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Forum / Witze- und Rätselecke

Harald Schmidt Kolumnen

sehr_viel - 37
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24 Beiträge

Geschrieben am: 02.03.2006 um 19:16 Uhr

Originaltext der Focuskolumnen von Harald Schmidt, extra kostenlos für TU-user!

Don´t worry about a thing, cuz ev´ry little thing gonna be alright!

sehr_viel - 37
Anfänger (offline)

Dabei seit 05.2005
24 Beiträge

Geschrieben am: 02.03.2006 um 19:17 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 9. Januar 2006

Superwirtschaftsjahr 2006
In diesem Jahr kommt der Aufschwung. Daran kann es keinen Zweifel geben, das hat man uns fest versprochen.
Gut vor allem für die Kofferindustrie. Denn – auch das ist sicher: Zur Fifa-WM werden Milliarden ausländische Gäste feststellen, dass die leeren Koffer, die sie mitgebracht haben, nicht ausreichen, um all die Waren einzupacken. Waren, die sie hier in Deutschland kaufen werden, um sie daheim den Angehörigen zu zeigen: Schaut mal, so tolle Sachen gibt es in Deutschland. Kuckucksuhren, Luxusautos, Flachbildschirme, Computerspiele und MP3-Player. Dafür braucht man natürlich zusätzliche Transport-möglichkeiten, deshalb werden gleich noch neue Koffer gekauft. Womit wir bei der glänzenden Entwicklung wären, die unsere deutschen Firmen während der letzten Zeit an der Börse gemacht haben. Wobei „deutsche Firmen“ jetzt nicht mehr ganz richtig ist, aber ist doch klar, was man meint: die guten alten Dax-Werte. Gerne auch mit M-, S-, oder Tec- vornedran.
52-Wochen-Höchststände, wohin der Cursor gleitet. Erfolgreichster Dax-Wert des letzten Jahres? Natürlich die Deutsche Börse. Erst mal den Chef rausgeschmissen und weiter verlauten lassen, dass man gleich den Konkurrenten in London kaufen wird. Optimismus pur. Kein Wunder, dass die Börsianer verrückt nach der Börse sind.
Wohin geht der ausländische Gast, der dank geschicktem Investment an der Deutschen Börse reich geworden ist, zum Kofferkauf? Natürlich zu Karstadt. Dort ist es nicht mehr ungewöhnlich, wenn der Vorstandsvorsitzende persönlich an der Kasse sitzt. Resultat: Ein Höchststand jagt den nächsten, allein mehr als neun Prozent zugelegt seit Silvester. Das schaffen nicht mal ukrainische Gaszapfer.
Natürlich müssen all die schönen Waren, die billig in den Ländern produziert werden, die nach der Vorrunde abreisen, auch nach Deutschland gelangen. Reedereien? Container? Logistik-unternehmen? Zuwachsraten, für die der Begriff „zweistellig“ neu definiert werden muss.
Dass die Deutsche Post überhaupt noch Urlaubskarten zustellt, ist ein sympathischer Mix aus Nostalgie und Nächstenliebe. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Gelben Riesen um ein Logistikunternehmen erster Güte, das auf den Wunsch Etiketten in die Kleidchen näht und sie frisch gebügelt zum Retailer nach Bhutan bringt. Wenn wir den Chef richtig verstanden haben. Drei Prozent Kursteigerung seit Jahresanfang können nur der Beginn einer Entwicklung sein, an deren Ende der Slogan „Wir sind Salzgitter mit Briefen“ noch eine Untertreibung wäre. Diese Erfolgsgeschichten ließen sich beliebig lange fortschreiben, und das Jahr hat ja erst angefangen.
Profitieren nun alle Bewohner des Gastgeberlands davon? Nun, ähem..., also... nicht ganz. Wie man ja aus dem Turnunterricht weiß: Aufschwung kann auch heißen, sich mit viel Mühe hochzuziehen, einmal um die Stange zu quälen, um am Schluss genau dort zu landen, wo man gestartet ist.
© Focus-Magazin

Don´t worry about a thing, cuz ev´ry little thing gonna be alright!

