Saitenspiel - 61
Halbprofi
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Geschrieben am: 27.04.2010 um 19:24 Uhr
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Die Geier und der Sombrero
Die Sonne stand hoch am Himmel. Die Luft flimmerte und kein Bewohner dieses
unwirklichen Flecken Erde, mitten in Mexico, machte in der großen Mittagshitze,
irgend eine Bewegung, wenn er nicht unbedingt mußte.
Diego, Pedro und Jose, saßen wie immer um diese Zeit, auf einem alten verdorrten
Baum und langweilten sich.
" Die Hitze ist heute besonders unangenehm", sagte Pedro, mit einer sehr tiefen Stimme.
Pedro war der größte der drei Geier. Er hatte einen riesigen Schnabel, mächtige Flügel
und starke Greifer. Wegen seiner körperlichen Größe, beanspruchte Pedro den obersten Ast
auf dem Baum für sich. Oben in der Baumspitze wehte, zumindest ab und an, ein
kleines Lüftchen.
" Du Dummkopf, es ist jeden Tag um diese Zeit unangenehm", krächzte Diego.
Diego hörte sich immer an, als wenn er die ganze Nacht mit Sand gegurgelt hätte.
Diego war etwas kleiner als Pedro, nicht so stark, aber dafür etwas älter,
und wie er selbst meinte, schlauer als alle anderen.
" Müßt ihr zwei schon wieder so streiten. Laßt uns lieber überlegen
wie wir den Rest des Tages hinter uns bringen, ohne auf diesem toten Baum zu verbrennen,"
flüsterte Jose vom unteren Ast.
" Hör sich einer unseren kleinen Piepmatz an. Noch so mickrig und schon mit den
großen mitreden wollen" krächzte Diego, während er mit seinem Schnabel
Richtung Jose hackte, ihn aber nicht traf.
Jose war wirklich sehr klein, Er hatte einen kleinen Bauch, der ihn beim fliegen ein wenig behinderte.
Pedro und Diego kannten sich schon, als Jose die zwei kennen lernte.
Jose hörte damals wie die zwei sich um einen toten Hasen stritten. Sie stritten so heftig,
daß nur so die Federn flogen. Jose konnte den Streit schlichten. Seit dem Tag
begleitete er die zwei größeren Vögel. Allerdings wurde Jose nur Geduldet.
Er mußte hinter ihnen fliegen. Er durfte nur als letzter fressen, was aber nicht so schlecht war.
Lieber wenig Beute geteilt, als allein verhungert.
So saßen die drei Geier nun auf ihrem Baum und stöhnten unter der Hitze.
Pedro in der kühleren Luft, Diego darunter und Jose in Bodennähe.
Und der Boden strahlte die Hitze von unten, gerade so wie von oben die Sonne.
Vorweg sollte man, wenn man einen Geier betrachtet, sein Augenmerk
auf den Hals und Kopf lenken. Es ist festzustellen, daß der Kopf mit einer
Vollglatze ausgestattet ist, welche sich den gesamten Hals hinunter zieht,
um in einer Halskrause aus kleinen Feder zu enden.
Damit ein Geier nicht unter seinen Federn auf dem Kopf schwitzt, hat er dort erst keine.
Und dennoch, unsere drei Geier saßen auf ihrem Baum und schwitzten.
Pedro Hob gelegentlich einen seiner mächtigen Schwingen und tupfte
sich den Schweiß von der Stirn.
" Hey Männer, krächzte Diego, laßt uns ein bißchen rumfliegen. Vielleicht wird es dann ein
wenig kühler, und Hunger hab ich auch."
Er drehte seinen Kopf nach oben und sah Pedro zustimmend nicken.
Auch Jose breitete seinen kleinen Flügel aus und erhob sich von seinem Ast.
" Ja, wenn wir Glück haben hat die Sonne für uns Beute gemacht," kicherte Pedro
und erhob sich in die Lüfte.
Nach einigen kräftigen Flügelschlägen, erreichten die drei Geier einen Luftstrom
auf dem sie ohne viel Mühe, eine passable Höhe erreichten. Sie drehten ihre Runden
während sie darauf achteten, bloß keine Beute zu übersehen.
Nach einiger Zeit erspähten sie eine tote Ziege.
Nach einem Sturzflug wurde sie in Besitz genommen.
Die drei fraßen sich satt, und wollten gerade weiterfliegen,
als Jose einen kleinen Kindersombrero entdeckte.
Er wollte gerade unauffällig nachsehen, als auch schon Pedro und Diego an ihn
vorbei stürzten. Noch ehe Jose protestieren konnte, hatte sich Pedro den Sombrero geschnappt.
Er verteidigte ihn mit harten Schnabelhieben gegen Diego.
" Ich bin der stärkste, darum gehört er mir" brummte Pedro.
" Nein, ich bin der älteste und klügste, darum gehört er mir, krähte Diego.
" Mir gehört der Sombrero. Ich bin der kleinste und mir paßt der Deckel,"
wisperte Jose.
" Mist der kleine hat recht" sagte Pedro, während er vergeblich versuchte sich
den Sombrero über den Kopf zu ziehen.
" Wenn das so ist, ist es wohl das beste keiner bekommt ihn" knurrte Diego gereizt.
" Halt ihr zwei dummen Vögel, erwiderte Jose mutig, ich habe eine Idee"
Jose ergriff den Sombrero, setzte ihn auf seinen Kopf, und siehe da er paßte wie angegossen.
Die drei flogen zu ihrem Baum, wobei sich Jose ganz nach oben setzte, und Pedro ganz unten Platz nahm
während Diego seinen Platz behielt.
Wenn man bedenkt, daß ein von der Sonne angestrahlter Gegenstand einen Schatten wirft
und dieser mit wachsender Entfernung zur Erde immer größer wird, so hatte die Idee von Jose
schon etwas einmaliges.
Am nächsten Mittag saßen unsere drei Geier wieder auf ihrem Baum.
Jose oben, Diego in der Mitte und Pedro ganz unten.
So saßen sie alle unter einem Sombrero, oder viel mehr in seinem Schatten.
Ende
Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse
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