ist das im Leben.", dachte Hale, ohne Verbitterung: "Der Ruderer rettet seine Haut - und verliert das Mädchen."
Dons Kopf tauchte für einen Moment auf. Sein Blick war glasig: "Wir müssen sie übersetzen."
"Wie übersetzen?", fragte Hale kühl.
"In eine andere Sprache.", antwortete Don: "Eine, in der es keine Albträume gibt."
Hale sah in das schwarze Wasser und fragte sich, wie tief es war.
"Wir müssen sie übersetzen.", bat Don eindringlich und seine Augen glänzten hungrig und verzweifelt.
"Du bist nur noch ein Spinner.", erwiderte Hale halblaut: "In meine Sprache übersetzt bedeutet das, du bist halb tot."

"Ans andere Ufer.", flüsterte Lorette.

Don beugte sich wieder zu ihr. In Hales Vorstellung war Don ein Schwan und sein langer Hals umschlang Lorette zärtlich. Aber das Bild verschwand schnell wieder, ohne dass es in ihm auch nur einen Funken Eifersucht auslöste.

"Der Ruderer rettet seine Haut.", dachte Hale: "Und mehr zählt nicht."

"Sie ist kalt.", flüsterte Don besorgt.
Hale sah in einem kurzen, klaren Moment Dons Hand unter ihrem Rock verschwinden.
"Am anderen Ufer ist das Gras grüner.", flüsterte Hale hastig und erregt: "Die Wasser reiner, die Lippen kühner, die Zungen ungehemmter."
Lorette atmete schwer und seufzte mehrmals tief.
"Wir werden den Morgen nicht erleben.", stöhnte Don, schwer atmend: "Wir werden..."
"Du wirst.", erwiderte Hale sehr leise.

Er legte das Ruder zur Seite und spürte den Schmerz wieder. Er war nun zu schwach, zu rudern.
"Was machst du?", fragte Don verzweifelt.
Lorette und Don lagen auf dem Boden, die Glieder vermischt und dennoch schrecklich starr.
"Ich überlebe.", erwiderte Hale leise.
"Aber wie kommen wir an das Ufer?", schrie Don nun fast.
"Jeder Fluss fließt abwärts.", entgegnete Hale: "Jeder Fluss. Wir werden ans Ufer kommen, irgendwann. Und ich werde so lange atmen, bis wir da sind."

Don fing an zu weinen und vergrub sein Gesicht an Lorettes Hals.
"Mach Platz.", befahl Hale und stolperte zu den beiden.
Don rollte sich zur Seite und weinte wie ein kleines Kind.
"Du verschwendest Wasser.", sagte Hale mitfühlend.

Er warf den Mantel ab und legte sich zu Lorette. Er ergriff ihre Hand und lag ganz starr, den Blick in den Nachthimmel gerichtet neben ihr.

"Ich hacke ein Loch ins Boot, wenn du nicht ruderst!", schrie Don: "Ich bringe uns alle ins Grab!"
"Tu es doch.", erwiderte Hale gleichgültig: "Ich überlebe."

Hales Selbstvertrauen zwang Don in die Knie. Er rollte sich ganz in die Ecke und lag dort, wie ein geschlagener Hund. Hale legte die Hand auf Lorettes Brust und beide schwiegen wie in gegenseitigem Einvernehmen. Oder war es das Fieber? Das auszehrende Fieber, das ihre Körper so heiß machte? Das Boot lag still auf den Wellen, die Nachtluft war kalt.

"Wir sind frei.", sagte Hale zitternd: "Wir haben nichts mehr zu verlieren. Das Meer ist ein Fluss ohne Ufer. Nimm das Kleid ab, Geliebte, die Nachtluft wird dich nicht umbringen..."



Morrigane

2010

Lecker Senf für alle!

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Experte (offline)

Dabei seit 02.2010
1216 Beiträge

Geschrieben am: 02.05.2010 um 18:40 Uhr
Zuletzt editiert am: 02.05.2010 um 19:07 Uhr

ein fluss ohne ufer???? - abflussrohr!! :D

ιƒ ℓσνє ιѕ ησт α gαмє, тнєη ωну тнєяє αяє ѕσ мαηу ρℓαуєяѕ.Team-Ulm Messenger★͜tu.mevedia.de☆

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