sehr_viel - 37
Anfänger (offline)

Dabei seit 05.2005
24 Beiträge

Geschrieben am: 02.03.2006 um 19:18 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 16. Januar 2006

Stiftung Nerventest
Franz1 ist stinksauer. Zu Recht. Irgendwann platzt auch dem gutmütigsten OK-Präsidenten mal der Kragen. Da ist man globusauf, globusab unterwegs, und dann semmelt einem Daheim das Heer der Wichtigtuer und Besserwisser eine Meinung rein, dass man glatt zum Olivenölkenner werden könnte: Unsere WM-Stadien sind unsicher. Ja Kruzi2, Arsch und Wolkenbruch! Da brauchst keine Umfragen, da brauchst keine Stiftung Warentest, da braucht du nur die Abwehr von Köln, Duisburg oder Kaiserslautern fragen. Die hätten dir gleich sagen können, dass in unseren Stadien oft innerhalb von acht Minuten keine Rettung mehr drin ist4.
Aber man kann was tun! Köln zum Beispiel. Da treibt der neue Trainer die nackten Spieler mit einem Hochdruckreiniger vor sich her durch den Stadtwald, und schon ist eine Freude im Spiel, dass es eine Freude ist.
Alles Psychologie, statt alles schlechtreden. Einfach sagen: „Ich will da raus.“ Da kann der lose Gullydeckel ebenso motivierend wirken wie der Sprung von der drei Meter hohen Mauer. Vielleicht reicht ja auch der Würstelverkäufer eine helfende Hand. Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um einen verkleideten Terroristen, der das Stadion in die Luft sprengen will (vergleiche hierzu frühere Aussage von Franz). Unsereins ist eh im Zwiespalt. Totale Unterstützung für Franz, logo. Aber ohne Stiftung Warentest wären wir anderseits schon tot, zumindest nicht mehr am Leben: Von Krebs im Shampoo bis Blei im Schampus3 – nur die Warnschreie aus dem Testheft ermöglichen einen einigermaßen beschwerdefreien Wandel durchs irdische Dasein.
Vorschlag zur Güte: ab sofort Verkauf von Stadionbier an Minderjährige! Dann kann der Papa am Platzt bleiben und seinen individuellen Beitrag zur Sicherheit leisten (die staatlich bereitgestellten Tarnkappenbomber und Interkontinentalraketen entbinden den Bürger nicht von seiner persönlichen Verantwortung!) Währenddessen geht der Bub Würschtel und Bier holen und hat gleichzeitig einen kindlich-naiven Blick auf die Sicherheitslage in einem anderen Bereich des Stadions. Klingt hart, fördert aber die Selbstständigkeit.
Andere Kinder in dem Alter haben eine Mama, die schläft im Zelt, wo‘s warm ist. Testergebnis folgt.
© Focus-Magazin


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sehr_viel - 37
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Dabei seit 05.2005
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Geschrieben am: 02.03.2006 um 19:19 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 23. Januar 2006

