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Liebe "Neu-Fans"

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Fireflash91

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Experte (offline)

Dabei seit 03.2006
1007 Beiträge

Geschrieben am: 10.07.2006 um 17:55 Uhr

Gefunden im off-Forum eines BuLi-Vereins.

Ein netter, offener Brief aller Fans an alle "Neulinge" zum Trost:

Liebe Neu-Fußballfans,

für Euch ist Anfang Juli eine Welt zusammengebrochen. Fast vier Wochen lang habt Ihr Euch bunt angemalt, habt Ihr Fahnen geschwenkt, habt Euch PODOLSKI auf das Dekollete und BALLACK auf den Bauch geschrieben, habt gejubelt, getanzt, geschrien und gesungen, 54, 74,90, 2006, und gedacht, das geht immer so weiter, bis ins Finale und darüber hinaus in alle Ewigkeit.

Die Straßen und Plätze waren voll, wildfremde Menschen lagen sich in den Armen, wir waren Fußball, wir waren Eckstoß, wir waren der Mittelkreis. Urs Meier, Jürgen Klopp und Günter Netzer haben uns das Runde und das Eckige erklärt, über den FIFA™-WM-Stadien lachte die
Sonne und alles war gut.

Bis am 4.7.2006 zwei Italiener innerhalb von zwei Minuten den Traum beendet haben. Die Fanmeilen verwaist, die Fahnen eingerollt, die Schminke verlaufen, die Transparente in Bierpfützen. Grosso und Del Piero haben Eure Party beendet, sie haben unsere Jungs nach Stuttgart zum Spiel um Platz drei geschickt, anstatt nach Berlin, Berlin, wohin jetzt andere fahren.

Für uns war das auch eines der wenigen unvergesslichen Spiele, wir alle haben währenddessen zuviel geraucht, getrunken und Gummibärchen in uns rein gestopft. Wir waren auch davon überzeugt, dass „wir“ „diese Italiener“ schlagen und zurück auf die Anklagebank des Sportgerichts in Rom schicken, wo ihre Funktionäre schon zu Recht sitzen. Also lässt uns das nicht im geringsten kalt, was in Euren Köpfen und Herzen grade vorgeht, auch wenn das im folgenden so klingen mag, wenn wir Euch ein paar Sachen sagen:

Fußball findet nicht immer mit Zehntausenden bei strahlendem Sonnenschein auf Fanmeilen und in Biergärten statt, nicht immer vor Großbildleinwänden und in klimatisierten Multiplexen. Fußball ist nicht immer so einfach wie Flanke-Schneider-Kopfball-Podolski-TOOOOR“, es spielen nicht immer die Sportfreunde oder Xavier Naidoo und es gibt nicht immer was zu gewinnen – sei es von der Postbank oder auf dem Platz.

Fußball ist, wenn Euer Verein am letzten Spieltag auf- oder absteigt, oder eben nicht, und das nicht von Pélé, Bela Rethy oder Poschi kommentiert wird.

Fußball ist, unter der Woche bei minus fünf Grad im fast leeren Böllenfalltorstadion zu stehen, und zu erleben, wie dein Verein 0:5 gegen Hoffenheim verliert.

Fußball ist, morgens um fünf in den Zug zu steigen, mit dem Wochenendticket zum Spiel zu fahren und in einer fremden Stadt den Weg zum Stadion zu suchen.

Fußball ist, wenn das Stadion jedes zweite Wochenende ausverkauft ist, dein Verein aber trotzdem von Lizenzentzug bedroht ist, weil die Vereinsverantwortlichen sich verzockt haben. Und Du trotz Dauerkarte machtlos bist.

Fußball ist lauwarmer Glühwein im Schneetreiben, eine angekokelte Stadionwurst und trotzdem das Gefühl zu haben, heute hier und nirgends anders sein zu müssen.
Fußball ist die rote Karte für den Spitzenspieler Deiner Mannschaft, die Discoeskapaden deines Mittelstürmers, die Fotos aus dem Puff mit deinem Vereinspräsidenten. Keine Lichtgestalten auf Wide Screen, sondern immer noch Kalle und Atze, die nicht soviel anders sind wie Du, nur dass sie im Stadion keinen Eintritt zahlen müssen.

Fußball ist, wenn der FC Bayern in den letzten drei Minuten das Champions-League-Finale verliert und du die Fernbedienung aus dem Fenster wirfst.

Fußball ist, wenn ein Regionalligist den Erstligisten aus dem Pokal kegelt.

Fußball ist die Fankneipe, die alles andere als schick ist, in der es nur zwei Sorten Bier (klein und groß) gibt, in der man sich aber immer vor dem Spiel trifft. Oder danach. Zum Feiern. Zum Meckern. Zum Trauern. Und weiß, es gibt ein nächstes Spiel, eine neue Saison.

Fußball ist, wegen ein paar mehr geschossenen Toren Meister zu werden.
Fußball ist, drei Minuten lang Meister zu sein, bis in Hamburg das Tor fällt.

Fußball ist, einmal Meister gewesen zu sein und das höher zu schätzen, als das neunzehnmal geworden zu sein.

Und zu guter letzt: Fußball ist auch, in den letzten Minuten der Verlängerung zwei Tore zu kassieren und das WM-Halbfinale zu verlieren.

Liebe Neu-Fans, der 4.7.2006 war hart für uns alle, für Euch aber ganz besonders. Denn es war euer erstes Mal. Wenn Ihr das wegsteckt, Mund abwischt, dritten Platz mit nehmt und nach Hause fahrt, dann sei euch gesagt:
willkommen beim Fußball und in unserer Welt.

Wenn nicht: Schade. Wir sehen uns sicher zur nächsten WM.

Tschüss
eure Fans