Familienpolitik
Wir gratulieren dem vierfachen Golden-Globe-Gewinner und Oscar-Favoriten „ Brokeback Mountain“. Sein Thema – schwule Cowboys – ist für uns allerdings nicht neu. Wir haben schon immer „Bonanza“ geguckt.
Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die gültige Westernserie zu wieder-holen. Schließlich hat Ben Cartwright als allein erziehender Vater seine Söhne ganz ohne Mutti groß und fett gezogen. Einzige Haushaltshilfe: Hop Sing, der chinesische Koch.
Damit wäre heute natürlich Schluss. Heute würde dem Chinesen die Ponderosa1 gehören, und Little Joe könnte von Glück sagen, wenn er mexikanische Taglöhner beim Reparieren der Zäune auf der Nordweide besichtigen dürfte. Niemand kann sich den folgen der Globalisierung dauerhaft entgegenstemmen. Aber gerade in diesen Tagen sollten wir Ben Cartwright als leuchtendes Beispiel sehen: Es geht auch ohne Staat. Mit Sicherheit war Hop Sing weder alters- noch kranken- und sozialversichert. Schließlich sind wir in den USA. Aber haben wir Ben je darüber jammern hören, ab dem wievielten Dollar er eine Kinderbetreuung absetzten kann? Wie er die Doppelbelastung als Alleinerziehender und subventionsloser2 Landwirt unter einen Cowboyhut bringt? Die Ponderosa war das Urbild aller Kitas3 schlechthin. Integriert in die Arbeitswelt des Vaters wuchsen die Söhne auf, stets in Kontakt mit Tieren an der frischen Luft. Haptische4 Erfahrungen waren möglich, wann immer eine Kuh ganzheitlich was fallen ließ. Gut, Weiber gab’s keine. Sie wurden auch nicht vermisst. Im Gegenteil: Das Urteil kündete sich immer mit dem Satz an: „Hoss hat gebadet.“ Dann wurde der arme Dicke ganz rot, weil er wusste: Es ist Samstag, und er muss wieder in die Stadt und so tun, als ob er eine Frau sucht. Dabei wäre er vielleicht lieber im Schritttempo um die Railway-Station geritten.
Und damit wären wir beim Bundeskabinett, wo es zwar keine schwulen Cowboys gibt, aber jede Menge intelligente Lösungen in Sachen Kinderbetreuung. Sicher, der Themenwechsel hat etwas Abruptes, aber so geht es eben in der Politik. Wo früher nur Familie und Gedöns5 waren, haben die Parteien jetzt Kinderbetreuung entdeckt. Niemand dürfte sich wundern, wenn’s beim Frühstück klingelt und draußen steht Frau Merkel und fährt die Kleinen persönlich in den Kindergarten. So viel Zeit muss neuerdings sein zwischen Leviten lesen. Die Zeitung ist voll davon. Wo früher Arbeitslose oder Irak waren, sind jetzt betreute Familien.
Wer zögert, kriegt zu hören: Skandinavien. Details würden eher stören. Jeder weiß: Die Dörtes und Mettes kurz vorm Nordpol machen schon im Kindergarten Abitur, studieren parallel zur Schreinerlehre in lichtdurchfluteten Sauna-Universitäten Computer, Medizin und das Leben startet fünf Minuten nach der Hausgeburt zur Goldmedaillenjagt im Biathlon6. Trotz der Mücken. Genau da wollen wir hin.
Fehlen nur noch die Kinder.
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Dabei seit 05.2005
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Geschrieben am: 02.03.2006 um 19:20 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 30. Januar 2006

Unaufgeregt
Die Russenkälte bringt es an den Tag: Erschreckend leichtsinnig gehen die Deutschen mit der Klimakatastrophe um. Kaum sinkt das Thermometer auf unmenschliche fünf Grad minus, sind zahlreiche Kamerateams unterwegs, um das bedenkenloseste Volk der Erde nach seine Eindrücken von „dieser Kälte“ zu befragen.
Aber was hört man? „Toll, is ja Winter.“ Oder: „Och, da mümmel ich mich schön warm ein und geh raus. Die Luft ist doch herrlich.“ Ist den Deutschen mittlerweile alles wurscht? Liegt es an der „unaufgeregten, angenehm nüchternen Art“, mit der das Kabinett Merkel dieses Land regiert? Denn mindestens genau so schnell wie das Klima hat sich die veröffentliche Meinung zur Bundeskanzlerin gewandelt. Ist es die gelbe, braune oder blaue Tonne, in die die Politkommentatoren jetzt ihre Angie-Expertisen von vor der Wahl kloppen können?
Natürlich hat Rot-Grün total versagt. Darin sind sich jetzt wirklich alle einig. 68 hat endgültig abgewirtschaftet, jetzt kommt die Generation Sigmar, die von Pop bis Umwelt alles drauf hat. Und zwar unaufgeregt, der derzeit amtliche mentale Zustand. Wenn die neuen Großfamilien1 in den Wald gehen, kann der ruhig aussehen, wie der Bart von Platzeck. Wir bleiben unaufgeregt. Zu lange hat man uns ideologisch aufgeladen den Weltuntergang versprochen, aber Robben, Wald und Flüsse sind immer noch da. Wer muss vor den Untersuchungsausschuss?
Denn da ist einerseits die Gletscherlüge. Ständig werden wir mit Fotos belästigt, die irgendein dreckiges Eis zeigen, dessen Zunge2 „um 1900“ dreimal so lang war wie heute. Gut so. Gletscher ist nur etwas für Neureiche, die im August Ski fahren wollen. Ab zum Nordpol mit den Schmarotzern3. Doch halt! Der schmilzt ja ab . Riesig! Die frei werdenden Wassermassen ermöglichen künftig den direkten Blick aufs Meer, wo heute noch Umgehungsstraßen sind. Das kommt vom Treibhauseffekt. Wir sagen ganz unaufgeregt danke, denn künftig sitzt man auch in Hessen oder Bayern gemütlich im Garten und hat die Füße in 30 Zentimeter hohem Meerwasser von traumhaften 27 Grad. Pech für die Seychellen4 und ihren Tourismus. Aber weniger fliegen ist eh besser fürs Ozonloch5. Wird das jetzt eigentlich größer oder kleiner?
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Geschrieben am: 02.03.2006 um 19:20 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 6. Februar 2006

Mit 67 Jahren
Die Deutschen leben immer länger und arbeiten immer kürzer. Politiker aller Parteien sind sich darin einig, dass es keinenfalls umgekehrt kommen darf. Aber zur Politik gehört der Kompromiss. Deshalb: Rente mit 67. Ab 2029. Danach kann jeder leben solang er will. Soweit vorpolitische Instanzen das absegnen.
Das ist eine nicht diskutierbare Grundlage unserer globalen humanistischen Gesellschaft, da brauchst du keinen Koalitionsvertrag.
Bleibt die Frage: Wie soll einer bis 67 arbeiten, der mit 52 schon keine Arbeit mehr hat? Ist hier der Staat gefordert? Die Gesellschaft? Die Familie? Die Vereine? Oder gar die Unternehmer? Denn man hat herausgefunden: Zwar machen die Unternehmer satte Gewinne, benutzen die aber eher selten für „Investitionen“ (wie gerne in Talk-Shows behauptet wird).
Sondern lieber zur „Rationalisierung1“. Job weg, Mitarbeiter raus, Kurs hoch. Da brauchst du kein Studium. Das begreifst du auch so.
Und was ist mit Schlagern wie „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“? Also erst im letzten Berufsjahr? Zumal diese Behauptung theologisch noch nie haltbar war. Stichworte wie Schöpfung, Zeugung, Agape2 sollen hier genügen.
Noch schlimmer sieht es für den überlebenden der Beatles aus: „When I’m 64“ können sie glatt wegschmeißen. Die Zeile „will you still need me“ geht ja noch. Aber von wegen „will you still feed me“ oder „losing my hair“! Die Zukunft kennt nur noch sehnige Wuschelköpfe, die mit 70 die Leistungsfähigkeit von heute 20-Jährigen haben werden. Dank der Tasse gentechnisch piekfeinen Olivenöls zum Frühstück.
Und da ist es wieder mal: Das Positive! Im Jahr 2029 werden Zehnjährige die Wangen glühen, wenn sie von 85-Jährigen durchs MP3-Player-Museum geführt werden. Diese Lebensweisheit. Dieser Erfahrungsschatz. Ein bisschen können wir uns die Bereicherung durch ältere Arbeitskollegen heute schon ausmalen. Dieses Glücksgefühl, wenn der Senior trotz Geschäftsübergabe an den Filius3 um 7.30 Uhr auf den Hof fährt! Danke Münte. Die SPD wird sie 2029 als 89-jährigen Kanzlerkandidaten stehend feiern. (Der 75-jährige Platzeck hat im Dienste der Partei verzichtet. Andere Lebensplanung.)
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Geschrieben am: 03.03.2006 um 11:02 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 25. Februar 2006

Torino 2006
Die Olympischen Winterspiele in Turin waren großartig. Besonders für die drei wichtigsten Gruppen: Sportler, Fernsehen und Funktionäre. Natürlich gibt es Menschen, die schon zigmal bei Olympischen Sielen dabei waren und vergleichen. Sydney zum Beispiel. Soll der Hammer gewesen sein, auch ohne Olympia. Oder Lillehammer1. Alles sehr dicht beieinander. Jede Menge olympischer Spirit. Das glauben wir gerne. Aber dicht beieinander haben wir schon zwischen Oberhausen und Dortmund, da freuen wir uns, wenn hier einzelne Wettbewerbe luftige zwei Autostunden voneinander entfernt liegen.
Überhaupt war der Transport das zentrale Thema: Die beiden wichtigsten Sätze: a) „Bei diesem Chaos kriegen wir aus Turin keinen hoch“2 oder b) „Er würde hochkommen, hat aber Angst, dass er nicht mehr rechtzeitig runterkommt.“
Hoch und runter – das zentrale Motiv bei Olympia, war in Turin perfekt verwirklicht. Ein weiteres Plus waren die weitgehend zuschauerfreien Wettkampfstätten. Dies wurde bedauerlich in unseren Medien negativ dargestellt (fehlende Stimmung und so), war aber äußerst angenehm. Dank gepfefferter Eintrittspreise und schlechter Erreichbarkeit blieb der Fan, wo er hingehört: zu Hause vor dem Fernseher. Kaum in Nationalfarben verschmierte Gesichter, kein negatives Kuhglockengebimmel, kein Gegröle unter arg lustigen Mützen und Hüten. In den Bars, Cafés und Restaurants waren die Olympiaprofis unter sich. Verwöhnt von den kulinarischen Zaubereien des Piemont3, umsorgt von jederzeit gelassenen und charmanten Italienern. Kein Perfektionszwang, klappen muss nur, was im Fernsehen zu sehen ist, für den Rest gibt es passendes Schuhwerk. Da sind wir mal gespannt, ob unsere Gewerkschaftler mit den bunten Krawatten auf den dunklen Hemden wirklich Mumm haben, während der WM einen Streik anzuzetteln, wie sie jetzt tönen. Wir Olympioniken erwarten Chaos in höchster Virtuosität4, denn mental sind wir schon in Peking5, bevor es 2010 heißt: Welcome to Vancouver6
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Geschrieben am: 03.03.2006 um 11:05 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 13. Februar 2006

Meinungsfreiheit
Verdammt! Jetzt ist auch noch unsere Meinungsfreiheit in Gefahr. Kann schon mal vorkommen, wenn man mehr macht, als eigentlich geht. Stichworte wie Dänemark, Karikaturen oder Boykottdrohung müssen genügen. Jetzt ist – und da sind sich wirklich alle einig – der Dialog gefragt. Das ist immer dann der Fall, wenn der Monolog bei Teilen des Publikums eher weniger Lacher verzeichnet. Alte Late-Night-Regel. Freiheit muss sein, aber Gefühle dürfen nicht verletzt werden. Also sprach der Leitartikel. Das ist – man hätte es wissen können – so nicht ganz richtig. US-Präsidenten, beispielsweise, oder der Papst, haben entweder keine Gefühle, oder sie sind weniger verletzungsanfällig. Zumindest reagieren sie gelassener bis gar nicht. Im Gegensatz zu Staatsoberhäuptern in Ländern, wo unsere Politiker auf Druck der Heimat immer „Menschenrechte“ sagen müssen, bevor die mitgereisten „Spitzen der Wirtschaft“ ein Joint Venture machen. Besonders einfühlsame Dialogbereite haben eine künstlerische Komponente in der aktuellen Auseinandersetzung entdeckt: Die zeichnerischen Werke unserer dänischen Freunde waren so schlecht gemacht. Hätte man aus dem Grund schon nicht drucken dürfen. Das macht Hoffnung. Denn wenn alles künstlerisch Schlechte nicht mehr veröffentlicht werden darf, ist Deutschland ab morgen fast comedyfreie Zone.
Was aber wird aus unserer geliebten künstlerischen Freiheit? Aus der Meinungs- freiheit, vor allem für die Vielen, die schon jetzt ihre epochalen Ansichten durch alles, vom Leserbrief bis zum Chat, kundtun? Nicht zu reden von den moralischen Übermenschen, den Bloggern!? Ganz einfach: Auf alles, was irgendwie nach Westen aussieht, kannste draufhaun, bis es süß kommt. Schließlich hamwa Meinungsfreiheit. Und Satire: Bischöfe sind schwul, Hausmeister Faschisten und Amerika der Untergang der Menschheit – da zieht auch kein Drittes mehr den Stecker raus. Ansonsten ist Klappe halten persönlich fast noch komfortabler als Dialog.
Und das Beste zum Schluss: Medienmäßig hat uns das Ganze von Mozart erlöst
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sehr_viel - 37
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Dabei seit 05.2005
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Geschrieben am: 03.03.2006 um 11:26 Uhr

Harald Schmidt Kolumne
Erschienen im Focus vom 20. Februar 2006

Olympische Schwäne
Mein lieber Schwan! Jetzt bist du dran. Mir schwant nichts Gutes. Schon hört man lauterwerdende Schwanengesänge. Jetzt ist die Zitatensammlung gefragt. Von wegen Leda, Zeus, Nemesis und so. Denn in diesen Zeiten ist ein Schwan mehr als ein Schwan als ein Schwan.
Und dann noch Rügen. Caspar David Friedrich. Kreidefelsen. Was einem halt so einfällt. Mehr Symbolik geht fast nicht. Irgendwie können wir Deutschen stolz drauf sein, dass uns als Kulturvolk die Vogelgrippe per Schwan erreicht. Das hat Stil, das hat Würde, das passt ins Mozart-Jahr.
Und dass wir Horst Seehofer haben. Horst Seehofer ist mehr. Mehr als Landwirtschaftsminister. Horst Seehofer ist der gefühlte ewige Gesundheitsminister. Das ist beruhigend für uns, denn in diesen virusmäßig gefährlichen Zeiten ist Minister Seehofer die Brücke zwischen Schwan und Mensch.
Mich erreicht der Landwirtschaftsminister medial auf zweitausend Meter Höhe im olympischen Sestriere. Über den Bergen, die Agnelli persönlich hat bauen lassen, weil er’s in der Mittagspause von Turin gern zünftig gehabt hat (Achtung! Geht nur mit Heli, mit dem Auto zieht sich’s), über diesen Bergen geht eine postkartentaugliche Sonne auf, während Horst Seehofer im „Morgenmagazin“ des ZDF bittet, die Hühner früher im Stall zu lassen als von der EU gefordert. Horst Seehofer muss sich kritischen Fragen stellen. Der ZDF-Reporter auf Rügen hat mehr Schwäne gezählt, als dem Minister bekannt sind. Droht dem deutschen Volk eine Schwan-Lüge? Der Minister will es prüfen lassen.
In Sestriere gibt es keine Schwäne. Fast alle, die zum Frühstück in die kleine Bar kommen, strotzen vor Gesundheit. Der zeitunglesende Barbesitzer muss mehrfach gebeten werden, dass man bezahlen möchte. Er ruft jedem „arrivederci“ hinterher, der geht. Bezahlt oder nicht. Im Supermarkt hat die Kassiererin ihre beiden Kinder auf dem Schoß, die abwechselnd die Tüten der Kunden füllen. Das kann dauern, aber die Stimmung im Laden ist Italien vom Besten. Ver.di, Steinmeier, Hamas – das ist alles irgendwo da unten im Tal. Zwei Betreuer fragen, ob ich mit zum Ponyreiten komme. Ponyreiten ist Insiderjargon für Damenabfahrt. Aber mein Handy bleibt an, falls der „Morgenmagazin“-Reporter in der Mixed Zone exklusiv einen Schwan umarmt.
© Focus-Magazin


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heilandzack - 37
Anfänger (offline)

Dabei seit 03.2006
3 Beiträge

Geschrieben am: 04.03.2006 um 19:25 Uhr

Zitat:

Originaltext der Focuskolumnen von Harald Schmidt, extra kostenlos für TU-user!

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